Freiwillig mehr tun als nur das regulatorisch Geforderte

Professionalisierung als Standortfaktor - Wer mithalten will, muss in vielen Bereichen fit sein

Freiwillig mehr tun als nur das regulatorisch Geforderte

Die Herausforderungen an Fachkräfte steigen weiter, und dies betrifft nicht nur Kenntnisse im Risikomanagement oder Wissen um regulatorische Anforderungen, sondern gerade auch den souveränen Umgang mit Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung. Wer heute mithalten will, der muss fit sein in vielen Bereichen, die digitalen Werkzeuge im Griff haben und über den Tellerrand hinausblicken können: Professionalisierung ist das Gebot der Stunde.Das gilt auch für jene Berufsgruppen, die in der Finanzbranche tätig sind, das heißt die Gruppe der Investment Professionals, zu denen die DVFA, der Berufsverband der Investment Professionals definitorisch Finanzanalysten, Buy- und Sell Side, Fonds- und Assetmanager, Investmentbanker, Banker und Berater zählt.Kann man eigentlich bei der Berufsgruppe der Investment Professionals von einer Profession im eigentlichen Sinne sprechen? Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater werden gerne als Profession bezeichnet. Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit man bei der Berufsgruppe der Investment Professionals von einer Profession sprechen kann?Es existieren in der Organisationsforschung zum Teil sehr unterschiedliche Definitionen von Professionen. Dennoch, gemeinsam ist den meisten, dass sie die Auffassung teilen, der Kern einer Profession bestehe darin, dass sie selbst festlegt, was es bedeutet, professionell zu sein. Die Autonomie, anstelle von Verordnungen durch den Gesetzgeber Berufsinhalte und Usancen selbst festlegen zu können, geht aber damit einher, dass die Profession anerkennt, dass sie neben ihrem Streben nach einer auskömmlichen Berufsausübung auch der Gemeinwohlorientierung verpflichtet ist. Die ProfessionTypischerweise sind Professionen dadurch gekennzeichnet, dass ihre Angehörigen einen engen und von persönlichem Vertrauen geprägten Bezug zur Klientel pflegen, dass sie über eine gewisse Autonomie bei der Regelung eigener Angelegenheiten wie Standards der professionellen Ausübung oder Ausbildungsinhalte verfügen und sich bei der Berufsausübung an einer kodifizierten Berufsethik orientieren. Wesentliches Kriterium der Professionsfähigkeit eines Berufs ist, wie der Soziologe Manfred Mai postuliert, seine Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion. Eine Profession muss gemeinsam getragene Vorstellungen über die Qualität der Arbeit und über ihren Beitrag zur Gesellschaft besitzen.Die Klientel einer Profession, die über ein vergleichbares Wissen und einen adäquaten Erfahrungsschatz nicht verfügt, ist auf das Wissen der Professionals angewiesen, muss dem einzelnen Berufsangehörigen also vertrauen können. Vertrauen basiert zum einen auf der Annahme technischer Kompetenz, zum anderen auf der Annahme einer moralischen Kompetenz, das heißt wie das Verhalten und Betragen der Mitglieder einer Profession zu sein hat, wenn sie professionell handeln.Neben der Wirkung nach außen schaffen Professionen auch eine Binnenwirkung: Sie geben ihren Berufsangehörigen Orientierung und fördern die berufliche Disziplin – auf der einen Seite durch die Festlegung eines Curriculums, die Deklaration, wer der Profession angehören kann und an welchen Kriterien dies fest-gemacht wird. Auf der anderen Seite durch die Erzeugung und Verfeinerung von Wissen und Kompetenzen. Darüber hinaus bilden Professionen Standards bezüglich Verhalten, Qualität, Ethik und Verantwortung ab. Es ist dieses Zusammenspiel von professionell einwandfreier Technik mit professionell einwandfreiem Verhalten, das eine Profession ausmacht.Gesetzgeberische Maßnahmen zur Kontrolle des Finanzmarktes beeinflussen die Branche in hohem Maße. Sie betreffen Produkt- oder Supply Chain, aber auch die Ausformung von Analyseverfahren oder Assetklassen. Regulatorische Maßnahmen durch Gesetzgeber stellen von außen an die Branche herangetragene Kontrollmechanismen