Gemeinsam durch die Corona-Pandemie

Baden-Württemberg ist in dieser Krise besonders exponiert

Gemeinsam durch die Corona-Pandemie

Peter SchneiderPräsident des Sparkassenverbands Baden-WürttembergKein Thema beschäftigt uns aktuell mehr als die Corona-Pandemie. Durch die gleichzeitige Betroffenheit vieler Branchen auf der ganzen Welt sowohl auf der Angebots- wie auch auf der Nachfrageseite unterscheidet sich die Coronakrise von früheren Wirtschaftskrisen. Sie hat ein viel höheres Krisenpotenzial. Wenn auch aktuell niemand verlässlich abschätzen kann, wie groß der Konjunktureinbruch am Ende sein wird, sind sich alle Experten einig: Wir erleben die größte Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg sind in dieser Krise besonders exponiert, da sie mit ihrer exportorientierten Wirtschaft stärker als andere von internationalen Entwicklungen abhängig sind.Die 51 Sparkassen in Baden-Württemberg stehen ebenso wie unsere Verbundunternehmen, die LBBW, die SV SparkassenVersicherung und die LBS Südwest, an der Seite ihrer Kunden. Wir sind bereit, die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise so gut es geht abzufedern. Dafür konnten wir zum Glück in den vergangenen, wirtschaftlich guten Jahren Reserven aufbauen, auf die wir jetzt zurückgreifen können.Sparkassen sind als Teil der Wirtschaft in der Rezession durch Wertpapier- und Kreditabschreibungen ebenfalls betroffen und zugleich als Kreditgeber durch ihren öffentlichen Auftrag extrem gefordert. Ziel der Sparkassen ist es, ihren Kunden in der Coronakrise schnell zu helfen. Wir können die Kreditvergabe deutlich ausweiten. Gleichzeitig erfahren die Kunden in diesen Tagen, wie wertvoll ein persönlicher Kontakt zu einem Kreditinstitut mit vielen Filialen ist – gerade im Vergleich zu den sogenannten Direktbanken. Der vermeintliche Kostenvorteil wird in der Krise zum Nachteil, wenn statt eines direkten Kontakts nur ein Callcenter irgendwo auf der Welt für anspruchsvolle Fragen zur Verfügung steht – zum Beispiel nach einer passgenauen Förderung zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses.Allein im April 2020 stiegen die Kreditzusagen bei den baden-württembergischen Sparkassen um rund ein Drittel auf 2,8 Mrd. Euro. Davon entfielen 1,5 Mrd. auf Firmenkunden. Der Kreditbestand wuchs damit bis Ende April auf 138 Mrd. Euro – ein Plus von rund 6,2 Mrd. Euro gegenüber dem Stand Ende April 2019. Dies ist das stärkste Jahreswachstum per Ende April in den vergangenen zehn Jahren.Gleichzeitig ermöglichten die Sparkassen bis Mitte Mai über 44 000 Privat- und Firmenkunden, ihre Kreditraten für mindestens drei Monate auszusetzen. Insgesamt stunden sie ihren Kunden damit eine Summe von rund 720 Mill. Euro. Viele Kunden nutzen die Möglichkeit, nicht nur drei, sondern bis zu neun Monate ihre Ratenzahlungen auszusetzen. In vielen tausend Beratungsgesprächen haben die Sparkassen mit ihren Kunden Lösungen für finanzielle Engpässe gesucht und gefunden.Neben der Aussetzung von Ratenzahlungen handelt es sich dabei in erster Linie um neue Kredite, Überbrückungsgelder und natürlich die Zuschuss- und Förderkreditangebote aus den Programmen der staatlichen Förderbank KfW sowie der landeseigenen L-Bank und der Bürgschaftsbank. Bis Mitte Mai haben die Sparkassen rund 2 400 Kreditanträge ihrer Kunden mit einem Volumen von 1,2 Mrd. Euro an die KfW weitergereicht. Darüber hinaus gingen rund 160 Kreditanträge mit einem Volumen von gut 43 Mill. Euro an die L-Bank.Dabei agieren die Sparkassen bei der Kreditvergabe mit Umsicht. Grundsätzlich gilt, dass neue