17. INTERNATIONALER RETAIL-BANKENTAG

Für die Filiale ist auch in Zukunft Platz

Die Verbünde brechen eine Lanze für Niederlassungen: Online-Banking reicht nicht zur Kundenbindung - BdB: Branche oft zu vorsichtig

Für die Filiale ist auch in Zukunft Platz

Digitalisierung und hoher Wettbewerbsdruck durch neue Wettbewerber aus der Tech-Industrie lasten auf der Bankenbranche. Dennoch werde auch künftig Platz für Filialen sein, sind sich hochrangige Vertreter der drei Säulen der Kreditwirtschaft sicher. Denn Online-Kontakt reiche nicht zur Kundenbindung. fir Frankfurt – Bankfilialen haben auch in Zeiten sich verstärkender Digitalisierung ihre Berechtigung und werden in Zukunft eine Rolle spielen. Davon haben sich die Chefs der beiden großen deutschen Finanzverbünde beim 17. Internationalen Retail-Bankentag der Börsen-Zeitung überzeugt gezeigt. Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), sowie Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), erwarten angesichts von Niedrigzinsphase, Regulatorik, Digitalisierung und verändertem Kundenverhalten zwar weiteren Druck auf die Institute und damit einhergehend weniger Banken und Filialen. Sie gehen aber davon aus, dass fundierte Finanzberatung auch in Zukunft von Angesicht zu Angesicht vonstattengeht. Menschen wollten auch in der digitalisierten Welt weiterhin mit Menschen sprechen und nicht mit Maschinen agieren, zumindest, wenn es um Wendepunkte im Leben der Kunden gehe. Deshalb werde es auch künftig Bedarf an Filialen geben.Schleweis hob auf die großen Lebensentscheidungen ab wie beispielsweise Ausbildungsbeginn, Familiengründung, Hausbau und Altersvorsorge. “Diese Anlässe bestimmen 80 % der Kundenbindung”, sagte er. Auch die jungen Kunden, die Digital Natives, legten seiner Erfahrung zufolge Wert auf persönliche Beratung. “Wenn’s drauf ankommt, suchen sie den Kontakt zu Menschen.”Robo-Advice und Ähnliches seien zwar “nette Gimmicks”, setzen sich seiner Einschätzung nach aber nicht durch. Sollte es doch eines Tages so weit sein, dass Roboter auch fundierte Beratungsgespräche übernehmen, wäre ihm schleierhaft, wozu noch die unterschiedlichen, lokal verwurzelten Sparkassen mit ihren Filialen nütze seien. Denn dann könne man genauso gut einen großen Server nach Frankfurt oder wohin auch immer in der Republik stellen. “Unsere Leistung ist die Beratung”, bekräftigte der Sparkassen-Präsident. Erwartungen steigen BVR-Chefin Kolak pflichtete ihm bei: “Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass Kunden auch weiterhin einen menschlichen Ansprechpartner schätzen, ungeachtet aller Künstlichen Intelligenz und allen Algorithmen dieser Welt.” Gleichwohl stiegen die Kundenerwartungen immer weiter. Ihre Erfahrungen aus anderen Branchen übertragen sie Kolak zufolge auch auf Finanzdienstleistungen, die immerfort, 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche, über alle Kanäle verfügbar zu sein hätten. Zudem werde unmittelbare Reaktion auch außerhalb der Geschäftszeiten erwartet.Daraus leitet sie mehrere Ansprüche an die digitalen Zugangswege für die Bankkunden ab: Nötig seien etwa ein einfacher, benutzerfreundlicher Zugang mittels biometrischer Authentifizierung sowie ein unkomplizierter Wechsel zwischen den Zugangswegen. Aufträge müssten als Standard künftig in Echtzeit ausgeführt werden, Leistungen sofort zur Verfügung stehen. Online-Netzwerke seien auszuweiten, da sich Kunden verstärkt nach sozialen Communities ausrichteten.Diesen Erwartungen wolle die genossenschaftliche Finanzgruppe mit einer Omnikanal-Vertriebsplattform begegnen, an der derzeit 430 Mitarbeiter der Fiducia & GAD IT sowie weitere 220 von Volks- und Raiffeisenbanken, Verbundunternehmen und Regionalverbänden in gemischten Teams arbeiteten. Die Sparkassen haben eine Finanzplattform im Privatkundengeschäft entwickelt, über die alle Einzelinstitute, Landesbanken und Verbundunternehmen ihre Dienste und Produkte werden offerieren können.Ungeachtet aller Bemühungen der Banken falle es der Branche häufig schwer, zu agieren, anstatt zu reagieren, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), Andreas Krautscheid. Andere, gemeint sind die Gafas, d. h., Google, Amazon, Facebook und Apple, änderten mit ihren Angeboten auf dem Smartphone die Lebensgewohnheiten von Menschen, und die Banken “dackeln hinterher” und versuchten, ihre Produkte in die vorgegebenen Formate einzubringen. Die Gafas gewöhnten Menschen an Angebote, die gestandenen Bankern mitunter befremdlich erschienen oder die gerade Ältere als nutzlos erachteten. Hier sei aber Obacht geboten, erwarteten doch die eigenen Bankkunden derlei Angebote. Gleichzeitig müssten die klassischen Akteure aufpassen, nicht auf die Rolle als reiner Zulieferer beschränkt zu werden.Krautscheid pochte auf faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber den Gafas, gab aber zu bedenken, dass auch eine Google-Regulierung oder selbst eine Facebook-Zerschlagung nichts an der grundlegenden Herausforderung ändern würde: nämlich, dass eine aktivere Rolle und ein breiteres Angebot seitens der deutschen Banken vonnöten seien. “Wir müssen mehr bieten, als nur das zu digitalisieren, was wir heute schon haben.” Angesichts der Tech-Wettbewerber und immer neuer in den Markt eintretender Akteure müssten die klassischen Institute zeigen, dass sie mithalten können. “Blöder als die anderen sind wir nicht, nur manchmal zu langsam und auch manchmal zu vorsichtig”, sprach er seiner Zunft Mut zu.Google überlegt sich seines Erachtens etwa sehr genau, welche Teile des Bankings in Relation zum Aufwand für Regulierung und Kontrolle interessant seien. “Es wäre völlig ungewöhnlich, wenn nicht auch Finanzdienstleistungen eine größere Rolle spielen würden.” Das sei in den ersten Anfängen bereits bei Kleinkrediten erkennbar. Im Kampf um die Kunden sei es falsch, nur auf Rendite zu starren, gab Krautscheid zu bedenken. “In der digitalen Welt gibt es andere Wertigkeiten, Stichwort Kundenbindung, die manchmal wichtiger sind als der Cent, den ich an Umsatz hereinhole.”Mit dieser Auffassung rannte er bei Schleweis offene Türen ein, der darauf hinwies, dass für viele Menschen allein die Nähe zur Filiale ausschlaggebend gewesen sei, Sparkassenkunde zu werden. “Deshalb bin ich überzeugt, dass die Entfernung zur nächsten sichtbaren Sparkasse nicht zu groß werden darf.” Ohnehin seien längst nicht alle Bürger so onlineaffin wie gedacht. Nur jeder dritte Deutsche sei digitaler Vorreiter, der gleichermaßen über entsprechende Kompetenz und Offenheit gegenüber neuen Technologien verfügt; vier von zehn Bürgern könnten online mithalten, ein Viertel stehe dahingehend abseits. “Online allein wird deshalb nicht reichen, wenn man sich an alle Menschen gleichermaßen wenden will”, sagte Schleweis.