dar, die den Akteuren klare Handlungsbegrenzungen vorgeben. So entstehen in der Abwägung unterschiedlicher Interessenslagen auch komplexe Regelwerke, wie sie MiFid II Level I und II oder Basel IV darstellen. Deutlich ist, dass die Vielzahl aktueller nationaler und supranationaler Ordnungsmaßnahmen natürlich in direktem Zusammenhang mit Verwerfungen am Finanzmarkt steht, und zwar nicht nur mit der Finanzkrise 2008, sondern auch mit Disruptionen in der Vergangenheit: Spekulationsblase im Jahr 2000, diverse Länderfinanzkrisen ab den achtziger Jahren. Selbstregulierung ist in Ergänzung zur Fremdregulierung ein auf Einsicht und Freiwilligkeit basierendes Rahmenwerk, das sich eine Gruppe von Akteuren in einem definierten Handlungszusammenhang freiwillig und eigenständig gibt. Movens ist die Erkenntnis, dass klar definierte, aus innerem Antrieb und Überzeugung erkannte und umgesetzte Regeln einen höheren Grad an Verbindlichkeit entfalten als von außen kommende Vorschriften.Die DVFA steht für Selbstregulierung – nicht anstelle von Regulierung, sondern als unerlässlicher Komplementär zur gesetzlichen Regulierung. Die DVFA vertritt die Position, dass die intrinsische Motivation über weite Strecken das Verhalten von Akteuren bestimmen sollte.Professionen, die sich in Verbänden zusammenschließen, sind ein entscheidender Eckstein gelingender Selbstregulierung, die in Zeiten komplexer Fremdregulierung einen Entlastungsmechanismus für den Staat als ordnungspolitisches Gebilde darzustellen vermag. Damit eröffnet die Profession also Möglichkeiten für den Rückzug des Staates aus Bereichen, in denen er nur schwer Schritt halten kann mit der Kompetenz der Berufsangehörigen. Darin liegen zugleich Chance und Verpflichtung für die in der DVFA organisierten Investment Professionals, denn es ist eine Gelegenheit, die Autonomie des Berufsstands zu wahren. Erstens dadurch, dass professionelle Fragestellungen, Usancen, Techniken, kurzum professionelles Handeln selbst geregelt wird. Und zweitens, indem sich die Angehörigen der Profession über vorbildlich professionelles Verhalten verständigen.Diese Aufgaben – Vermittlung, Anwendung, Erweiterung und Verbesserung von Wissen einerseits – und die Schaffung von Standards für Wohlverhalten andererseits kann eine Profession nicht ohne den formalen Rahmen eines Verbandes erfüllen. Die DVFA als Berufsverband der Investment Professionals nimmt diese Funktion im deutschen Markt für eine große Zahl mit den in ihr vertretenen Finanzexperten ein.Im Zuge aktueller politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen ergeben sich völlig neue Perspektiven für Frankfurt als Finanzplatz. Die Briten haben im Juni 2016 dafür votiert, die Europäische Union zu verlassen. Insgesamt ist die Skepsis gegenüber der EU auch in anderen Staaten gewachsen, was ein Blick auf die Entwicklungen hinüber nach Frankreich, Dänemark, Ungarn, Polen, Tschechien, Niederlande oder Österreich beweist. Frankfurts PerspektivenFür den Handels- und Finanzplatz Frankfurt in der Metropolregion kann der Brexit eine echte Chance darstellen, sofern die Diskussion um die Verlagerung, die Zusammenlegung oder Neuorganisation der Handelsplätze neu befeuert worden ist. Fast 200 Banken haben ihren Sitz in Frankfurt, fast 75 000 Menschen sind im Bankensektor beschäftigt, über 150 ausländische Banken und Repräsentanzen sind am Main präsent. Eine Vielzahl von hervorragend qualifizierten Fachkräften trägt dazu bei, dass die Rolle Frankfurts national und international gestärkt wird.Arbeitgeber wie auch individuelle Investment Professionals finden mit der DVFA wie auch mit den anderen im Finanzmarkt Frankfurt vertretenen und engagierten Verbänden bereits eine intakte Infrastruktur für die professionelle Berufsausübung vor. Dabei sieht die DVFA ihre Rolle darin, das Niveau an Qualifizierung und Entwicklung von Standards professioneller Handlung von Investment Professionals zu sichern und den neu hinzugezogenen Kollegen ein professionelles “Zuhause” zu bieten.—Ralf Frank, Generalsekretär und Geschäftsführer der DVFA