Negativzinsen

Gericht kippt Verwahrentgelt der Commerzbank

Auch wenn nach der Zinswende fast keine Bank mehr Negativzinssätze auf Einlagen berechnet, gewinnt der juristische Streit an Fahrt. Am Freitag unterlag die Commerzbank mit ihrem Verwahrentgelt vor Gericht.

Gericht kippt Verwahrentgelt der Commerzbank

jsc Frankfurt

Die Liste der Banken und Sparkassen, die nach Auffassung der  Justiz zu Unrecht ein Verwahrentgelt erhoben haben, ist um ein Beispiel länger: Das Landgericht Frankfurt verwarf am Freitag den Negativzins der Commerzbank auf Spareinlagen (Az. 2-25 O 228/21). Es sei charakteristisch für eine Spareinlage, dass ein Kunde einer Bank Geld anvertraue, um durch Zinsen eine Rendite zu erwirtschaften, führte der Vorsitzende Richter Daniel Köhler bei der Urteilsverkündung aus. Die Bank wälze Betriebskosten ohne echte Gegenleistung auf Kunden ab. „Von einer Gebühr für die Verwahrung geht das Gesetz aber nicht aus“, betont das Gericht. Unklar ist bislang, ob die Commerzbank in Berufung geht. Die Bank wolle das schriftliche Urteil prüfen, erklärte ein Sprecher. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg.

Damit schwelt der juristische Streit weiter, auch wenn die meisten Geldhäuser nach der Zinswende der EZB zur Jahresmitte Verwahrentgelte wieder zurücknahmen. Die Commerzbank erhebt seit Juli 2022 keine Negativzinsen mehr, sieht in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis aber Verwahrentgelte vor. Für Neukunden ist für Spareinlagen ein Entgelt von 0,5% oberhalb einer Grenze von 50000 Euro möglich, für Bestandskunden liegt der Freibetrag je nach Dauer der Geschäftsbeziehung bei bis zu 250000 Euro. Zudem hatte die Bank eine Rahmenvereinbarung entworfen und auch Stammkunden eine Vereinbarung vorgelegt. Um Verwahrentgelte auf gewöhnliche Girokonten ging es in dem Urteil nicht.

Die Commerzbank hatte sich darauf berufen, mit den Kunden individuelle Absprachen getroffen zu haben. Das aber habe sie „nicht ausreichend dargelegt“, erklärte Richter Köhler weiter. Die Vereinbarungen hätten vielmehr den Charakter von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Klauseln aber benachteiligten Kunden unangemessen. Außerdem verstecke die Bank Hinweise zum Verwahrentgelt in einer Fußnote.

Die Bank muss laut Urteil nun ihre Kunden informieren, dass die Klauseln unzulässig sind. „Nur dann kann sich der Kunde überlegen, ob er das Geld zurückfordert oder nicht“, sagte Köhler. Auch muss die Bank der Verbraucherzentrale mitteilen, welche Kunden betroffen waren.

Auch in anderen Fällen haben Gerichte Verwahrentgelte gekippt. Das Landgericht Berlin entschied im Oktober 2021, dass die Sparda-Bank Berlin für die Verwahrung von Einlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten kein Entgelt verlangen dürfe und die erhobenen Negativzinsen erstatten müsse, wie die Verbraucherzentralen berichten. Ähnlich entschied das Landgericht Düsseldorf im Fall der Volksbank Rhein-Lippe. Auch in speziellen Fällen – für Kontokorrentkonten, Riester-Sparpläne und Geldanlageverträge – sind Negativzinsen laut verschiedenen Urteilen unzulässig. Das Landgericht Leipzig hatte allerdings für die Sparkasse Vogtland entschieden, dass ein Verwahrentgelt in bestimmten Fällen möglich ist. Ein finales Urteil zu dem Thema könnte der Bundesgerichtshof fällen.

In der Kreditwirtschaft dürften etliche Häuser den Streit genau verfolgen. In der Spitze hatten 455 Institute im Mai 2022 ein Verwahrentgelt ausgewiesen, wie das Vergleichsportal Verivox berichtet. Mittlerweile sind nur noch 29 Adressen übrig. Auch die Finanzaufsicht BaFin untersucht die Praxis. Sie will vor allem wissen, ob Geldhäuser die Verwahrentgelte als Argument anführten, um Kunden in teure oder riskante Produkte zu lotsen. Im September startete sie dazu eine Umfrage.