Genossenschaftliche Vielfalt belebt die Region
Zurückblickend auf das Jahr 2018, das 200. Geburtsjahr von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, wurde die genossenschaftliche Rechtsform über Generationen hinweg immer weiterentwickelt und hat inzwischen eine stolze Geschichte vorzuweisen. Insbesondere aktuelle Gründungsinitiativen zeigen aber auch, dass die Genossenschaft nichts von ihrem Innovationscharakter eingebüßt hat. Eine Stimme für jedenÜberall dort, wo Menschen etwas selbst in die Hand nehmen wollen, bietet die Genossenschaft einen möglichen Rahmen. Sie gibt Menschen mit gemeinsamen Interessen die Möglichkeit, dieses rechtlich eigenständig zu verwirklichen – eine demokratische Entscheidungsfindung, bei der jedes Mitglied unabhängig von seiner Kapitalbeteiligung eine Stimme hat. Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit sind hierbei Grundpfeiler der Genossenschaft. In ihr haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich selbst zu organisieren und die Bedingungen der Zusammenarbeit individuell zu vereinbaren. Beginnend bei der Entscheidung, wer zu welchen Bedingungen Mitglied werden darf, über die Rechte und Pflichten der Mitgliedschaft, bis hin zum Ausscheiden aus der Genossenschaft – gemeinsam vereinbarte Spielregeln bieten sichere Voraussetzungen für die Umsetzung des gemeinsamen Projekts.Die Mitglieder bringen entsprechend ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit Kapital ein, das aus der Region in der Region zur Realisierung des gemeinsamen Ziels investiert wird. Dabei können sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personen des öffentlichen Rechts beitreten. Dadurch sowie durch die Tatsache, dass in der Genossenschaft jedes Mitglied nur mit seiner gezeichneten Einlage haftet und somit ein überschaubares Risiko eingeht, ist die Genossenschaft eine ideale Rechtsform zur Kooperation. Mitgliederförderung im Fokus”Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele”, dieser Leitgedanke ist Dreh- und Angelpunkt der genossenschaftlichen Idee. Im zumeist lokalen oder regionalen Umfeld finden Genossenschaften ihren Kern und haben stets die Förderung ihrer Mitglieder im Fokus. So haben diese die Möglichkeit, in der Gruppe selbst für ihre eigenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belange aktiv zu werden, konkrete Lösungen für konkrete Probleme zu finden und die Identifikation mit örtlichen Projekten zu stärken. Somit vereint die Genossenschaft partnerschaftlich und kooperativ einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb mit sozialer Verantwortung.Das politische Bekenntnis zur Bedeutung von Genossenschaften unterstreicht die niedersächsische Landesregierung zum einen durch die Gründungsförderung des Sozialministeriums, das Sozialgenossenschaften mit einem Betrag von bis zu 6 000 Euro fördert. Förderberechtigt sind hierbei beispielsweise genossenschaftliche Wohnprojekte, Dorfläden, Kinos, Gaststätten, Senioren- und Nachbarschaftshilfen sowie Stadtteilgenossenschaften.Ferner lobt das niedersächsische Wirtschaftsministerium jährlich den Wettbewerb “Gemeinsam aktiv – Handel(n) vor Ort” aus. Bei dem Wettbewerb werden Konzepte ausgezeichnet, die Innenstädte und Ortskerne beleben, den stationären Einzelhandel stärken oder die Versorgung im ländlichen Raum sichern. Genossenschaftliche Initiativen sind hierbei ebenfalls explizit angesprochen.Unterstützt durch diese Rahmenbedingungen und begleitet durch unseren Verband werden zunehmend Genossenschaften zum Beispiel im Bereich der Unternehmensnachfolge, der bezahlbaren Wohnraumversorgung oder der sozialen Gemeinschaften gegründet. “Besser – zu Hause genießen”So haben sich in der Besser eG, gegründet in Hilter am Teutoburger Wald, zum Zweck der geordneten Nachfolgeregelung selbständige Handelsvertreter der Heimdienstbranche mit wichtigen Lieferanten und Mitarbeitern in Schlüsselpositionen zusammengeschlossen, um künftig unter der Marke “Besser – zu Hause genießen” bundesweit Tiefkühlprodukte zu vertreiben. Die