Kredite, selbst wenn sie mit einer Haftungsfreistellung des Staates verbunden sind, zu Zins- und Tilgungsleistungen führen, die der Kreditnehmer tragen muss. Unseren Kunden ist nur mit einem Kredit geholfen, der ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überfordert. Wir prüfen die Kreditanträge so zügig wie möglich, aber auch mit der notwendigen Sorgfalt und tragen damit auch den Anforderungen der Aufsicht und der Förderbanken Rechnung.Die Kunden der Sparkassen werden durch diese Programme zwar entlastet, auf die Sparkassen selbst kommen trotzdem große Lasten zu, da trotz der Hilfsprogramme nicht alle Unternehmen gut durch die Krise kommen werden. Daher rechnen unsere Sparkassen in diesem Jahr mit einem massiven Anstieg der Kreditabschreibungen. Vor gut zehn Jahren bildeten wir auf dem Höhepunkt der Finanzkrise Risikovorsorge von rund 600 Mill. Euro. Blickt man jetzt auf die betroffenen Branchen, so könnten diesmal diese Beträge sogar noch übertroffen werden. Da gleichzeitig die Geldpolitik der EZB die Ergebnisse belastet, müssen wir damit rechnen, dass das Betriebsergebnis stark schrumpfen wird. Daher bin ich froh, dass die Träger aller Sparkassen in Baden-Württemberg unsere Strategie seit der Finanzkrise mitgetragen haben. So konnte das Eigenkapital der Häuser erheblich gestärkt werden – von knapp 13 Mrd. Anfang 2009 auf mehr als 22 Mrd. Ende 2019. Das erweist sich jetzt als Vorteil, denn es ist ein solides Polster für die Kreditvergabe.Gleichzeitig sorgen die rund 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg auch dafür, dass die Kernelemente des Finanzwesens – insbesondere die Bargeld-Versorgung, der Zahlungsverkehr und das Wertpapiergeschäft – in der Krise weiter vollumfänglich zur Verfügung stehen. Den Beraterinnen und Beratern bin ich sehr dankbar, dass sie trotz eigener Einschränkung durch Kontaktverbot, Homeoffice und Schul- bzw. Kitaschließungen so engagiert arbeiten.Der Sparkassenverband Baden-Württemberg unterstützt die Sparkassen in allen übergeordneten und vielen praktischen Fragen, die in der Krise vor allem die Vergabe von Förderkrediten und das Aufsichtsrecht betreffen. Unsere Fachleute helfen mit schriftlichen Informationen und am Telefon ihren Kolleginnen und Kollegen in den Sparkassen. Gleichzeitig hat die Sparkassenakademie seit Beginn der Krise 400 Webinare mit über 5 000 Teilnehmern zu vielen Themen im Zusammenhang mit der Coronakrise angeboten. Zudem halten wir engen Kontakt zur Landesregierung und den Abgeordneten aus dem Landtag und dem Bundestag.Wir begrüßen, dass neben der Politik auch die Aufsicht rasch reagiert hat, insbesondere mit Erleichterungen bei Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen. Der Sparkassenverband Baden-Württemberg hat bereits Mitte März einen Forderungskatalog mit Maßnahmen zur Ausgestaltung staatlicher Förderprogramme und Erleichterungen im Aufsichtsrecht aufgestellt. Wir haben unseren Forderungskatalog seitdem stetig fortgeschrieben und auch erfolgreich in die politische Diskussion eingebracht. Allerdings brauchen wir nach der Krise auch eine Generaldebatte, welche Art von Aufsicht in Zukunft sinnvoll ist. Eine Aufsicht, die viele Vorschriften in den ersten Tagen einer schweren Krise gleich wieder über Bord werfen muss, muss sicherlich verändert werden.Auch wenn die drastischen Einschränkungen Erfolge bei der Eindämmung des Virus gebracht haben, werden wir uns noch längere Zeit im Krisenmodus befinden. Die Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg wird mithelfen, die Folgen der Krise zu überwinden.