Wertpapieraufsicht

Forscher fordern mehr Unabhängigkeit für BaFin

Vor der Reform der BaFin fordert ein Expertenteam mehr Unabhängigkeit für die Behörde. Die Kontrolle durch das Bundesfinanzministerium sei ein „Einfallstor für politische Einflussnahme“.

Forscher fordern mehr Unabhängigkeit für BaFin

jsc Frankfurt

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin ist aus Sicht eines Expertenteams aus Frankfurt und München nicht unabhängig genug: Während BaFin und EZB in der Bankenaufsicht im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) bereits weitgehend unabhängig agierten, müsse die BaFin in der Wertpapieraufsicht den Weisungen des Bundesfinanzministeriums entzogen werden, schreiben Juristinnen und Finanzökonomen in einem umfassenden Positionspapier des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung (SAFE). Stattdessen solle die BaFin jährlich dem Bundestag Bericht erstatten und dabei verpflichtet sein, Fragen von Abgeordneten zu beantworten. Außerdem schlägt das SAFE-Institut vor, den aktuell 17-köpfigen Verwaltungsrat der BaFin, in dem Bundesregierung und Bundestag sowie Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft vertreten sind, um zwei internationale Vertreter von anderen Wertpapieraufsichtsbehörden zu ergänzen.

Als Anlass für die Forderung nennt das Autorenteam die Rolle der BaFin im Fall Wirecard. Mehr als 20-mal habe die Aufsicht von Februar 2019 bis Juni 2020 an das Bundesfinanzministerium in der Causa berichtet, halten die Forscher fest. Über den Inhalt dieser Berichte sei nichts bekannt, doch sei davon auszugehen, dass die BaFin „im Schatten der Hierarchie“ gehandelt habe. In diesem Zeitraum hatte die Behörde zunächst das umstrittene Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien festgelegt, ehe später die Wirtschaftsprüfer von KPMG die Wirecard-Angaben für einen Sonderbericht unter die Lupe nahmen, der Zahlungsdienstleister schließlich eine Milliardenlücke eingestehen musste und Insolvenz anmeldete.

„Einfallstor“ für die Politik

Zwar wollen die Autoren nicht festhalten, ob und in welchem Punkt die BaFin oder das Finanzministerium versagt haben. Doch stehe die Glaubwürdigkeit der BaFin auf dem Spiel. „Die gegenwärtige Weisungsgebundenheit der BaFin ist nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Einfallstor für politische Einflussnahme.“ Um die BaFin der Kontrolle durch das Ministerium zu entziehen, solle das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) geändert werden, fordert der Bericht. Zwar überwacht die Exekutive auch im Ausland die Arbeit der Aufsichtsbehörden, doch hat das Parlament hier meistens eine stärkere Rolle, wie das SAFE-Institut hervorhebt (siehe Kasten).

Der Bericht kommt zu einem kritischen Zeitpunkt: Zur Jahresmitte nimmt der designierte BaFin-Präsidenten Mark Branson seine Arbeit auf, während die Koalition aus Union und SPD in Berlin am Finanzmarktintegritätsgesetz arbeitet, dass unter anderem die BaFin stärken soll. Auf Nachfrage erklärte das Bundesfinanzministerium, es werde sich „im Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht auch mit der Frage einer möglichen Anpassung beschäftigen und sich auch mit den Gremien der BaFin zu möglichen Anpassungen der Grundsätze der Rechts- und Fachaufsicht austauschen“.

Hinter dem Bericht stehen der SAFE-Direktor und Wirtschaftsprofessor Jan Pieter Krahnen, die Staatsrechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die Bankrecht-Professorin Katja Langenbucher, die wie Krahnen am House of Finance der Frankfurter Goethe-Universität tätig ist, sowie SAFE-Ökonom Patrick Blank, der ebenfalls in Frankfurt sitzt.