SERIE: WO VERDIENEN BANKEN NOCH GELD? (4)

Firmenkundengeschäft ist eine Oase der Profitabilität

Zweistellige Renditen sind im Corporate Banking immer noch an der Tagesordnung - Kreditmargen sinken aber - Gelegenheiten im Non-Investment-Grade

Firmenkundengeschäft ist eine Oase der Profitabilität

Corporate-Banking-Land ist zwar noch nicht abgebrannt, aber es schwelt bereits an einigen Ecken. Das signalisiert Handlungsbedarf, zeigen die jüngsten Branchendaten doch Einbußen bei Erträgen und Profitabilität. Neben erhöhter Kostendisziplin dürfen die Institute auch gezielt schlechtere Bonitäten ins Visier nehmen, werde dieses Risiko doch bezahlt, lautet ein Ratschlag.Von Björn Godenrath, FrankfurtDie richtig guten Zeiten im deutschen Firmenkundengeschäft sind zumindest vorerst vorbei. Seit etwa einem Jahr lässt sich diagnostizieren, dass der Trend steigender Erträge und erhöhter Eigenkapitalrentabilität gebrochen ist und die Branche sich in einem sich verfestigenden Abwärtstrend befindet. Der von Bain regelmäßig erhobene Corporate-Banking-Index zeigt aktuell einen Rückgang der Erträge mit Firmenkunden in Deutschland auf den tiefsten Stand seit 2009 an, als die Branche die Folgen der Finanzkrise noch ganz frisch zu verdauen hatte.Ertragsrückgänge resultieren vor allem aus dem Niedrigzinsumfeld sowie rückläufigen Margen infolge des harten Wettbewerbs. Das hinterlässt Spuren im Kreditgeschäft, das als Ankerprodukt im Corporate Banking fungiert. Knapp drei Viertel der operativen Erträge werden den Daten von Bain zufolge bislang über den Zinsüberschuss generiert – und genau das ist die Achillesferse, fressen sich die Effekte des Negativzinsumfeldes doch über die Quartale nun immer tiefer in die Erfolgsrechnung hinein.Das zeigen auch die Daten von Bain für das zweite Halbjahr 2015. Anders als noch im ersten Halbjahr 2015 konnten die Banken ihr schwaches Zinsergebnis bis zum Jahresende nicht mehr durch höhere Provisionseinnahmen kompensieren, wird diagnostiziert. Entlastung erfolgt über die unter dem langjährigen Durchschnitt liegende Kreditrisikovorsorge. Doch das reicht nicht aus, um den Profitabilitätsverfall zu stoppen: Die Eigenkapitalrendite vor Steuern im Corporate Banking kippte auf 14 % ab, was das niedrigste Niveau seit Überwindung der Finanzkrise darstellt. Cost-Income-Ratio steigtDabei schrumpft die Kreditmarge bei einem seit 2011 konstanten Kreditvolumen von 1 Bill. Euro unaufhörlich. Lag die Marge 2010 noch bei 2,0 %, so ist sie seitdem im wettbewerbsintensiven Umfeld auf nunmehr 1,4 % abgesunken und liegt damit nur noch hauchdünn über dem Tief von 2008. Bei allem Lamento – auch die Verwaltungskosten gehen hoch und haben die Cost-Income-Ratio auf 43 % getrieben – bleibe Corporate Banking aber attraktiv, sagt Bain-Experte Jan-Alexander Huber. “Dafür sprechen die immer noch zweistelligen Eigenkapitalrenditen.” Und welches andere Segment im deutschen Bankwesen kann davon schon berichten?Rund ein Drittel der Erträge entfällt im Corporate Banking auf große Unternehmen – und alles, was im Firmenkundengeschäft Rang und Namen hat, inklusive der hierzulande sehr präsenten Auslandsbanken, balgt sich vor allem um die 2 300 größeren Unternehmen in Deutschland mit Erlösen von mindestens 250 Mill. Euro im Jahr. Denn dort lauert die Chance auf provisionsbasiertes Geschäft. Die rund 267 000 Kleinbetriebe mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Mill. Euro sowie die typischen familiengeführten Mittelständler bilden das breite Fundament des Firmenkundenuniversums. Der gesamte Kuchen umfasst ein Ertragspotenzial von 26 Mrd. Euro (siehe Grafik). Knapp 21 Mrd. Euro davon entfallen auf das Kerngeschäft mit Einlagen und Krediten, wobei Bain zufolge das Kreditgeschäft für einen Großteil der Erträge steht.Das Problem: Knapp drei Viertel der Erträge speisen sich aus dem Zinsüberschuss. Und der kommt zunehmend unter Druck, da im Firmenkundengeschäft mit den Einlagen nicht so umfänglich Fristentransformation betrieben werden kann wie im Privatkundengeschäft – der Regulator will es so. Die Aufseher gehen davon aus, dass Firmenkundengelder schneller abgezogen werden könnten, und wollen deshalb einen größeren Liquiditätspuffer vorhalten lassen.Was das für das Firmenkundengeschäft bedeuten kann, lässt sich derzeit unterm Brennglas bei der Commerzbank begutachten. Die Mittelstandsbank büßte im ersten Halbjahr aufgrund des