Genossenschaftsidee ist heute so aktuell wie damals

Ursprungsgedanke Raiffeisens gebührt zu Recht das Prädikat "stark" - Modern, zukunftsfähig, weltweit verbreitet und anerkannt

Genossenschaftsidee ist heute so aktuell wie damals

Wenn heute weltweit über eine Milliarde Menschen in Genossenschaften organisiert sind, dann verdient die Ursprungsidee mit Fug und Recht das Prädikat “stark”! Und wenn sich der Geburtstag eines der Urväter der Genossenschaftsidee, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, zum 200. Mal jährt, dann ist das ein gleichermaßen berechtigter wie willkommener Anlass, unter dem Motto “Mensch Raiffeisen. Starke Idee!”, den großen Vordenker und Gestalter mit einem “Raiffeisen-Jahr 2018” in besonderer Weise herauszustellen.Die Schirmherrschaft dafür hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernommen: “In einer Zeit tiefgreifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche hat Friedrich Wilhelm Raiffeisen für seine Mitmenschen Verantwortung übernommen und gezeigt, was das Engagement des Einzelnen und die Solidarität vieler gerade in schwierigen Zeiten bewirken können. Das macht für mich seine Idee und sein Wirken so modern. Das Raiffeisen-Jahr 2018 gibt Gelegenheit, uns seine bleibenden Leistungen neu ins Gedächtnis zu rufen”, so Steinmeier.Weltweit schaffen Genossenschaften mehr als 100 Millionen Arbeitsplätze und ermöglichen Menschen Wohlstand und Sicherheit. In Deutschland bilden mehr als 8 000 Genossenschaften und genossenschaftliche Unternehmen gemeinsam das Rückgrat der mittelständischen Wirtschaft; über 22 Millionen Mitglieder machen sie zur mitgliederstärksten Wirtschaftsorganisation, und mit knapp einer Million Arbeitsplätzen ist die Genossenschaftsorganisation auch einer der bedeutendsten Arbeitgeber hierzulande.Genossenschaften wirtschaften nachhaltig und verantwortungsbewusst, sie sind der Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet und fest in ihrer Region verankert. Ob Agrargenossenschaften oder Genossenschaftsbanken, ob Energie- oder Konsumgenossenschaften, ob Wohnungs- oder Dienstleistungsgenossenschaften, ob Kultur-, Sozial- oder Schülergenossenschaften: Hinter jeder einzelnen stehen Gründer und Mitglieder – und eben eine starke Idee!Den Erfolg der Genossenschaftsidee begleiten wir als Genossenschaftsverband Weser-Ems e. V. durch die genossenschaftliche Prüfung, die als betreuende Prüfung nicht nur periodisch die vergangene Entwicklung, sondern gleichfalls die Entwicklungsperspektiven der Genossenschaft beurteilt, und durch ein breites Angebot weiterer Dienstleistungen in der Beratung, Bildung und Interessenvertretung, mit denen wir die Leistungsfähigkeit unserer Mitgliedsunternehmen fördern. Problemlöser vor OrtFriedrich Wilhelm Raiffeisen steht als Gesellschaftsreformer in einer Reihe großer Menschen, deren Ideen die Welt wesentlich verändern, wie Karl Marx, Otto von Bismarck und Ludwig Erhard. Er ging – ebenso wie Hermann Schulze-Delitzsch als weiterer Gründervater der Genossenschaftsbewegung – stets vom einzelnen Menschen aus und von der Achtung des Einzelnen. Jeder muss sein Leben selber gestalten, und um das in verbesserter Weise zu tun, schließt er sich mit anderen zu einer Solidargemeinschaft zusammen, getreu dem Motto: “Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele.”Während die Genossenschaftsidee sich zu Anfang an die Bedürftigen richtete, wendet sie sich heute eher an all diejenigen, die etwas selber in die Hand nehmen und erreichen wollen, gemeinsam und gleichberechtigt. Durch die Novellierungen 2006 und 2017 ist das Genossenschaftsgesetz für ein deutlich erweitertes Spektrum an genossenschaftlichen Neugründungen geöffnet worden: Beispielsweise sind in Weser-Ems mittlerweile 70 der bundesweit rund 850 Energiegenossenschaften tätig und damit eine tragende Säule der Energiewende in unserer Region. Unser Verband begleitet aber auch zunehmend genossenschaftliche Wohnprojekte sowie Sozial- und Kulturprojekte, wie folgende Beispiele zeigen:- Die Bürgergenossenschaft “Dorfgemeinschaftshaus Neustadt eG” (Gemeinde Ovelgönne/Kreis Wesermarsch) erwarb den einzigen Gasthof weit und breit nach dessen Schließung und erhält ihn als Begegnungsstätte und Dorfmittelpunkt.