GASTBEITRAG

Freiwillige Einlagensicherung: Sparkassen sind nun am Zug

Börsen-Zeitung, 25.2.2017 Der erste Schritt ist getan. Die im Bundesverband der deutschen Banken (BdB) vereinten privaten Banken tragen dem Wandel im politischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmen Rechnung und reformieren ihre freiwillige...

Freiwillige Einlagensicherung: Sparkassen sind nun am Zug

Der erste Schritt ist getan. Die im Bundesverband der deutschen Banken (BdB) vereinten privaten Banken tragen dem Wandel im politischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmen Rechnung und reformieren ihre freiwillige Einlagensicherung grundlegend. Der BdB bezeugt sein Vertrauen in Verantwortungsbewusstsein und Urteilskraft institutioneller Anleger: Geschützt wird künftig nur noch, wer des Schutzes bedarf. Die exorbitanten Leistungsversprechen – im europäischen Vergleich einmalig und von höheren regulatorischen Kapitalanforderungen noch in die Höhe getrieben – werden auf eine vertretbare Belastung reduziert. Und die Subventionierung von Banken mit anfälligem Geschäftsmodell oder schwacher Bonität läuft absehbar aus.Damit wird längerfristig der Strukturwandel im deutschen Bankenmarkt erleichtert. Dies ist sinnvoll und überfällig. Der nächste Schritt muss nun von den Sparkassen kommen. Ihre exorbitanten Leistungsversprechen entspringen den Sicherungsmechanismen der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Idee: Reichen die Mittel der Sicherungsreserve der Landesbanken nicht, springen die Stützungsfonds der Sparkassen ein.Aus unserer Sicht ist diese gefährliche schwebende Verbindlichkeit für die Sparkassen weder strategisch noch finanziell sinnvoll und notwendig. Neben der alleinigen Trägerschaft an der DekaBank halten die Sparkassen, abgesehen von der Helaba (88 %), nur Minderheitsbeteiligungen an den Landesbanken: BayernLB (25 %), HSH Nordbank (6 %), LBBW (41 %), Nord/LB (35 %) und Saar LB (25 %). Die Möglichkeiten strategischer Führung und effektiver Kontrolle sind damit begrenzt. Warum sollten die Sparkassen dann deren Risiken tragen?Die Sparkassen können DekaBank und Helaba mittelfristig zu einem potenten Dienstleister für die gesamte Gruppe formen, nach ihren Vorstellungen und Sicherheitspräferenzen und unter ihrer Kontrolle. Bundesländer, die meinen, eine regionale Großbank sei für ihre Wirtschaftspolitik unabdingbar oder es seien Finanzplätze zu sichern, sollten dies auf eigene Rechnung tun – ohne Blick auf die Reserven der Sparkassen. Instrumente und Institute sind dafür bereits vorhanden. Beteiligungen der Sparkassen braucht es dafür nicht, auch wenn Kooperationen, etwa beim Vertrieb, durchaus Vorteile bieten könnten. Kostspielige HilfeDie Sparkassen sollten zügig die Konsequenzen ziehen. Schon der Spendenaufruf zugunsten der WestLB fand bei den anderen Landesbanken wenig Anklang; die dortigen Sparkassen und das Land tragen, zu Recht, den Großteil der Abwicklungskosten. Ein substanzieller Beitrag der Freien und Hansestadt Bremen zur Rettung der maroden Bremer Landesbank ist nicht erkennbar; sie lädt die Lasten bei der Nord/LB und deren Trägern ab. Auch die kostspielige Sanierung der Landesbank Berlin haben letztlich die Sparkassen über einen überhöhten Kaufpreis getragen.Absurd wird es angesichts der Vorstellung, die Sicherungseinrichtungen der Sparkassen bei der sich abzeichnenden Abwicklung der HSH Nordbank heranzuziehen, sofern ein Verkauf misslingt und Kapital wie Ergebnis deren bilanzielle und außerbilanzielle Verbindlichkeiten nicht mehr decken. Aufgrund der anhaltenden Krise bei Schiffsfinanzierungen, einer dann fragwürdigen Fortführungshypothese und ungewisser Auswirkungen von IFRS 9 (International Financial Reporting Standard 9) kein unwahrscheinliches Szenario.Seit der Gründung der HSH Nordbank im Juni 2003 haben Ratingagenturen und Investoren die unbefriedigende Qualität und die unzulängliche Höhe ihres Kapitals kritisiert. Seitdem haben die Freie und Hansestadt Hamburg und das Land Schleswig-Holstein über Teilgewinnausschüttungen auf stille Einlagen, Dividenden und Garantieprämien der Bank erhebliche Substanz entzogen und die Behebung dieser strukturellen Schwächen verhindert. Die Kapitalerhöhung von 3 Mrd. Euro im Zuge der Bankenkrise 2009 hat dies nur unvollständig kompensiert.Seitens der Bank und ihrer Hauptaktionäre Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt auf die Sparkassen zu hoffen, ist grotesk. Wer selbst über Jahre kein frisches Geld investieren und die Bank stabilisieren will, sollte nicht auf die Zahlungsbereitschaft anderer hoffen können. Schließlich propagieren Parteien und Politiker jeglicher Provenienz, die Konsequenzen von Erfolg und Scheitern dürften nicht auseinanderfallen, Verluste nicht sozialisiert werden. Dass mancher Landesregierung nun ihre eigene Medizin nicht schmeckt, überrascht nicht. Für die Sparkassen und ihre Gläubiger sollte dies jedoch eine deutliche Warnung sein.Zumal bei den Mitgesellschaftern, den Sparkassen in Schleswig-Holstein, nicht viel zu holen ist. Sparkassen andernorts, die auf eigene Rechnung Anleihen der HSH Nordbank gekauft oder ihren Kunden zum Kauf empfohlen haben, wussten um deren schwache Bonität. Sie haben dank höherer vereinnahmter Zinsen und üppiger Vertriebsprovisionen sicher die finanziellen Reserven, um eigene Verluste zu tragen, falls es im Rahmen der Abwicklung zu einer Gläubigerbeteiligung käme. Für alle anderen Sparkassen gibt es keinen Grund, sich ein Risiko, das sie bewusst vermieden haben, quasi durch die Hintertür anhängen zu lassen. Es herrscht ReformbedarfReformbedarf besteht für die Sparkassen letztlich auch deswegen, weil die EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken und das arbiträre EU-Beihilfewesen es für öffentlich-rechtliche Träger spürbar erschweren, ihren Kreditinstituten in der Not Kapital bereitzustellen. EU-Kommission und EZB gelingt es anscheinend souverän, der italienischen Banca Monte dei Paschi di Siena eine ausreichende Solvenz zu bestätigen und so eine der Voraussetzungen für eine “vorbeugende Kapitalisierung” zu sichern, als Dank für langjähriges Scheitern und getragen von der Republik Italien. Nicht, dass Hamburg und Schleswig-Holstein sich versucht gefühlt hätten, die HSH Nordbank vorbeugend zu kapitalisieren.Aus kreditanalytischer Perspektive vermisst man allerdings Konsistenz in der Handhabung europäischer Normen und sorgt sich um die Gläubiger der Institute, die noch über Reserven verfügen. Schließlich mag auch bei anderen Landesbanken im Ernstfall der politische Wille zu schwach entwickelt oder der rechtliche und wirtschaftliche Spielraum zu begrenzt sein, als dass die Bundesländer rechtzeitig und im nötigen Maße Hilfe leisten.Fazit: Die privaten Banken reformieren ihre freiwillige Einlagensicherung mit Augenmaß und in dem Bewusstsein, dass sie jede für sich und alle gemeinsam nur so viel an gegenseitiger Unterstützung verantworten können, dass auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld keines ihrer Mitglieder überfordert oder gar gefährdet wird.Wir halten die Vorschläge des BdB für ausgewogen, fair und notwendig. Die privaten Banken entledigen sich eines selbst auferlegten Joches. Ebenso wichtig aber wird sein, dass sich die Sparkassen von ungebührlichen Lasten freihalten. Ihre hart erarbeiteten Reserven sollten dem Schutz ihrer Träger und Gläubiger vorbehalten bleiben.—-Guido Versondert, Senior Credit Advisor Independent Credit View