Negativzinsumfelds 76 Mill. Euro beim margengetriebenen Zinsüberschuss des Einlagengeschäfts ein. Dabei ist das Umleiten der Kundengelder in vollem Gange: Um 22 Mrd. Euro wurde der Einlagenbestand in den ersten sechs Monaten reduziert. Zudem sind Guthabenentgelte bei den meisten Einlagentypen längst Alltag, als weitere Maßnahme werden nun umfassend Mindestzinssätze für variabel verzinsliche Kredite eingeführt. GegensteuernAll das kann aber keine vollständige Kompensation bringen. Die Commerzbank geht davon aus, dass es ab 2017 zu einem zusätzlichen Zinsergebnisrückgang von etwa 100 Mill. Euro kommen wird. Da auch der Verwaltungsaufwand steigt, ist die operative Eigenkapitalrendite der Mittelstandsbank per Ende Juni auf 10,5 % (i.V. 15,2 %) geschrumpft. Die Mittelstandsbank verdient nun so wenig wie seit dem Schlussquartal 2009, kurz nach dem Höhepunkt der Finanzkrise, nicht mehr. In den ersten sechs Monaten wurde ein operatives Ergebnis von noch 412 (679) erzielt. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2012 erzielte die Sparte einen operativen Gewinn von gut 1,6 Mrd. Euro. Und da sich an der Zinssituation so bald nichts ändern dürfte, stehen bei der Mittelstandsbank Einschnitte an, um auf der Kostenseite gegenzusteuern.Doch gerade weil alle Banken ihr Standing im Corporate Banking bis aufs Messer verteidigen und die Kunden mit Kreditangeboten überhäuft werden, hält der Druck auf die Kreditmarge an: Der Barkow Corporate Credit Index zeigt, dass Unternehmen immer weniger berappen müssen für den Bankkredit. Das Barometer sackte Anfang Juli auf 1,53 % ab, ein historischer Tiefstand (siehe Grafik), zog jetzt aber leicht an auf 1,56 %. Die andere Seite der Medaille: Den Unternehmen geht es in robuster Konjunkturlage grundsätzlich gut, was die Kreditrisikovorsorge der Banken auf ein homöopathisches Niveau abschmelzen lässt – mitunter sind auf Jahresbasis sogar Gutschriften aus der Auflösung von Rückstellungen zu verbuchen.Die Banken seien insgesamt risikobewusster geworden und machten gutes Geschäft im Investment-Grade-Bereich, sagt Peter Barkow. Er rät den Instituten, gezielt mehr Geschäft bei den schlechteren Qualitäten im Non-Investment-Bereich zu suchen. Dort würde dieses Risiko auch bezahlt und damit winkten bessere Margen. Allerdings müsse man sich mit zusätzlichen Workout-Kapazitäten darauf einstellen, mit Defaults umzugehen. Mehr Risiko nehmenHSBC Trinkaus & Burkhardt hat diesen Ansatz bereits beherzigt und geht seit 2014 mehr ins Risiko bei Firmenkrediten. Dabei werden für mehr Wachstum auch kleinere Mittelständler ab gut 35 Mill. Euro Umsatz anvisiert, auch Non-Investment-Grade ist kein Tabu mehr. Dafür nimmt man in Düsseldorf auch ein Hochfahren der Risikoaktiva in Kauf. Ein Fazit, ob sich das rechnet, steht noch aus.Die Empfehlung der Consultants lautet zum einen, mit Dienstleistungen bei größeren Unternehmen rund um die Handelsfinanzierung zu punkten sowie bei provisionsstarkem Geschäft rund um Aktien und Anleihen. Zum anderen sollte die Weiterentwicklung des Firmenkundengeschäfts auf eine Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette fokussieren. Das ist allein aufgrund des aufziehenden Wettbewerbs mit den auf kleine und mittelgroße Unternehmen zielenden Fintechs notwendig. Position behauptenUm auf der Kostenseite Digitalisierungsaufwand zu sparen, seien auch Kooperationen mit Fintechs eine Möglichkeit, sagt Oliver Wyman. Produkte oder Dienstleistungen könne man sich zuliefern lassen, Banken müssten nicht unbedingt die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Was das Ertragspotenzial der Digitalisierung betrifft, da schätzt Oliver Wyman, dass es nur dafür reicht, mit diesen Beiträgen das Ertragsniveau zu halten. Allerdings ergeben sich auf der Kostenseite Einsparmöglichkeiten, könne doch analog zum Retail Banking ein Teil der Datenerfassung dem Kunden überlassen werden.Selbst im erfolgsverwöhnten Corporate Banking müssen sich die Institute nun strecken, um ihre Position zu behaupten und dem Margentrend zu trotzen. Das Umfeld lässt dabei nur eine Politik der kleinen Schritte zu. Die Institute sollten aber schleunigst handeln, solange die Renditen noch auskömmlich sind, sonst droht die Profitabilitätsoase auszutrocknen.—-Zuletzt erschienen: – Stabile Margen, aber zu hohe Kosten (6. August)- Wachsen versus schrumpfen (4. August)- Bankenland ist abgebrannt (3. August)