Frankfurt im Breisgau
Corona verändert bekanntermaßen fast alles – auch im Straßenverkehr. Die Sorge, sich in überfüllten U-Bahnen an anderen Maskenträgern vorbeidrängeln zu müssen, lässt viele aufs Fahrrad wechseln. Der Finanzplatz am Main erlebt vor diesem Hintergrund dieser Tage eine Art Hollandisierung. Oder anders ausgedrückt: Frankfurt erinnert dieser Tage an das Straßenbild, das man gemeinhin aus Universitätsstädten gewohnt ist – man fühlt sich wie in Frankfurt im Breisgau.Allerdings gilt für die im Vergleich zu Freiburg weniger breit ausgebauten Radwege rund um Alte Oper und Taunusanlage: Auf dem Highway ist die Hölle los. Vor allem an Ampeln staut sich der Verkehr – also genauer gesagt: vor den wenigen Ampeln, an denen Radfahrer tatsächlich bei Rot halten.Da es unter den Cyclisten nicht jeder mit der Einhaltung des Abstands zum Nebenfahrer genau nimmt, kommt es dabei regelmäßig zu Auseinandersetzungen. Unmut entlädt sich insbesondere dann, wenn einer der neuen Erzfeinde des Radlers wagt, den Ampelstopp zum Überholmanöver auszunutzen – die E-Tretrollerer. Dass ständig irgendwelche E-Biker dank unlauterer Hilfsmittel an ihm vorbeiziehen, daran hat sich der geplagte strampelnde Pedalist ja mittlerweile gewöhnt. Aber dass ihm nun auch immer häufiger die E-Roller-Fahrer die Rücklichter zeigen, kann ihn schon verdrießen. Hinzu kommt schließlich noch der zunehmende Laster-Verkehr auf dem Radweg – in Form sandkastengroßer Babboe-Transporter, vor allem im Westend und Nordend. *Auch im Bankenviertel wächst die Zahl der täglichen Radler spürbar. Dabei gibt es die, die in Eddy-Merckx-Trikot und gelber Stirnkappe zur Arbeit hasten und sich erst in den Hochhaustürmen in den anthrazitfarbenen Anzug werfen. Es gibt aber auch die, die in voller Banker-Garderobe ins Büro radeln – allenfalls mit silberner Hosenspange und leicht gelockerter Krawatte, um sie während der Fahrt schwungvoller auf den Rücken zu werfen. Ein besonders modebewusster Banker hatte jüngst nur das Schuhwerk ausgetauscht: Dunkler Anzug und Chucks – und seine edlen Lackschuhe auf den Rücken geschnallt. Sah ganz schick aus.Natürlich gilt auch für den Stadtverkehr der Mega-Trend, der von der Pandemie befördert wird: Digitalisierung. Ein durchaus erheblicher Teil der Radfahrer ist am Telefonieren – und immer mal wieder kann man an Ampeln Zeuge von Wertpapieraufträgen werden: Erst bei 120 kaufen! Zudem gewinnt die Nutzung von Navigationssystemen am Lenker Anhänger.Entsprechend altmodisch muss neulich meine Frage an einen Fußgänger gewirkt haben, als ich mich beim Rad-Ausflug ins Umland vergewissern wollte, dass die Straße tatsächlich in den Nachbarort führt. Der Angesprochene zückte sein Handy und checkte Standort und Richtung, um mir zu bestätigen, dass ich auf dem richtigen Weg sei. “Ach so”, sagte ich, “Sie sind hier wohl auch fremd.” “Nö, ich wohne hier seit fast 20 Jahren, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.”