Wirecard-Prozess

Früherer Wirecard-Aufsichtsrat spricht über Probleme bei der Kontrolle des Vorstands

Im Wirecard-Betrugsprozess räumt der Zeuge Stefan Klestil Schwierigkeiten bei der Aufsicht des früheren Vorstands des pleite gegangenen Zahlungsabwicklers ein. Der frühere Vize-Aufsichtsratsvorsitzende von Wirecard sprach vor dem Landgericht München davon, dass der Vorstand Informationen sehr spät geliefert habe.

Früherer Wirecard-Aufsichtsrat spricht über Probleme bei der Kontrolle des Vorstands

Wirecard-Zeuge: "Die Suppe war zu dünn"

Im Strafprozess räumt Ex-Aufsichtsrat Stefan Klestil Probleme bei der Kontrolle ein

sck München

Im Wirecard-Betrugsprozess hat das Landgericht München die Zeugenbefragung von früheren Aufsichtsratsmitgliedern erneut aufgenommen. Nach der Vernehmung von Ex-Chefaufseher Thomas Eichelmann und Ex-Aufsichtsrätin Vuyiswa M`Cwabeni im vergangenen Jahr stand am Mittwoch Stefan Klestil dem Vorsitzenden Richter Markus Födisch Rede und Antwort.

Spät informiert, kurzfristig entschieden

Wie seine einstigen Kollegen räumte auch Klestil teils erhebliche Schwierigkeiten bei der Kontrolle des damaligen Vorstands ein. Ihm zufolge lieferte dieser Informationen spät und traf Entscheidungen sehr kurzfristig, wie dpa-afx aus dem Gerichtssaal berichtete. Klestil begründete das damit, dass Wirecard seinerzeit sehr schnell gewachsen sei. „Da musste oft nachgezogen werden“, sagte der Zeuge.

Der Fintech-Unternehmer Klestil hatte über zehn Jahre dem Aufsichtsrat von Wirecard angehört. Von 2019 bis im Sommer 2020 war der Österreicher Vize-Chefkontrolleur. Der Sohn des früheren österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil (ÖVP) galt als enger Vertrauter von Markus Braun. Klestil geriet deshalb vor allem im Österreich in die Kritik. Der Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé strengte eine Organhaftungsklage gegen die frühere Wirecard-Verwaltung an, darunter auch gegen Klestil. Darüber soll vor dem Landgericht München erstmals am 22. Februar verhandelt werden.

Langer Prozess

Der aus Wien stammende Ex-CEO von Wirecard sitzt seit dem Kollaps des einstigen Dax-Mitglieds im Sommer 2020 in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschungen und Marktmanipulationen vor. Braun bestreitet die Vorwürfe. Der Prozess läuft seit 13 Monaten. Die zuständige Vierte Strafkammer des Gerichts erließ dieser Tage weitere Hauptverhandlungstermine bis einschließlich Dezember dieses Jahres.

Zu seiner Verteidigung beschuldigt Braun den früheren Vertriebsvorstand Jan Marsalek, hinter seinem Rücken Hunderte von Millionen aus dem Unternehmen geschleust zu haben. Der ebenfalls österreichische Staatsbürger hat sich kurz nach den aufgeflogenen Betrügereien abgesetzt und hält sich Medienberichten zufolge in Russland versteckt.

Missstände früh angeprangert

Vor Gericht räumte Klestil ein, dass sich in den Monaten vor der Insolvenz der Aufsichtsrat nicht dazu durchringen konnte, Marsalek zu entlassen. Das sei zwar im Gremium „immer wieder diskutiert und überlegt worden“. Doch seinerzeit reichten die Indizien nach seinen Worten nicht aus. „Wir sind immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass die Suppe zu dünn ist.“ So habe das Risiko bestanden, dass Wirecard einen arbeitsrechtlichen Streit mit Marsalek verlieren könnte.

Im Februar will das Gericht auch die früheren Wirecard-Aufsichtsräte Anastassia Lauterbach und Tina Kleingarn befragen. Vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss hatte Letztere im Herbst 2020 eingeräumt, schon 2017 gegenüber Braun Missstände kritisiert zu haben. Danach legte sie ihr Amt nieder.

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