Gedämpfte Erwartungen an Kapitalmarktunion

Commerzbank zweifelt an Wachstumsschub

Gedämpfte Erwartungen an Kapitalmarktunion

fed Brüssel – Die Volkswirte der Commerzbank bremsen die Hoffnung, dass die geplante EU-Kapitalmarktunion signifikant zur Steigerung von Wirtschaftsleistung und Beschäftigung in Europa beiträgt. “Nicht nur wegen des zu erwartenden Widerstands der Mitgliedsländer dürfte die Kapitalmarktunion kaum den erhofften Wachstumsschub bringen”, heißt es in einer Studie der Commerzbank.Die Volkswirte bemängeln, dass die EU den Fehler mache, sich selektiv an der geringeren Abhängigkeit der US-Wirtschaft von Bankfinanzierungen zu orientieren und darauf ein Programm aufzusetzen. “Damit wird wieder einmal ein Einzelaspekt einer gerade relativ erfolgreichen Volkswirtschaft auf andere Länder projiziert”, kritisiert Commerzbank-Volkswirt Christoph Balz. Er halte es daher für fraglich, ob ein “amerikanischer” Kapitalmarkt auf kontinentaleuropäischem Terrain floriere. Denn seiner Ansicht nach dürfte die schwache konjunkturelle Belebung diesseits des Atlantiks nur zum geringen Teil Folge der unterschiedlichen Kapitalmarktstrukturen sein. “Vielmehr ist die gedämpfte Kreditentwicklung im Euroraum eher Folge einer geringen Nachfrage seitens der Unternehmen und weniger das Ergebnis eines zu geringen Angebots.”EU-Kommissar Jonathan Hill hat die EU-Kapitalmarktunion bis 2018 zu seinem wichtigsten politischen Vorhaben erklärt. Was er sich genau darunter vorstellt, will der Brite zwar erst im September präsentieren. Allerdings deuten bereits die Vorarbeiten (“Grünbuch”) an, dass die EU-Behörde auf die Standardisierung von Verfahren und Produkten (etwa Covered Bonds oder Privatplatzierungen), auf einfacheren Zugang von Mittelständlern zur Marktfinanzierung (gelockerte Prospektanforderungen) und auf die Unterstützung moderner Finanzierungsformen (Crowdfunding) setzt.Die Commerzbank erwartet, dass die nationalen Regierungen die Vorschläge der EU-Kommission in verschiedenen Punkten – insbesondere bei den heiklen Themen Insolvenzrecht und Steuerrecht – ablehnen werden, da sie Kompetenzen nach Brüssel abgeben sollen. “Eine vollständige Umsetzung der Pläne erscheint uns dabei unwahrscheinlich.” Zudem machen die Volkswirte darauf aufmerksam, dass es kein Zufall sei, dass Europas Wirtschaft stärker als in den USA von mittleren und kleinen – und somit weniger kapitalmarktaffinen – Unternehmen dominiert werde. Schließlich behinderten “ineffiziente Rechtssysteme und Beschäftigungsgesetze in vielen europäischen Ländern das Unternehmenswachstum”. Daran werde auch die vorgesehene Kapitalmarktunion nichts ändern – insbesondere, solange sie von gegenläufigen Maßnahmen aus Brüssel wie der Finanztransaktionssteuer begleitet werde.