Geschäft mit verkappten Geldmarktfonds schwindet
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Als neue Facette chinesischer Finanzstabilitätsbemühungen lässt Chinas Bankenaufsicht eine Regulierungslücke im Vertrieb von Anlageprodukten an Massenkundschaft schließen, die letztlich der Finanzierung von Schattenbank-Aktivitäten dienen. Wie aus einer nun vorgelegten Richtlinie hervorgeht, müssen chinesische Banken und Vermögensverwalter wesentlich stringentere Anlagekriterien bei sogenannten Cash Management Products (CMP) erfüllen.
Dabei handelt es sich um eine von Finanzdienstleistern als zwar höherverzinslich, aber dennoch völlig risikolos apostrophierte Anlageform, die bei chinesischen Sparern als willkommene Variante zu herkömmlichen Bankeinlagen und Geldmarktfonds gilt und entsprechend nachgefragt wird.
Banken müssen umdenken
Tatsächlich ist es seit 2019 zu einem regelrechten Nachfrageboom bei CMP gekommen. Das Gesamtvolumen entsprechender Vehikel schwoll im Fünfzehnmonatszeitraum bis zum 31. März dieses Jahres um gut 75% auf gewaltige 7,4 Bill. Yuan an, das sind umgerechnet etwa 950 Mrd. Euro.
Geringere Ertragsaussichten
Vorsichtigen Expertenschätzungen zufolge kursieren gegenwärtig entsprechende Vermögensverwaltungsprodukte in einem Volumen von mehr als 2,5 Bill. Yuan, die sich auf Aktiva beziehen, die künftig nicht mehr mit den verschärften Anlageregeln konform gehen werden und eine entsprechende Umschichtung in höherwertigere bzw. risikoärmere Aktiva erfordern. Dies wiederum dürfte die Banken künftig daran hindern, Kundschaft mit relativ hohen Renditeversprechen in diese intransparente Anlageform zu locken und entsprechend ihre Retail-Vertriebseinnahmen schmälern.
Hintergrund des Regulierungshandelns ist das wachsende Unbehagen chinesischer Finanzregulatoren gegenüber den versteckten Risiken und offensichtlichen Anreizverzerrungen von populären geldmarktfondsähnlichen Anlageprodukten, die letztlich dazu dienen, bonitätsschwache Unternehmensemittenten über Schattenbankkanäle zu finanzieren. Durch das Recycling von eigentlich als risikoarme Sparguthaben gedachten Gelder in diese durchaus riskanten Anlageformen kommt es aus Sicht der Regulatoren neben mangelnder Transparenz zu Finanzierungskanälen und unerwünschtem Leverage, auch zu erhöhten Fristentransformationsrisiken und verzerrten Anreizen in Form impliziter Deckungsgarantien.
Um die unheilvolle Schleife zu durchbrechen, setzt Chinas Bankenaufsicht nun erstmals rigide Anlagekriterien für die CMP. Sie dürfen künftig nicht mehr in langfristige Schuldtitel und Anleihen mit einer Bonitätsnote von weniger als „AA+“ investiert werden. Letzteres markiert im chinesischen Anleihemarkt mit seinen im Vergleich zu westlichen Ländern durchweg höheren Ratingnoten bereits die Schwelle zum Investment Grade bzw. den Übergang ins Ramschanleihen-Territorium.
Tatsächlich nämlich sind die via CMP von Banken eingesammelten Gelder bislang bevorzugt in relativ hochverzinsliche Titel gesteckt worden und haben insbesondere dafür gesorgt, die notorisch hoch verschuldete chinesische Immobilienbranche mit frischen Mitteln zu alimentieren.
Zwar werden die neuen Regeln erst nach einer relativ langen Übergangsfrist Ende 2022 in Kraft treten, doch wird sich chinesischen Analysten zufolge der Abgabedruck bei Junkbondanleihen rasch manifestieren. In jedem Fall sieht sich die Bankengemeinde zu einer großangelegten Umschichtungsaktion in regelkonforme Aktiva wie Einlagenzertifikate, Geldmarkttitel der Zentralbank sowie höher geratete Anleihen mit einer Restlaufzeit von weniger als 400 Tagen oder Asset-Backed Securities gezwungen.
Baulöwen unter Druck
Mit der nun einsetzenden Laufzeitenkontrolle und erhöhten Ratinganforderungen werden die Anlagegelder jedenfalls nicht mehr in Junkbonds von Immobilienentwicklern gesteckt werden können, was eine herbe Liquiditätseinbuße für die Branche bedeutet. Kein Wunder, dass die Aktien chinesischer Bauunternehmer in Reaktion auf den Regulierungsvorstoß deutlich eingebüßt haben und auch ihre Anleihen unter Druck stehen.