FAULE KREDITE

Früchte in Brusthöhe

Lässt sich an den am Dienstag von EU-Parlament und -Rat vereinbarten Regeln zum Umgang mit neu entstehenden faulen Krediten im Bankensektor etwas aussetzen? Kaum. Endlich trifft Europa Vorkehrungen, um zu verhindern, dass Banken auf dem Kontinent...

Früchte in Brusthöhe

Lässt sich an den am Dienstag von EU-Parlament und -Rat vereinbarten Regeln zum Umgang mit neu entstehenden faulen Krediten im Bankensektor etwas aussetzen? Kaum. Endlich trifft Europa Vorkehrungen, um zu verhindern, dass Banken auf dem Kontinent noch einmal Berge an Non-Performing Loans (NPL) auftürmen, welche die Bilanzen der Banken verstopfen und die Vergabe neuer Darlehen hemmen. Die Einigung auf Mindestkapitalanforderungen stärkt zudem die Bankenaufsicht, die Risiken durch individuelle Aufschläge auf die Mindestkapitalquote einer Bank sanktionieren kann. Dass der Kompromiss Banken nun drei Jahre Zeit einräumt, um etwa für neue unbesicherte NPL vorzusorgen, und nicht nur zwei Jahre, wie die EU-Kommission gefordert hatte, muss kein Makel sein. Sollte der neue Bilanzstandard IFRS 9 zur Bildung von Risikovorsorge auch nur halb so prozyklisch wirken wie vielerorts befürchtet, werden die Wächter über die Finanzstabilität in den Aufsichtsbehörden womöglich schon bald, wenn sich die Konjunktur einmal eintrüben sollte, drei Kreuze machen, dass die Regulierung die Institute nicht zu mehr Eile verdonnert hat.Die Probleme der Vereinbarung treten zutage, wenn man sich vor Augen führt, worüber Parlament und Rat keinen Konsens erzielt haben. So notwendig es ist, dafür zu sorgen, dass faule Kredite künftig durch Risikovorsorge abgedeckt sind – was Bankern und Anlegern, Aufsicht und Politik tatsächlich unter den Nägeln brennt, ist das Volumen von rund 730 Mrd. Euro an ausfallgefährdeten Darlehen, die noch immer im Bestand der Institute liegen. Der Schuldenberg steht der Integration der Kreditwirtschaft in Europa entgegen.Quantitative Vorgaben zum Abbau der Bestände lassen freilich weiter auf sich warten, nachdem sich im Jahresverlauf die europäische Bankenaufsicht am Widerstand südeuropäischer Länder die Zähne ausbiss – ganz zu schweigen von den übrigen Vorhaben, die von der EU-Kommission im März ins Spiel gebracht worden waren. Das ging damals bei der Einrichtung von Sekundärmärkten für faule Kredite los und reichte über Erleichterungen beim Eintreiben von Forderungen bis zur Gründung nationaler Bad Banks.Parlament und Rat haben am Dienstag also zunächst die in Brusthöhe hängenden Früchte geerntet. Von einem Beitrag zur “raschen Vollendung der Bankenunion” wird nach dem gestrigen Tag nur die Kommission reden wollen. Tatsächlich werden sich Regulierung und Aufsicht für einen Abbau der faulen Kredite noch mächtig strecken müssen.