Firmenkundengeschäft erfährt Belebung und Frische

Kombination neuer digitaler Möglichkeiten mit traditionell ausgerichteten Werten ermöglicht konsequente Positionierung als genossenschaftlicher Partner

Firmenkundengeschäft erfährt Belebung und Frische

Nur wenige technische Entwicklungen entfalten eine solche Veränderungskraft auf Wirtschaft und Gesellschaft wie die Digitalisierung. Veränderte Kundenbedürfnisse und steigender Wettbewerbsdruck durch neue Marktteilnehmer sind nur einige induzierte Herausforderungen. Dabei stehen die Ausschöpfung der Möglichkeiten rund um die digitale Technik, die Vernetzung von Daten und der Einsatz künstlicher Intelligenz erst am Anfang einer noch ungewissen digitalen Zukunft.Ein Blick auf den Digitalisierungsgrad der Unternehmen nach Branchen zeigt ein sehr heterogenes Bild. Die Finanzdienstleistungsbranche, geprägt von Regulatorik und Aufsicht, hat sich hier zumindest nicht an die Spitze der digitalen Transformation gestellt. Jedoch fordern einzelne Nischenanbieter beziehungsweise Fintech-Unternehmen oder traditionelle Direktbanken die klassischen Kreditinstitute mit neuen digitalen Angeboten und Beratungsansätzen zunehmend heraus.Wie sich die Volks- und Raiffeisenbanken in diesem Wettbewerbsumfeld positionieren und die genossenschaftlichen Werte in die Zukunft tragen, zeigen das strategische Zielbild der genossenschaftlichen Finanzgruppe (GFG) im Firmenkundengeschäft und das dazugehörende Umsetzungsprojekt “Kundenfokus Firmenkunden”. Das unter Projektleitung des BVR Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken unter Beteiligung der Kreditgenossenschaften, der Regionalverbände sowie weiterer Unternehmen der genossenschaftlichen Finanzgruppe wie der VR-NetWorld, der DZ Bank und der Fiducia & GAD IT AG entwickelte Konzept folgt der klaren Vision, auch zukünftig erster Ansprechpartner für Unternehmer und Unternehmen in Deutschland zu sein.Die bisherigen noch guten konjunkturellen Rahmenbedingungen sowie das anhaltende Niedrigzinsniveau prägen derzeit den Handlungsrahmen der Unternehmen. Die damit einhergehend sehr geringe Insolvenzquote ist ein Spiegel für diese seit langem vorherrschenden komfortablen Bedingungen und begünstigt damit die Risikoperspektive aus Sicht der Banken. Auf Basis dieser erfreulichen Entwicklungen fokussieren sich die Finanzinstitute mit ihren Wachstums- und Erfolgsplanungen zunehmend auf das Firmenkundengeschäft, auch um den Margenrückgang im Passivgeschäft zu kompensieren.In Folge dieser konzentrierten Ausrichtung – quasi einer ganzen Branche – auf die Zielgruppe der Unternehmenskunden ist ein zunehmender Wettbewerb mit all seinen Folgen unausweichlich. Die Rivalität um Kunden- und Marktanteile wird zudem durch ambitionierte Markterschließungsstrategien bisher kaum im Firmenkundengeschäft wahrnehmbarer Institute angefeuert. So setzen beispielsweise bisher vornehmlich im Privatkundensektor verortete Player wie die ING oder die Targo Bank ihren Kurs im Firmenkundengeschäft konsequent fort und überlegen dabei auch den Aufbau von Regionalstandorten. Damit würde auch die traditionelle Kundenklientel der Volks- und Raiffeisenbanken näher in die Reichweite der Wettbewerber rücken.Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company zur Lage des Corporate Banking Ende 2018, steht dem erwarteten Marktwachstum im Firmenkundengeschäft in Prozent ein Mehrfaches an kumulierten Wachstumszielen der Banken gegenüber. Es droht insbesondere im klassischen Kreditgeschäft ein wettbewerbsinduzierter Preiskampf mit sinkenden Margen und Erträgen. Die genossenschaftliche Finanzgruppe begegnet diesen Herausforderungen mit der Umsetzung des strategischen Zielbildes unter dem Titel “Kundenfokus Firmenkunden.”Analog der bereits in den Vorjahren gestarteten Neuausrichtung im Privatkundengeschäft wurde auch für die Weiterentwicklung des Firmenkundengeschäfts konsequent eine kundenzentrierte Sicht eingenommen und die Digitalisierung als strenge Nebenbedingung berücksichtigt. Somit standen von Beginn an die Erwartungshaltungen der Firmenkunden bezüglich ihrer Kommunikation, Interaktion und des Leistungsspektrums in der Bankbeziehung im Zentrum der Entwicklung.Der Anspruch der Unternehmenskunden, aus verschiedenen Kanälen und Zugangswegen frei zu wählen, konnte als eines der Kernthemen identifiziert werden und wurde zum Eckpfeiler für die Zielbildentwicklung. Weitere Qualitätsanforderungen aus Sicht der Kunden waren unter anderem eine nahe 24/7 Erreichbarkeit sowie die Möglichkeit Echtzeit-Transaktionen durchzuführen. Im Ergebnis konnte eine neue Firmenkundenkonzeption auf Basis einer omnikanalen Erlebniswelt entwickelt werden die mit digitalen und vernetzten Beratungsstrecken die Firmenkundenbedürfnisse effizient bei hoher Kundenorientierung abdeckt.Die angepasste Marktbearbeitungskonzeption ermöglicht den Banken die Umsetzung differenzierter an die spezifischen Kundenbedürfnisse angepassten Betreuungsmodelle. Auch auf Leistungs- und Produktebene wurden erweiterte segmentorientierte Ansätze in das neue Konzept integriert. Die Projektergebnisse beinhalten weiterhin die notwendige enge Verzahnung mit den weiteren wesentlichen betrieblichen Anforderungen wie Personal, Steuerung, Prozesse/IT sowie Organisation und stehen den Instituten als Leitfaden zur Verfügung.Ein bestimmender Erfolgsfaktor für die Umsetzung der Konzeption ist die technische Realisierung der Omnikanal- und Beratungswelt innerhalb der technischen Umgebung. Im Rahmen der Digitalisierungsoffensive des genossenschaftlichen Verbundes wird dieses Vorhaben mit höchster Priorität realisiert. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Ausgestaltung der neuen Vertriebsumgebung. Diese wird zum Mittelpunkt der Kunde-Berater-Beziehung ausgebaut. Auf eine moderne Frontend-Gestaltung mit neuen Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten wird hingearbeitet. Beispielsweise können zukünftig Dokumente in Echtzeit miteinander betrachtet oder bearbeitet werden. Kein abschließendes ProjektDie Umsetzung des neuen Zielbildes ist nicht als abschließendes Projekt skizziert. Vielmehr lässt sich der “Kundenfokus Firmenkunden” als ein Projektprogramm beschreiben, das sukzessive mit umsetzungsfähigen Ergebnissen, die in separaten Initiativen erarbeitet werden, durch die Umsetzungsverantwortlichen bestückt wird. Als Ausbringungsmodus gilt das sogenannte “Minimum Viable Product (MVP)”-Prinzip, das heißt Lösungen, die eine gewollte Kernfunktion bereits erfüllen, werden zeitnah in die Umsetzung gebracht. Die Weiterentwicklung mit Blick auf zusätzlichen Nutzen für die Kunden und die Bank erfolgt in nachgelagerten Schritten. Diese Vorgehensweise sichert eine schnelle Umsetzbarkeit der Gesamtkonzeption und zügige Realisierbarkeit der angestrebten Markterfolge im umkämpften Firmenkundengeschäft.Für die Volks- und Raiffeisenbanken stehen mit der Umsetzung des Projektprogramms “Kundenfokus Firmenkunden” radikale