Genossenschaft übernimmt hierzu diese operative Geschäftssparte eines bestehenden Großhandelsunternehmens und vertreibt seine Produkte künftig neben dem direkten Weg über die Tiefkühlfachberater auch über Online-Bestellmöglichkeiten. Dauerwohnraum auf JuistDie “Juist – Infrastruktur und Wohnen eG” hat es sich hingegen zum Ziel gesetzt, sich auf dem Immobilienmarkt der Nordseeinsel Juist zu engagieren und ihre Mitglieder durch eine gute, sichere und verantwortbare Wohnraumversorgung sowie den Erhalt der Infrastruktur auf Juist zu fördern. Es soll vorrangig Dauerwohnraum geschaffen und so zu einer Entspannung des Wohnungsmarktes beigetragen werden. Als mögliche Mieter profitieren Mitglieder von einer bezahlbaren Immobilie zu einem realistischen Preis. Die langfristige und nachhaltige Vermietung wird hierbei ebenso beabsichtigt wie die Erhöhung der Wohnraumqualität für auf der Insel tätige qualifizierte Arbeitskräfte, die auf diesem Wege stärker gebunden werden sollen. Die große Zahl der Bewerber belegt den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum auf der Insel.Mit dem Wunsch des Betreibers, die seit Generationen als Gemeindezentrum und für unzählige Geburtstage, Taufen und andere Treffen von Freunden und Familien genutzte Dorfkneipe “Zum Schanko” in Handorf-Langenberg aus Altersgründen abzugeben, zeichnete sich ab, dass diese sodann geschlossen werden würde. Dies veranlasste die Initiatoren der “Dorfgemeinschaftshaus ,Zum Schanko` eG” dazu, für die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen durch Bewohner und Interessierte zu werben und so den Kauf und die Renovierung der Gaststätte zu realisieren. Mit viel ehrenamtlicher Arbeit konnte die Gaststätte in einen modernen Standard versetzt werden. Sie wird fortan von einem Betreiber aus der Region bewirtschaftet und bleibt als bedeutender zentraler Begegnungsort im Dorf erhalten. Innovativer LehransatzNicht zuletzt hat auch die Hochschule Bremerhaven die genossenschaftliche Rechtsform für ihren innovativen Lehransatz entdeckt. Der Studiengang “Gründung, Innovation, Führung” soll das unternehmerische Denken und Handeln der Studenten fördern und ihnen Fähigkeiten vermitteln, um anspruchsvolle Vorhaben im Team umzusetzen. Das aus Finnland stammende Studienmodell setzt auf die Qualifizierung der Studenten für das Unternehmertum. Mithilfe der gegründeten Genossenschaften werden die Studenten fortan ihre Geschäftsideen umsetzen und gemeinschaftlich ihre Fähigkeiten in der Führung eines Unternehmens, insbesondere im Hinblick auf ihre künftige berufliche Tätigkeit, entwickeln.Tätigkeitsfelder der Genossenschaften sind unter anderem der Groß- und Einzelhandel, die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln, der Betrieb von Aquakulturen und Vermarktung ihrer Produkte, die Herstellung und Vermarktung von handwerklichen Erzeugnissen sowie die Erbringung von Dienstleistungen. So wird der genossenschaftliche Gedanke von Grund auf an eine nachwachsende Generation von Führungskräften herangetragen.Unser Verband steht in diesen und zahlreichen weiteren Feldern Gründungsinitiativen als Partner und Impulsgeber unterstützend zur Seite. Darüber hinaus stärken wir unsere Mitgliedsunternehmen nachhaltig durch kompetente Dienstleistungen in den Bereichen Prüfung, Beratung, Bildung und Interessenvertretung. Durch ein Miteinander auf Augenhöhe, die Begleitung durch unseren Verband sowie die interne Kontrolle durch die Mitglieder ist die Genossenschaft die insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland. Die Mitgliedernähe sowie die Vernetzung auf Landes- und Bundesebene machen unseren Verband für Politik, Wirtschaft und die Menschen vor Ort zu einem wichtigen Partner in der Region. Wie auch unsere Mitgliedsunternehmen leben wir den genossenschaftlichen Grundsatz, Verantwortung zu übernehmen und nachhaltiges Wirtschaften nicht zugunsten von kurzfristigen Erfolgen aus den Augen zu verlieren. Johannes Freundlieb, Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems