Gallisches Dorf am Versicherungsstandort Hamburg
Eberhard SautterVorstandsvorsitzender der HanseMerkurWer 1989 gesagt hätte, dass an Deutschlands führendem Versicherungsstandort Hamburg in 30 Jahren nur noch die HanseMerkur als einzige selbständige und konzernunabhängige Versicherungsgruppe agieren würde, wäre von Branchenexperten wohl müde belächelt worden. Doch schon im Wendejahr lief München der Hansestadt den Rang als Assekuranz-Hochburg ab. Seitdem ist auch Köln an Hamburg vorbeigezogen. Im Jahre 2017/2018, als die Zahl der Beschäftigten in der Assekuranz an der Elbe erstmals unter 20 000 sank, mussten die Hanseaten sogar den größten Stellenabbau aller deutschen Versicherungsstädte hinnehmen. Viele stolze und bundesweit bekannte Unternehmen, die in Hamburg ihren Sitz hatten, sind dem Strukturwandel in der Branche zum Opfer gefallen und als Marke oder unter Aufgabe ihres Namens in Großkonzernen aufgegangen: von der Albingia, die sogar den Fluss Elbe in ihrem Namen führte, über die Hamburg-Mannheimer und die Volksfürsorge bis zum Deutschen Ring. Der Fachautor Arno Surminski hat über den Verlust an Versicherungspotenzial in Hamburg einmal gesagt: “Es ist mir so, als spazierte ich über den Ohlsdorfer Friedhof.”In der Versicherungswirtschaft der Hansestadt, die immer noch eine Hochburg für Feuer-, Industrie- und Transportversicherungen, für hoch spezialisierte Makler, Assekuradeure und Mehrfachagenten ist, arbeiten derzeit noch 18 730 Menschen. Doch allein in den vergangenen zehn Jahren gingen 3 410 Arbeitsplätze verloren. Im gleichen Zeitraum baute die HanseMerkur 420 Mitarbeiter zu, steigerte ihre Beitragseinnahmen von knapp 900 Mill. Euro auf über 2 Mrd. Euro und verdoppelte ihren Kundenbestand auf über zehn Millionen. Ein mittelständischer Personenversicherer, der als gallisches Dorf am Finanzplatz Hamburg der Erosion trotzt. Wie konnte das gelingen?Als zweitältester Krankenversicherer Deutschlands sind wir seit 1875 ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG), der nicht Aktionären, sondern Kunden, Partnern und Mitarbeitern verpflichtet ist. Diese genossenschaftliche Struktur, die uns vor Übernahmen bewahrt hat, verschafft uns jene unternehmerische Handlungsfreiheit, bei flachen Hierarchien auch längerfristige Strategien verfolgen zu können. Das Geschäftsmodell des VVaG hat sich nicht nur in der Finanzkrise als robust erwiesen, sondern ist auch durch die Fokussierung auf Stakeholder Value ein starker Wettbewerbsfaktor. Übersetzt bedeutet das: ein auf alle Verbraucherwünsche zugeschnittenes Produktportefeuille bei attraktivem Preis-Leistungs-Verhältnis, gute und langfristige Beziehungen zu unseren Vertriebs- und Kooperationspartnern sowie beitragsstabile Tarife und Produkte, die seit Jahren überdurchschnittliche Bewertungen durch unabhängige Analysehäuser erhalten. Die HanseMerkur agiert u. a. in den Geschäftsfeldern Gesundheit, Pflege und Altersvorsorge, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein großes Potenzial für eine gute wirtschaftliche Entwicklung bieten. Seit 17 Jahren wachsen wir ertragreich und marktüberdurchschnittlich, zuletzt auch dank unserer kompetenten Assetmanagement- und Immobilientöchter, die über die Generierung von Drittgeschäft Deckungsbeiträge für die Gruppe generieren und für stabile Kapitalerträge im schwierigen Niedrigzinsumfeld sorgen. Ein mittelständischer Versicherer braucht – nicht zuletzt wegen der ständig steigenden Regulatorik – eine gewisse Größe, um zukunftsfähig am Markt operieren zu können. Zudem ermöglicht Wachstum erst jenen finanziellen Spielraum, um das Unternehmen erfolgreich zu digitalisieren und schlanke, kundenfreundliche Prozesse aufzusetzen. Was sind die Erfolgsfaktoren für den nachhaltig positiven Track Record unserer Entwicklung? Wir setzen zum einen auf Vertriebspluralität, die von der Ausschließlichkeit über fokussierte Maklervertriebe bis zum Onlinegeschäft und spezialisierten Verkaufsansätzen im Geschäft mit Reiseversicherungen reicht. Die HanseMerkur ist einer der großen Player der touristischen Assekuranz in Deutschland und zählt u. a. AIDA Cruises, Eurowings oder FTI zu ihren Vertragspartnern. Über Verkaufsbüros und Tochterunternehmen in Wien, Warschau und Vaduz werden auch der österreichische, polnische und schweizerische Markt erschlossen. Zum anderen zählt der Kooperationsvertrieb – vor allem über den Ergänzungsschutz für gesetzlich Versicherte – zu den Wachstumstreibern. Renommierte Unternehmen wie die DAK-Gesundheit, die Fielmann AG oder die Hamburger Sparkasse haben sich für die HanseMerkur als Produktpartner entschieden. Allein die Brillenversicherung für Europas größte Optikerkette zählt über acht Millionen Verträge.Dazu kommt die Ausschöpfung aller Chancen der Digitalisierung. Nach Abschaltung des Großrechners im Jahre 2014 ist die HanseMerkur einer der wenigen Versicherer, die den Wandel vom Mainframe schon vollzogen haben. Die moderne IT Architektur ermöglicht nicht nur servicestarke Verwaltungssysteme, über die im Kerngeschäftsfeld Krankenversicherung schon bis zu 80 % der Leistungsabrechnungen automatisiert abgewickelt werden. Innovation prägt unsere Geschäftsprozesse, seit die HanseMerkur 1989 den ersten Ergänzungstarif als Antwort auf die blümsche Gesundheitsreform auf den Markt brachte. Der Ausschließlichkeitsvertrieb bietet seit 2015 mit der Verkaufshilfe “Navigator” den ersten medienbruchfreien digitalen Beratungsprozess. Und seit wir 2011 in der Krankenversicherung die bundesweit erste “RechnungsApp” einführten, hat sich die HanseMerkur noch intensiver vom Leistungserstatter zum Gesundheitsdienstleister entwickelt. Die HanseMerkur hat das Mittelfristziel eines Beitragsaufkommens von über 3 Mrd. Euro zum 150-jährigen Jubiläum im Jahre 2025. Wachstum ist dabei aber kein Selbstzweck, sondern leitet sich ab aus den obersten Zielen unserer Unternehmensstrategie, nämlich Selbständigkeit, Unabhängigkeit und unternehmerische Führerschaft am Finanzplatz Hamburg zu erhalten.