Fürstlich Castell’sche Bank wagt Neustart
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Nach einem millionenschweren Betrugsfall, in der Folge Nettomittelabflüssen im verwalteten Vermögen sowie mäßigen Ergebnissen in den zurückliegenden Jahren wagt die Fürstlich Castell’sche Bank unter anderer Führung einen Neustart. Wie Christian Hille, im November als Generalmanager angetreten und designiertes Vorstandsmitglied, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung deutlich macht, setzt das Haus als Privatbank mit einer neuen Strategie auf Transparenz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und nicht zuletzt mehr Risikofreude im Anlagegeschäft. „Wir werden uns positionieren als Vermögensverwalter mit hochqualitativem Service-Ansatz“, verspricht der Manager, den Aufsichtsratschef Ingo Mandt, im Zuge des Umbaus inzwischen interimsweise in den Vorstandsvorsitz gewechselt, zur Privatbank geholt hat.
Spannendes Projekt
Damit nimmt ein spannendes Projekt seinen Lauf, auch weil sich die künftige Führung des Instituts aus Managern mit reichlich Erfahrung in weitaus größeren Häusern rekrutiert. Zu Hille, der bis Sommer 2020 13 Jahre lang als Head of Multi Asset & Solutions bei Deutsche Asset Management bzw. DWS gearbeitet hatte, sowie Mandt, dem früheren Risiko- und Finanzvorstand von BHF-Bank und LBBW sowie Risikovorstand der Citi Global Markets Europe AG, soll als designierter Vorstandssprecher spätestens Anfang Oktober Thomas Rosenfeld, seit 2016 Mitglied im Vorstand der zum LBBW-Konzern gehörenden BW-Bank und zuvor 18 Jahre lang bei der Deutschen Bank, zuletzt als Leiter des Wealth Managements in Deutschland, stoßen sowie schon Anfang Juni als Vorstandsmitglied für Marktfolge, Risikomanagement und Finanzen Stephan Wycisk, der bei Oddo BHF das Kreditrisikomanagement und die Kreditadministration leitet. Deutschlands Privatbanken stehen angesichts regulatorischer Kosten, verschwindender Zinsen, sinkender Margen und nicht selten technologischen Rückstands branchenweit unter Druck, sich zu erneuern. Die Ergebnisse der Castell’schen Bank, die 1 Mrd. Euro Bilanzsumme zeigt, stagnieren seit Jahren (siehe Grafik). Ein Rückgang des sonstigen betrieblichen Aufwands ermöglichte 2019 zwar einen Anstieg des operativen Ergebnisses.
Zinsergebnis und Provisionsüberschuss lagen zugleich indes unter den Erwartungen. 2017 war das Haus zudem erschüttert worden durch einen millionenschweren Betrug durch einen hochrangigen Berater, der ohne Kenntnis der Bank Geschäfte mit rund 50 Kunden abgewickelt und diese geprellt hatte und, wie in der Regionalpresse zu lesen war, Ende 2018 zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. In der Folge hat das Bankhaus auch im vergangenen Jahr Mittelabflüsse verzeichnet, zu deren Volumen das Haus ebenso schweigt wie zum Volumen der momentan verwalteten Mittel. Die Performance im vergangenen Jahr sei nicht berauschend gewesen, das Ergebnis indes stabil, sagt Hille. In den beiden kommenden Jahren werde es um Stabilität bei Assets und Performance gehen, um danach zu wachsen.
Neben mehr Nachhaltigkeit propagiert Hille vor allem einen stärkeren Gleichlauf der Interessen von Kunden und Beschäftigten und kündigt an: „Sowohl die Vermögensverwaltung als auch das Assetmanagement werden in den kommenden sechs Monaten komplett umgestellt.“ Zugleich kündigt er ein neues Gebührenmodell an: „Ich will die Kosten auf Basispunkte herunterbrechen und vorrechnen, was eine Leistung uns kostet und was der Kunde zahlt.“ All dies läuft für ihn auf ein Private Banking hinaus, dessen Kosten für die Kunden sich nicht an der Zahl der Transaktionen oder der Beratungsintensität bemessen, sondern, wie ohnehin zunehmend in der Branche, mit Einmalentgelten abgegolten sind. Ausgabeaufschläge bezeichnet Hille als abschreckend. Zudem gelte es, das Geschäft an den typischen Kunden der Bank auszurichten, unter denen sich neben älteren Menschen und Unternehmensgründern auch viele Erben befänden.
