"Für mich blieb immer ein Störgefühl"
"Für mich blieb immer ein Störgefühl"
Ex-Chefhändler der Maple Bank im Cum-ex-Prozess: Jeder hat’s gemacht von Australien bis San Francisco
Von Thomas List, Frankfurt
Es war allen klar: Die umfangreichen Handelsaktivitäten mit Dax-Aktien rund um den Dividendenstichtag machen nur Sinn, wenn die Kapitalertragsteuer vom Finanzamt erstattet wird (Cum-ex-Geschäfte). Wobei ebenso klar war, dass sie zuvor niemals abgeführt worden war. Das wurde erneut deutlich bei einer Zeugeneinvernahme im Strafprozess gegen Ulf Johannemann, Steueranwalt und Ex-Partner der renommierten Anwaltskanzlei Freshfields, und Hagen W., Ex-Geschäftsführer der im Zuge des Cum-ex-Skandals pleitegegangenen Maple Bank vor der 24. großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Az 5/24 KLs-7480 Js 208433/21). Den von der Bank verursachten Steuerschaden beziffert die Anklageschrift mit 389 Mill. Euro.
Klare Sache
Der Zeuge H., bis Anfang 2010 Chefhändler der Maple Bank, machte bei seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Werner Gröschel kein Hehl daraus: Die bankintern so genannte German Pair Strategy, sonst Cum-ex-Geschäft genannt, verspricht der Bank nur dann einen Gewinn, wenn das Finanzamt im Nachhinein 21,1% der Dividende auszahlt.
Die klaren Worte des Zeugen überraschen nicht. Denn er hatte als Angeklagter in einem früheren Prozess ebenfalls unter Vorsitz von Gröschel frühzeitig und umfangreich mit der Staatsanwaltschaft kooperiert. Dafür wurde er im November 2022 zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, während die drei anderen Angeklagten, allen voran der Chef der Maple Bank Wolfgang Schuck, mehrjährige Haftstrafen erhielten (Az.: 5/24 KLs 17/19 – nicht rechtskräftig).
H. gab bereitwillig Auskunft über die Details der Handelsstrategien der Jahre 2006 bis 2009. Dabei griff er auf selbst erstellte Schaubilder zurück, die er schon bei seinem eigenen Prozess verwendet hatte. Klar war, dass die Grundstruktur über all die Jahre gleich blieb, auch wenn die beteiligten Parteien über die Jahre bedingt durch Gesetzesänderungen wechselten.
Die Aktien- und Absicherungsgeschäfte waren bei der Maple Bank in Frankfurt, berücksichtigt man die Handelskosten und die „Aufsetzungsverluste durch aggressive Trades“, im „Saldo eher leicht verlustig“, wie der Zeuge sich ausdrückte. Auf Befragen des Vorsitzenden Richters sagte H. mehrfach: „Die Trades waren rein steuerlich motiviert. Es ging nur um die Steuergutschrift von 21,1% der Dividende.“
Dieser Aspekt war in späteren Jahren ab 2008, als nicht mehr nur konzernintern gehandelt werden konnte, auch den als Gegenpartei hinzugezogenen Dritten – genannt wurden u.a. Barclays, Fortis, Merrill Lynch – klar gewesen, so der Zeuge.
Mit dem Händler einer dieser Banken habe man telefonisch die Einzelheiten der Transaktionen abgesprochen, also insbesondere Stückzahlen und Preise. „Beim Pricing haben wir uns in der Mitte des Tax Credits getroffen“, so H. Eine solche etwa hälftige Teilung der erwarteten Steuergutschrift sei durchaus üblich gewesen.
Keine Diskussionen
Gab es denn in der Bank irgendwann Diskussionen darüber, dass man sich Steuern „zurückholt“, die gar nicht gezahlt wurden? Oder fielen gar die Begriffe „Steuerhinterziehung“ oder „Betrug“, fragte der Vorsitzende Richter Gröschel.Der Zeuge kann sich daran nicht erinnern. Für ihn gab es die positiven Voten der renommierten Steuerkanzlei Freshfields, die Gewissheit, dass alles ja den Steuerbehörden bekannt sei, es „jeder gemacht hat von Australien bis San Franzisco“ und nicht zuletzt das „Go“ der eigenen Geschäftsleitung. Aber er gab auch zu: „Für mich blieb immer ein Störgefühl.“
Wenn es um Details ging, also ob der Zeuge bei Besprechungen zur Struktur der Cum-ex-Strategie dabei war, wurde der Zeuge unkonkreter.
Er präsentierte sich als Händler von der Pike auf, als „Netzwerker“, wie ihn Gröschel nannte, der die Details, das Entwickeln der Strukturen, das Financial Engineering seinem Kollegen, dem verstorbenen E., überließ. „Das war unsere Arbeitsteilung.“
Bei den meisten konzeptionellen Meetings will er nicht dabei gewesen sein oder er hat keine konkrete Erinnerung mehr daran. Die vielen Gutachten von Freshfields bzw. des Angeklagten Johannemann will H. „allenfalls überflogen“, im „Daumenkino“ gesichtet haben. Das ganze Thema sei ihm „ein Graus“ gewesen. „Dafür hatte ich Herrn E.“ Er gab zu: „Ich habe auf die Rechtsberatung vertraut. Das hat mein Störgefühl gemindert.“