- Die “Centraltheater Brake eG” hat das alte Central Theater in Brake (Unterweser) zu einer Versammlungsstätte für Kultur und Bildung gemacht.- Die “Kulturgenossenschaft Globe eG” in Oldenburg (Oldb) möchte ein historisches Kino als Kulturprojekt und Baudenkmal erhalten und zu einem kulturellen Treffpunkt entwickeln.- In Sögel (Landkreis Emsland) schafft die “Willkommen in Sögel eG: Bürgergenossenschaft für Menschen in Not” dringend benötigten Wohnraum für Flüchtlinge und sozial schwache Mitmenschen.- Die “Lingener Wohnbau eG i. Gr.” hat das Ziel, bezahlbaren Wohnraum in Lingen (Ems) zu erhalten und zu schaffen.- In der “KiTaP Mühlgarten eG” haben sich Unternehmen eines Gewerbegebietes in Oldenburg (Oldb) zusammengeschlossen und gemeinsam Kita-Plätze für ihre Belegschaft geschaffen.- Die “Georgsmarienhütter Bildungsgenossenschaft eG” will Erziehung, Berufsbildung und lebenslange Bildung in der Stadt GMHütte und der nachbarschaftlichen Umgebung fördern. Bereits diese wenigen Beispiele illustrieren: Genossenschaften sind ausgehend von der starken Idee Raiffeisens wirksame Institutionen, konkrete Lösungen für konkrete Probleme vor Ort umzusetzen. Das macht die “eG” zu einer Rechtsform, über die gesellschaftliche Projekte mitgetragen und mitgestaltet werden können. Und bis heute machen die Genossenschaften erlebbar, dass es nicht darum geht, zwischen Gewinnmaximierung und gesellschaftlicher Verantwortung einen mehr oder weniger wackeligen Spagat auszuführen. Denn Genossenschaften vereinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und soziale Verantwortung in Form partnerschaftlicher, kooperativer Zusammenarbeit. Als ein weiteres Ergebnis dieser Haltung ist die eingetragene Genossenschaft die mit Abstand insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland. Bekenntnis zu den AufgabenWenn wir uns heute wie unsere rund 300 Mitgliedsunternehmen zu der Tradition der Genossenschaften bekennen, dann ist das zugleich ein Bekenntnis zu den Aufgaben der Genossenschaften als Einrichtungen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung, natürlich in einem modernen Gewand. Und auch unsere Mitgliedsunternehmen mit ihren rund 17 600 Beschäftigten, etwa 560 000 Mitgliedern und 1,8 Millionen Kunden belegen eindrucksvoll die Tragfähigkeit der starken Idee Raiffeisens, tragen sie doch mit ihren stabilen Geschäftsmodellen und mit ihrer insgesamt starken Marktposition wesentlich zu Wachstum und Beschäftigung in unserem Verbandsgebiet bei. Das Leben verbessernRaiffeisen hat stets das Ziel verfolgt, das Leben der Menschen zu verbessern. Das ist auch heute noch der Kern der Genossenschaftsidee und wird auch weltweit so gesehen: Seit November 2016 zählt die “Idee und Praxis der Organisation von gemeinsamen Interessen in Genossenschaften” als erste Eintragung Deutschlands in die Unesco-Liste zum Immateriellen Kulturerbe, die Meisterwerke menschlicher Schaffenskraft lobt und schützt. In Zeiten vieler Umbrüche sind Genossenschaften mit ihrer Betonung der Solidarität und Hilfe zur Selbsthilfe ein zukunftsweisendes Modell, weil ihr konkreter praktischer Nutzen unmittelbar einsichtig ist. Die Genossenschaftsidee hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert, sie ist heute so aktuell wie damals, und sie ist so stark, dass sie auch das 21. Jahrhundert prägen kann.—-Johannes FreundliebVerbandsdirektor des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems