Freispruch fürs Bargeld
Von Detlef Fechtner, FrankfurtNotenbanker sind gemeinhin für ihre unaufgeregten Auftritte bekannt. Da ihre öffentlichen Erklärungen ständig von Nachrichtenagenturen protokolliert und von Analysten exegetisch ausgewertet werden, haben sich die meisten Notenbanker eine unverfängliche, idealerweise staubtrockene Vortragsweise angeeignet. Bei Notenbankern schrillt kein Telefon. Es läutet.Insofern ist es ein ganz besonderes Erlebnis, Notenbanker einmal zu erleben, wenn sie mit Verve und Leidenschaft argumentieren und – im wahrsten Sinne – dramatisch agieren. Einen dieser raren Momente gab es jetzt in Frankfurt zu bestaunen: Die Notenbankenvereinigung Suerf, die sich die Analyse und Debatte aktueller finanzmarkt- und geldpolitischer Themen auf die Fahnen schreibt, hatte gemeinsam mit der Bundesbank und der Stiftung Geld und Währung zu einem Theaterstück der besonderen Art eingeladen. “Cash on Trial” – das Bargeld vor Gericht. Akademiker, Banker, Berater, Aufseher und eben Notenbanker verhandelten auf offener Bühne eine Anklage in drei Punkten gegen das Bargeld. Und da nicht English Law zugrunde gelegt wurde, sondern Zimbawe Procedure, durften sogar die Zuschauer im Gerichtssaal mit Zurufen mittun.Im Einzelnen wurde dem Beschuldigten vorgehalten, erstens ein ineffizientes Zahlungsmittel zu sein, zweitens finanzielle Straftaten zu befördern und drittens den Spielraum der Geldpolitik einzuschränken, da Bargeld den Notenbanken die Möglichkeit nehme, bei Bedarf negative Zinsen zu beschließen.Um es vorwegzunehmen: Nach stundenlangen Zeugenaussagen, Kreuzverhören und Plädoyers lautete das Urteil auf Freispruch. Und das sogar erstaunlicherweise bei fast einstimmigen Voten der Geschworenen. Scheinbar waren die Vertreter der Anklage (da das Gericht strenge Chatham House Rules angeordnet hatte, verbieten sich an dieser Stelle Hinweise auf ihre Identität), obwohl mit viel Herzblut und Hingabe vortragend, mit ihren Anschuldigungen nicht durchgedrungen. So wurde dem Bargeld zur Last gelegt, es sei überholt – denn in Ländern, in denen die Bürger erst einmal Geschmack an Plastikgeld gefunden hätten, beschleunige sich der Abschied vom Bargeld rasant. Auch seien Scheine und Münzen (und ihre Verwahrung und Versicherung) ein teures Vergnügen von 40 Mrd. Euro jährlich.Selbst die vorgeladenen Sicherheitsexperten konnten die Geschworenen nicht überzeugen. Und das, obwohl sie die These vertraten, dass es keine Geldwäsche, keine Korruption und keine anderen Finanzstraftaten gebe, bei denen die Kriminellen nicht an irgendeiner Stelle auf Bares zurückgreifen müssten. Den Anklagepunkt in Sachen Beschränkung des geldpolitischen Instrumentariums räumte die Verteidigung – und später auch die Geschworenen – übrigens mit dem Hinweis ab, dass es Negativzinsen ja bereits gebe. Dass deren Spielraum nach unten durch das Bargeld beschränkt sei, stehe in diesem Verfahren nicht zur Verhandlung.Und, ach ja: Nicht mal die Warnung vor den Gesundheitsrisiken beeindruckte die Geschworenen. Dabei hatte die Anklage ein verdammt gutes Argument vorgetragen: Die am weitesten verbreiteten Träger von Bakterien seien Geldscheine und Schlipse (weil sie so selten gewaschen werden). Die Krawatte werde bei den Bankern derzeit gerade abgeschafft, nun sollte auch das Bargeld folgen. Bei den Geschworenen stieß diese Forderung auf taube Ohren.——Nicht mal die Warnung vor Gesundheitsrisiken beeindruckte die Geschworenen. ——