Gesamtpaket muss bei Übernahmen stimmen
In den vergangenen zwei Jahren drehte sich das Übernahmekarussell wieder kräftig. Laut Zahlen des Institute of Mergers, Acquisitions & Alliances (imaa) wurden im Jahr 2015 weltweit Mergers & Acquisitions-(M & A)-Transaktionen in einem Gesamtvolumen von 4,7 Bill. US-Dollar abgeschlossen. Damit wurde nahezu das Niveau des Vorkrisenjahres 2007 erreicht. Mit Mann+Hummel (Affinia), Deutscher Börse (LSE), Boehringer Ingelheim (Merial), Kion (Dematic) und BASF (Chemetall) machten seither auch deutsche Unternehmen mit Großübernahmen von sich reden. Oft schwierige SucheIm September 2016 verkündete Bayer (Monsanto) die mit Abstand größte Übernahme eines deutschen Unternehmens (66 Mrd. US-Dollar). Umgekehrt gerieten deutsche Unternehmen wie Kuka, WMF und KraussMaffei in den Fokus ausländischer – besonders chinesischer – Investoren. Per Ende August 2016 wurden allein in Deutschland 1105 M & A-Transaktionen mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 112 Mrd. Euro registriert. Entsprechend lag das Volumen bereits nach acht Monaten über dem Vorjahreswert (106 Mrd. Euro).Für kaufwillige Unternehmen gestaltet sich die Suche nach dem geeigneten Zielobjekt oft schwierig und bindet Ressourcen auf Seiten des Erwerbers. Schließlich soll das Akquisitionsobjekt die strategischen Unternehmensziele bestmöglich unterstützen und sich gleichzeitig optimal in die vorhandene Konzernstruktur einfügen. Dabei darf die Finanzierungsstrategie nicht aus dem Blickfeld geraten, denn schnelle Handlungsfähigkeit und Finanzierungssicherheit sind wesentliche Erfolgsfaktoren in einem M & A-Prozess.Insbesondere in Bieterverfahren legen viele Verkäufer oder M & A-Berater Wert auf sogenannte “Certain Funds”, also gesicherte Finanzierungsmittel, um die Kaufpreisfinanzierung am Closing-Tag zu gewährleisten. Für die Übernahme börsengelisteter Unternehmen ist die Vorlage von Certain Funds je nach Jurisdiktion sogar verpflichtend. Doch wer stellt diese gesicherten Finanzierungsmittel im benötigten Umfang, zum richtigen Zeitpunkt und zu welchen preislichen und strukturellen Konditionen zur Verfügung? Hier gilt es für Unternehmen, frühzeitig den Dialog mit ihren Kernbanken zu suchen, denn nicht immer ist die kostengünstigste Finanzierungsform auch die strategisch beste.Aktuell verfügen viele Unternehmen über hohe Liquiditätspolster, wodurch sie in der Lage sind, kleinere Akquisitionen aus eigener Kraft zu stemmen. Für größere Transaktionen werden üblicherweise ergänzend bestehende, zugesagte (Konsortial-)Kreditlinien sowie kurzfristige Brückenfinanzierungen genutzt. Die LBBW unterstützt ihre Kunden bei der Finanzierung von Akquisitionen sowohl durch Strukturierung und Arrangierung von langfristigen Konsortialkrediten und Brückenfinanzierungen als auch in Form von (Teil-)Underwritings. Hier nimmt sie – gegebenenfalls gemeinsam mit ein bis zwei anderen Banken – anfänglich das gesamte Risiko aufs eigene Buch und garantiert dem Unternehmen das gewünschte Kreditvolumen. Vorteil eines Underwriting sind schnelle Umsetzung und vor allem Diskretion, was in M & A-Prozessen sehr wichtig ist. Was es zu beachten giltMindestens genauso wichtig wie die Sicherstellung der erforderlichen Liquidität sind die Überprüfung und Anpassung der langfristigen Finanzierungsstrategie sowie die Festlegung der erforderlichen Schritte auf dem Weg dorthin. Im Wesentlichen werden Unternehmen mit Zugang zum Kapitalmarkt, die mehrheitlich über ein externes Rating verfügen, mit denselben Fragen konfrontiert wie nicht geratete Unternehmen, deren Refinanzierung meist über Banken erfolgt: Welche Auswirkungen haben ein möglicherweise verändertes Geschäftsmodell, ein eventueller Anstieg des Verschuldungsgrades oder eine Veränderung bestimmter Finanz- und Liquiditätskennzahlen auf das externe Rating beziehungsweise bankinterne Bonitätseinstufungen? Welche veränderten Anforderungen an Emissionsprospekte oder Vertragsdokumentationen würden sich aus einer veränderten Bonität ergeben? Wie können diese Auswirkungen adäquat berücksichtigt werden? Ganzheitlicher AnsatzDie LBBW verfolgt im Corporate Banking einen ganzheitlichen Ansatz und stellt die nachhaltigen Kundenbedürfnisse auch bei M & A-Finanzierungen in den Mittelpunkt. Deshalb analysiert bei der LBBW zunächst ein bankinterner Financial Advisor diese Fragen. Gemeinsam mit dem Management und den Gesellschaftern erörtert er in einem frühen Stadium sowohl den Status quo als auch geplante strategische Maßnahmen wie Akquisitionen, Investitionen, Devestitionen oder die (vorzeitige) Ablösung/Umfinanzierung bestehender Finanzierungsinstrumente. Daraus wird – zunächst produktunabhängig – die langfristige