Veränderungen an. Durch die Auflösung bisher nebeneinander gelebter Vertriebswege im Rahmen der “Multikanalwelt” und Transformation in die vernetzte und durchlässige “Omnikanalwelt” werden klassische Steuerungsmechanismen wie beispielsweise die beraterbezogene Ertragszurechnung unbrauchbar. Für die Vertriebsverantwortlichen verschwimmen damit die Grenzen der Erfolgsbeeinflussung und gewohnte Bewertungskennzahlen verlieren an Aussagekraft. Die neuen Philosophien und Mechanismen müssen zunächst implementiert und akzeptiert werden.Neben den inhaltlichen Veränderungen stellt auch die Art und Weise der Umsetzungskonzeption des “Kundenfokus Firmenkunden” neue Herausforderungen an die regionalen Genossenschaftsbanken. Aufgrund der zahlreichen Umsetzungsinitiativen und der Auslieferung der Ergebnisse nach dem beschriebenen MVP-Prinzip, ist in der Bank eine permanente “Projektbereitschaft” sicherzustellen. Die Ausbringung IT-gestützter Lösungen wurde von den klassischen Release-Zyklen der Rechenzentrale entkoppelt und erfolgt im Projektkontext in einer nunmehr deutlich höheren Frequenz. Hierfür sollten adäquate schlanke Adaptionsverfahren in den Banken vorbereitet werden. Das bankinterne Projektmanagement sollte für eine Umsetzungskraft durch den Aufbau agiler Projektmanagementkompetenzen gefördert werden, da klassische Projektvorgehensmodelle nicht effizient auf die angestrebte Umsetzungsgeschwindigkeit ausgerichtet sind.In der Überzeugung, dass mit der Umsetzung des Zielbildes die Erfolgsstory der Volks- und Raiffeisenbanken auch im Firmenkundengeschäft fortgeschrieben wird und die genossenschaftlichen Werte in die Zukunft transferiert werden, engagieren sich alle Mitglieder der GFG. Der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. sorgt durch eine intensive Kommunikation mit den Mitgliedern für eine hohe Sensibilisierung für die anstehenden Themenstellungen und bündelt unter dem Dach der Awado-Gruppe ein übergreifendes Kompetenz- und Leistungscenter mit bedarfs-orientierten Beratungsangeboten für die Mitglieder des Verbandes. Von der Verankerung des Zielbildes in den strategischen Grundlagen der Banken über die Erarbeitung der Marktbearbeitungskonzeption stehen schlüssige Vorgehensmodelle zur Verfügung.Zudem können auch punktuelle Bedarfe wie beispielsweise die Durchführung einer datengetriebenen Segmentierung abgerufen werden. Dabei können die Banken auf die Erfahrungen aus zahlreichen Umsetzungsprojekten zu den Konzepten der genossenschaftlichen Finanzgruppe zurückgreifen. Als Mitglied im Netzwerk des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen e.V. genießen die Berater der Awado-Gruppe einen Wissensvorsprung insbesondere durch die Einbindung in Pilotierungsprozesse im Rahmen der Umsetzungsorganisation der Verbände. Hinzu kommen tiefgreifende Kenntnisse zu prüfungsspezifischen und steuerungsrelevanten Anforderungen.Insgesamt erfährt das Firmenkundengeschäft der GFG durch die Kombination neuer digitaler Möglichkeiten in Prozessen und Kommunikation mit den traditionell auf Beziehung ausgerichteten genossenschaftlichen Werten eine deutliche Belebung und Frische. Es gelingt die konsequente Positionierung als genossenschaftlicher Partner für Unternehmen im Kontext geänderter Anforderungen und wettbewerblicher Rahmenbedingungen im Firmenkundengeschäft. Ingmar Rega, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen e.V. und Thomas Schwendrat, Mitglied der Geschäftsführung der Awado Gruppe