Umbau des Filialnetzes
Strategisch will der Manager das Haus als Bank positionieren, die schon seit langem nachhaltig arbeitet, sich zugleich aber etwa bei der Aufnahme neuer Kunden sowie in der Abwicklung modernster Technik bedient. Keine Bank in der Branche, die sich Nachhaltigkeit derzeit, ob aus freien Stücken oder regulatorischen Zwängen, nicht auf die Fahnen schreibt. Hille sieht das 1774 gegründete Institut, das als älteste Bank Bayerns gilt, dabei allerdings im Wettbewerbsvorteil. So verweist er darauf, dass sich die Eigentümer der Bank, die fürstlichen Familien Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell, schon vor zehn Jahren in der Bewirtschaftung ihrer Waldbestände von der Monokultur verabschiedet und auf Mischwald und andere Bepflanzung umgestellt hätten, ebenso im Weinbau. Auch im Research soll sich ein nachhaltiger und längerfristig orientierter Ansatz niederschlagen. So sollen Kunden zwar auch künftig von kurzfristigen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt werden, vor allem aber sollen langfristige Trends Thema sein. „Investieren wie die Fürsten“, schwebt Hille eigenen Angaben zufolge als ein Motto vor, im Marketing, aber auch in der Praxis. Kunden sollten letztlich Zugang zu denselben Leuten haben wie die Fürsten, ob es nun um das Kreditgeschäft, die Vermögensverwaltung, um Beteiligungen oder um Immobilien gehe: „Wir werden im Außenauftritt klarer und eindeutiger sein.“ Neben einem aufrichtigen und persönlichen Umgang mit den Kunden gehe es dabei auch um den Aufbau einer Investment Community, in der man sich austausche. So plant er, nach dem Vorbild mancher Einzelhändler, Flagship-Filialen, die der Kommunikation, aber auch der Edukation dienen sollen, wie er darlegt. Zugleich ist klar, dass im Zuge vermehrter Digitalisierung Filialen schließen werden – wie viele, das ist noch offen. „Sicher haben wir jetzt mehr Bedarf online“, verweist Hille auch auf die Kundenpräferenzen. Eine Vereinbarung mit anderen Banken soll sicherstellen, dass Kunden auch nach den Schließungen in ihrer Nähe Geld abheben können.
Ein Abbau bei den derzeit 195 Vollzeitstellen ist nicht geplant, wie ein Sprecher auf Anfrage betont. Beschäftigten schließender Filialen werde die Möglichkeit geboten, sich in der Beratung von Kunden zu spezialisieren bzw. ihre Arbeit in Service-Centern in Nürnberg und Würzburg fortzusetzen. Zugleich will die Bank noch 2021 eine Filiale in Frankfurt eröffnen. Dort und am Würzburger Stammsitz soll künftig das Portfolio-Management stattfinden. „Was die Zahl der Berater angeht, werden wir auf jeden Fall expandieren“, verspricht Hille. Zu den Kosten des Umbaus, der 2024 abgeschlossen sein soll und dank vermehrter Nutzung digitaler Kanäle die Kosten letztlich deutlich verringern soll, äußert sich die Bank nicht.
Flexibleres Risikobudget
Das Risikomanagement in der Vermögensverwaltung hat der Manager bereits umgestellt und die Risikotoleranz hochgefahren. Das Risikomanagement habe bisher sehr konservativ mit einem strikten Budget agiert, berichtet er. In einem Nullzinsumfeld mit erratischen Bewegungen aber koste dieser Ansatz sehr viel Geld, meint er und zieht einen Vergleich zu der in Riester-Verträgen integrierten Beitragsgarantie, die hohe Kosten mit sich bringe und zugleich Chancen reduziere. Künftig werde das Risikobudget nicht mehr jeweils pro Jahr unverrückbar festgelegt, sondern flexibler gehandhabt. Auch soll die Bank nicht mehr derart europazentriert handeln wie in der Vergangenheit und auch Währungen als Assetklasse nutzen.
Hille propagiert einen Anlageprozess ohne Benchmark-Orientierung, global, antizyklisch und adaptiv. Auch im Treasury ist eine entsprechende Optimierung geplant. Kreditersatzgeschäft soll passé sein. Nach der Umstellung im Jahresverlauf habe sich die Performance bereits verbessert: „Auch in der Kundenansprache sehen wir ein sehr positives Feedback“, sagt er.