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Gerhard Grandke 65

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.6.2019 Er könnte sich jetzt um seinen Weinberg an der Mosel kümmern. Oder um die Bienen. Oder von seinem Ferienhäuschen auf die Nordsee gucken. Oder das neue Projekt angehen, das er sich für den...

Gerhard Grandke 65

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtEr könnte sich jetzt um seinen Weinberg an der Mosel kümmern. Oder um die Bienen. Oder von seinem Ferienhäuschen auf die Nordsee gucken. Oder das neue Projekt angehen, das er sich für den Ruhestand vorgenommen hat. So viel sei verraten: Es hat etwas mit Medien zu tun. Im Februar ist seine zweite fünfjährige Amtsperiode abgelaufen. Aber Gerhard Grandke macht weiter. Immer weiter. Vor gut einem Jahr wurde das Mandat des Geschäftsführenden Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen (SGVHT) bis Ende 2021 verlängert. Die regionale Organisation, die sich aktuell in eigenkapitalstarker und auskömmlich ertragskräftiger Verfassung zeigt und unbeirrt die von ihr gewohnte konservative Risikopolitik verfolgt, war dankbar. Frau Grandke weniger. Sie musste er erst etwas mühsam davon überzeugen, dass er “noch nicht so weit” sei. Berlin ist weit weg Nicht, dass er sich zu Höherem berufen gefühlt hätte. Ganz und gar nicht. Grandke, der am Dienstag sein 65. Lebensjahr vollendet, ist Offenbacher durch und durch, und Berlin ist zum Glück weit weg. Aber er hat eben noch nicht fertig. Und das war seine Selbsteinschätzung, schon lange bevor die Debatte über eine Neuordnung der Landesbankenlandschaft hochkochte – Grandke sitzt dem Verwaltungsrat der zu 88 % von den Sparkassen getragenen Helaba vor. Doch dem gewieften Interessenvertreter und mit allen politischen Wassern gewaschenen langjährigen Oberbürgermeister von Offenbach und Fast-Ministerpräsidentenkandidaten der SPD (2006 gegen Roland Koch) war natürlich weit im Voraus klar, dass in Norddeutschland ein Riesenproblem auf die Sparkassengruppe zurollte, das zum einen nach einer Lösung schrie, zum anderen aber auch strategische Optionen eröffnen konnte.Da ist es sehr hilfreich und beruhigend, einen erfahrenen und durchsetzungsstarken Strippenzieher an der Spitze der regionalen Gruppe zu wissen. Zumal es gilt, zumindest die größten Übel abzuwenden, wenn wegen Widerständen an anderer Stelle schon die Chancen nicht genutzt werden können.Der 2,01-Meter-Mann mit Taekwondo-Erfahrung gehört dem Verein der Freunde des offenen Wortes an. Das sorgt bei Gesprächspartnern und Betroffenen nicht ausschließlich für höchste Heiterkeit, schafft aber in aller Regel Klarheit. Und Grandke, der – wohl aus Überzeugung – in einem schlichten Reihenhaus in einem als “Maroc City” bekannten Offenbacher Viertel lebt, kann sich “Managern und Marktfrauen gleichermaßen verständlich machen”, wie einmal eine Lokalzeitung sehr treffend notierte. Kalte EnteignungDass er mit seiner Meinung hinterm Berg hält, wäre wirklich das Letzte, was man Grandke vorwerfen könnte. Zum Bedauern der Journalisten wird der Präsident nur mal von seinem Pressesprecher ausgebremst, wenn er zu sehr die Contenance zu verlieren droht. Vielleicht handelt es sich aber auch um kontrollierte Ausbrüche. Eigentlich ist es schwer vorstellbar, dass Grandke sich aus Versehen in seiner – wenngleich man seine Ansichten nicht immer teilen muss – stets zumindest schlüssigen Argumentation und in seiner vortrefflichen Rhetorik verheddert. Den subtilen und gerne mit spitzer Ironie angereicherten Gedankengängen des Diplompädagogen, studierten Soziologen, Psychologen und Germanisten zu folgen, bedeutet meist intellektuellen Hochgenuss. Eine Kostprobe: “Früher haben sich die Verfechter des Kapitalismus schaudernd über Karl Marx und seine Forderung nach Expropriation mokiert. Heute kommt diese Forderung nach Expropriation aus dem System selbst – und keiner regt sich darüber auf. Denn auf nichts anderes als auf eine kalte Enteignung der Sparer und Geldbesitzer laufen doch diese Forderungen nach einer Abschaffung oder Abwertung des Bargelds hinaus!”So kommentierte der Maurersohn unter anderem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kolportierte Ideen zur Einführung von Negativzinsen auf breiter Front und zur Abschaffung oder Abwertung des Bargelds. Was Grandke wohl davon hält, dass der Ruf nach Expropriation mittlerweile auch bei manchen seiner Parteigenossen en vogue ist?Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, gibt der Sparkassenpräsident sogar mal der Deutschen Bank recht, zu deren Fanclub er ansonsten sicher nicht zählt. So, als er jüngst ausdrücklich der Kritik von deren Aufsichtsratschef Paul Achleitner an der massiven Wettbewerbsverzerrung zwischen US- und europäischen Banken durch die Null- und Negativzinspolitik der EZB zustimmte. Grandke vergaß freilich nicht zu betonen, dass diese Übereinstimmung eine absolute Ausnahme sei.