GASTBEITRAG

Frauen brauchen mehr Sponsorship

Börsen-Zeitung, 28.2.2018 15 % der Vorstandsmitglieder börsennotierter deutscher Finanzinstitute sind Frauen. Zur Einordnung: In Norwegen beläuft sich die Quote auf derzeit 38 %, in Großbritannien auf 25 %. Am unteren Ende der Statistik stehen...

Frauen brauchen mehr Sponsorship

15 % der Vorstandsmitglieder börsennotierter deutscher Finanzinstitute sind Frauen. Zur Einordnung: In Norwegen beläuft sich die Quote auf derzeit 38 %, in Großbritannien auf 25 %. Am unteren Ende der Statistik stehen Frankreich mit 7 % sowie Polen und die Schweiz mit jeweils 5 % . Diese Zahlen haben wir kürzlich bei der Analyse von 763 Vorstandspositionen in 80 führenden europäischen Unternehmen des Finanzsektors identifiziert und damit zum ersten Mal auf europäischer Ebene Zahlen der weiblichen und männlichen Mitglieder in Executive Boards verglichen. Deutschland im MittelfeldDie Bundesrepublik bewegt sich damit im Durchschnitt, auch hinsichtlich einer anderen Betrachtung. Die Frauen in den Vorständen übernehmen “typisch” weibliche Funktionen wie das Personalressort. Bettina Orlopp beispielsweise, seit kurzem das erste weibliche Vorstandsmitglied der Commerzbank in der 150-jährigen Geschichte des Instituts, ist als Personalchefin verantwortlich für Recht, Personal und Compliance. Bei den 80 untersuchten Banken, Versicherungen und anderen Kapitalmarktgesellschaften sind mittlerweile 72 % der obersten Personaljobs mit Frauen besetzt und 43 % der Executive-Committee-Positionen im Bereich Vertrieb, Marketing und Kommunikation. Bei Compliance sind es immerhin noch 36 %. Dagegen besetzen Frauen nur 5 % der untersuchten CEO-Positionen und lediglich jede zehnte COO-Funktion. Kim Hammonds, eine von zwei weiblichen Mitgliedern im Vorstand der Deutschen Bank, ist da als Chief Operating Officer also eher die Ausnahme.So viel sei zur regionalen und funktionalen Bestandsaufnahme gesagt. Mindestens von gleichem Gewicht jedoch ist die normative Einordnung. Unbestreitbar gibt es bei dem Thema Gender Diversity Fortschritte. Vor zehn Jahren hätte eine Untersuchung dazu ein desaströses Ergebnis hervorgebracht. Bekanntlich hatten damals Frauen in den Vorständen deutscher Finanzinstitute Seltenheitswert. Wie die oben genannten Zahlen ausweisen, hat sich in der Zwischenzeit einiges zum Besseren gewendet. Das dient – es sei mit Nachdruck gesagt – dem Nutzen der gesamten Gesellschaft. Parität muss Messlatte seinDas Tempo jedoch, mit dem sich der Wandel vollzieht, ist der Bedeutung des Themas nicht angemessen. Und: Die großen börsennotierten Gesellschaften, die wir genauer betrachtet haben, sind in der Regel beim Thema Diversity weiter als die vielen mittelgroßen und kleineren Unternehmen der Branche. Die von uns analysierten Banken und Versicherer sind in aller Regel bereits Vorreiter. Und selbst in diesem Segment sind wir vom eigentlichen Ziel meilenweit entfernt. Die Parität muss weiter als Messlatte gelten. Nach meinem Eindruck findet zwar das Thema “weibliche Top-Führungskräfte” in den Aufsichtsräten und Vorständen deutscher Banken und Versicherungen deutlich mehr Beachtung als früher. Es gibt Leitsätze, Postulate, Absichtserklärungen, Programme und Marketingbotschaften, die unisono besagen, dass mehr Frauen in die Chefetagen aufsteigen sollen. Am Ende wird das Thema Gender Diversity dann aber doch nicht ganz so ernst genommen, wie es nötig wäre. Bei der Besetzung von Führungspositionen erhalten wir oft die Anweisung, doch bitte möglichst bei jeder Kandidatenpräsentation qualifizierte Frauen zu berücksichtigen. Doch zumeist fehlt dann jene Hartnäckigkeit bei der Verfolgung der hehren Postulate, die Unternehmen bei der Erfüllung operativer Ziele ganz selbstverständlich an den Tag legen. Die Hand reichenWo also ansetzen? Bei all den vielen denkbaren und oft beschriebenen Optionen zur Förderung von Frauen in der Finanzbranche möchte ich einen Ansatz hervorheben, der nach meiner Erfahrung hohe Wirkung zeigen kann: Talentierte Managerinnen brauchen persönliche Förderer. Ein aktives Sponsoring ist der Schlüssel, um in absehbarer Zeit Executive Boards wirklich annähernd mit so vielen Frauen wie Männern zu besetzen. Wer also mehr Frauen auf den C-Levels der Finanzindustrie sehen möchte, der muss sie frühzeitig individuell an die Hand nehmen. Denn in der Praxis stoßen weibliche Führungskräfte nach wie vor auf starke Hemmnisse und Widerstände, wenn es um die Besetzung der mächtigsten Positionen im Unternehmen geht. Wenn aktuelle Aufsichtsräte und Vorstände in den Finanzinstituten über sichtbares Sponsorship einzelnen, ausgewählten Frauen im internen Konkurrenzkampf den Rücken stärken, dann ist das für alle im Unternehmen ein klares Signal, dass ein altes, tradiertes Rollenverständnis – sprich: männliche Alpha-Kultur – ausgedient hat. Nichts ist wirkungsmächtiger als die täglich sichtbare Tat. Ein beherzter Vorstandsvorsitzender, der mit einem Sponsorship für Nachwuchs-Managerinnen ein Zeichen setzt, kann motivatorische Wunder wirken. Vorbild GroßbritannienDurch ernst gemeintes und ernst genommenes individuelles Sponsorship von Frauen hätte die deutsche Finanzindustrie die einmalige Chance, bei dem Thema der Gender Diversity eine Führungsrolle einzunehmen. Banken und Versicherer könnten gesellschaftliches Vertrauen aufbauen, indem sie sich an die Spitze einer ohnehin nicht aufzuhaltenden Entwicklung stellen. Der Reputation der Institute hierzulande, aber auch im Ausland täte dies gut. Talentierte junge Frauen würden die Finanzindustrie als besonders modern und zukunftsorientiert wahrnehmen. In Großbritannien und in der Londoner City gelingt dies dem Finanzsektor gerade. Der von uns ermittelten Quote von 25 % an weiblichen Mitgliedern in den Executive Committees der Branche steht ein Wert von nur 10 % in den Unternehmen im britischen Aktienindex FTSE gegenüber. Banken und Versicherer als Spitzenreiter statt nur als Mittelmaß – das stünde auch der Finanzbranche in Deutschland gut zu Gesicht.—-Christiane Bisanzio, Beraterin, Financial Services Practice, Heidrick & Struggles