Frischluft für die konservative Assekuranz
Von Michael Flämig, MünchenGroßer Bahnhof für Thomas Buberl. Acht Tage erst ist der neue Axa-Chef im Amt, tags zuvor waren die Spekulationen über eine Übernahme von Generali durch seinen neuen Arbeitgeber erneut aufgeflammt, und nun steht er auf der Bühne eines Münchner Nobelhotels. Der Anlass: der jährliche Industrieversicherungskongress, nach einer Fusion von Verbänden erstmals unter dem Label GVNW Symposium firmierend. Im Auditorium wollen Hunderte Versicherungsmanager, Makler und Vertreter von Industrieunternehmen weniger in die Feinheiten von Haftungsrisiken eingeführt werden, sie interessiert vielmehr: Wie tickt dieser Mensch? Was hat er vor?Spätestens als der 43-jährige Axa-CEO auf die Bühne federt, ist klar: Die zuweilen konservative Branche erhält einen weiteren Frischluft-Stoß. So wie der neue Allianz-Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte braucht Buberl kein Stehpult, um eine Rede stabil rüberzubringen. Er beherrscht den weiten Raum auf der Bühne souverän, spricht das Publikum direkt an und pflegt eine verständliche Sprache. Das frühere In-Group-Kauderwelsch ist nicht mehr gefragt, schließlich sucht die Branche den Kontakt zu ihren Kunden.Das Wort “Generali” kommt Buberl trotzdem nicht über die Lippen. Er ist ein Profi, natürlich, und außerdem weiß er, dass nicht jedes Gerücht glaubhaft ist. Der Axa-Chef verzichtet sogar darauf, den Skalenvorteil von großen Einheiten herauszustreichen – sicherlich auch aus Rücksicht auf sein Publikum, in dem Manager vieler kleinerer Gesellschaften vertreten sind. Die Trends der BrancheWas also will der Deutsche an der Spitze eines französischen Unternehmens? Sein Ausgangspunkt ist eine Analyse der aktuellen Trends. Zahlreiche Punkte sind wohlbekannt: Digitalisierung (“noch ein weiter Weg”), niedrige Zinssätze (“spielt eine extrem große Rolle”), Demografie (“Fettleibigkeit auch ein Thema”), erhöhte Veränderungsgeschwindigkeit allerorten (“wir müssen schneller werden”) und das Auftauchen neuer Wettbewerber (“Versicherer werden oft in die Rolle des Finanzgebers gedrängt”).Buberl setzt jedoch auch Akzente, die zuweilen weniger stark betont werden. Axa müsse Big Data nutzen, um die Marge zu optimieren, ist der Manager überzeugt. Die Kosten der Sensorik sänken, so dass immer mehr Daten zur Verfügung ständen. In der Industrie sei die Bereitschaft zum Teilen der Informationen bereits relativ groß. Die Industrieversicherung könne daher mit ihren Konzepten eine Vorreiterrolle für das Privatkundengeschäft übernehmen. Gleichzeitig zweifelt Buberl daran, dass die Assekuranz jede Herausforderung an der Technikfront selbst lösen sollte. Seine Frage: “Muss ein Versicherer alles alleine machen, oder sind Partnerschaften eher das Modell der Zukunft?”Aufhorchen lässt auch die Häufigkeit, mit der Buberl die Trennung in unterschiedliche Versicherungssparten wie Leben und Sach in Frage stellt. Er geißelt diese als Silos und fügt hinzu: “Die Welten müssen stärker zusammenwachsen.” Der Versicherer müsse übergreifend denken.Kunden sind auch für den Axa-Chef der Dreh- und Angelpunkt der Überlegungen. Die Kunden wollten ein neues Kauferlebnis. Während der Erwerb eines Buches in den vergangenen Jahren viel einfacher geworden sei, sei der Abschluss einer Versicherung komplexer geworden. Sein Ansatz lautet aber darüber hinaus, dass der Versicherer von der Zahlstelle für Schadensfälle zum Partner des Kunden werden müsse. Angesichts zunehmender Risiken und steigender Preise für die Absicherungen sei das gemeinsame Ziel, dass es nicht mehr so viele Schadenfälle gebe. Beratung und Service gewännen an Bedeutung. Transformation erforderlichBuberl hält dies auch deswegen für nötig, weil der Markt kaum noch Wachstumsmöglichkeiten biete: “Auch in Asien wird es volatil und schwierig.” Wachstumsmöglichkeiten seien nur noch differenziert zu haben.Eine seiner Leitfragen lautet an diesem Tag: “Wie schaffen wir es, das heutige Geschäftsmodell deutlich effizienter zu machen?” Von Generali ist auch hier nicht die Rede. Buberl fordert stattdessen, die Versicherer müssten sich transformieren. Die Beschäftigten bräuchten in der neuen Welt völlig andere Fähigkeiten. Dies betreffe nicht nur 20 % der Belegschaft, sondern viel mehr.