Finanzierungsstrategie abgeleitet.Das Unternehmen kann zum Beispiel eine (vorübergehende) Bonitätsverschlechterung in Kauf nehmen. Das Financial Advisory stellt in diesem Fall mögliche Folgen wie höhere Fremdkapitalkosten und künftige vertragliche Limitierungen, sei es durch (zusätzliche) Finanzkennzahlen, eine stärkere Beschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit oder eine Intensivierung der Berichtspflichten, transparent dar. Steht hingegen die Einhaltung der im Vorfeld gegenüber dem Kapitalmarkt kommunizierten Finanz- und Liquiditätskennzahlen wie Verschuldungsgrad oder Eigenkapitalquote im Vordergrund, lässt sich dieses durch eine Restrukturierung der Passivseite (Laufzeit, Produktmix, Liquiditätspuffer) erzielen. Gegebenenfalls sind hierfür Finanzierungsinstrumente mit Eigenkapitalcharakter einzubeziehen. Beratung aus einer HandIdealerweise fließen die auf diesem Weg gewonnenen Erkenntnisse in eine aus Kundensicht optimale Ausplatzierungsstrategie ein. Der Finanzierungsmix besteht aus diversen fremd- und gegebenenfalls eigenkapitalorientierten Finanzierungsbausteinen. Diesen Mix entwickeln im Sinne eines integrierten ganzheitlichen Lösungsansatzes das Financial Advisory und die Produkteinheiten Hand in Hand. Bei der LBBW wurden kürzlich das Financial Advisory und die Produktkompetenzen bei komplexen, strukturierten sowie kapitalmarktorientierten Finanzierungsformen in einem neuen Bereich “Corporate Finance” gebündelt, so dass die Bank nun auch organisatorisch die Brücke zwischen strategischem Dialog und maßgeschneiderten Corporate-Finance-Lösungen schlägt. Im Idealfall nicht nötigDie Brückenfinanzierung deckt insbesondere den Zeitraum bis zur Kaufpreiszahlung ab und wird im Idealfall überhaupt nicht gezogen, wodurch lediglich eine Bereitstellungsprovision anfällt. Gelingt eine Ausplatzierung nicht vor Auszahlung, empfiehlt es sich aus Sicht des Unternehmens, die Brückenfinanzierung schnellstmöglich durch eine nachgelagerte Ausplatzierung abzulösen. So werden die beanspruchten Kreditlinien bei den Kernbanken entlastet und Raum für weitere strategische Maßnahmen geschaffen. Gleichzeitig werden durch die Ausplatzierung über diverse Kapitalmarktprodukte zusätzliche Investorenkreise angesprochen und kommerzielle Vorteile realisiert.Ein wesentlicher Teil des Volumens wird in Form von Anleihe- oder Schuldschein-Emissionen am Kapitalmarkt oder als Konsortialkredit (Darlehen und/oder revolvierende Kreditlinie) über den erweiterten Bankenkreis des Unternehmens refinanziert. Während die Anleihe für große Unternehmen nach wie vor das zentrale Finanzierungsinstrument darstellt, gewinnt in jüngster Zeit die Emission von Schuldscheindarlehen als Take-out-Instrument zunehmend an Bedeutung. So hat die LBBW, die seit Jahren bei der Emission von Schuldscheindarlehen marktführend ist, eine Vielzahl prominenter M & A-getriebener Schuldscheintransaktionen wie ZF, Mann+Hummel oder Symrise begleitet. Der Schuldschein zeichnet sich insbesondere durch eine deutlich schlankere Dokumentation aus und sieht keine Pflicht zur Prospekterstellung vor. Beides schlägt sich tendenziell in geringeren Transaktionskosten für das Unternehmen nieder.Zur Ratingstabilisierung und Verbesserung der Kapitalstruktur dienen Kapitalerhöhungen oder in Einzelfällen die Emission von Hybridkapital. Beide Instrumente werden üblicherweise vor der Aufnahme von Fremdmitteln begeben. Dadurch lassen sich verbesserte preisliche und strukturelle Konditionen für Anleihen und/oder Schuldscheindarlehen erzielen. Zum erweiterten Kreis der Take-out-Instrumente zählen Working-Capital-Lösungen via Asset-Backed-Commercial-Paper-(ABCP)-Transaktionen. Über einen rollierenden Portfolioansatz kann das Unternehmen dabei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen als Basis einer atmenden Working-Capital-Finanzierung nutzen und auf diesem Weg Mittel über den Kapitalmarkt beschaffen. Für kleinere Volumina können sich auch Factoringlösungen als wirkungsvoller Baustein erweisen.Fazit – Die Bedeutung von M & A-Transaktionen für die strategische Entwicklung und das Wachstum von Unternehmen nimmt stetig zu. Sie sind komplex, zeit- und ressourcenintensiv und von vielen unsicheren Faktoren begleitet. Daher empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit verlässlichen Kernbanken, die Finanzierungsfragen ganzheitlich betrachten und alle Aspekte in die Finanzierungsstruktur einfließen lassen. Ein regelmäßiger strategischer Dialog auf Augenhöhe stellt sicher, dass die Kernbank schnell eine für das Unternehmen passende Finanzierungslösung bieten kann.—Joachim Erdle, Leiter des Bereichs Corporate Finance bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)