GASTBEITRAG

Gesetzgeber schafft digitales Wertpapier

Börsen-Zeitung, 5.9.2020 Der Gesetzentwurf zur Einführung digitaler Wertpapiere des Bundesfinanzministeriums und des Bundesjustizministeriums leitet eine neue Ära am deutschen Kapitalmarkt ein. Der Entwurf gilt nur für Inhaberschuldverschreibungen,...

Gesetzgeber schafft digitales Wertpapier

Der Gesetzentwurf zur Einführung digitaler Wertpapiere des Bundesfinanzministeriums und des Bundesjustizministeriums leitet eine neue Ära am deutschen Kapitalmarkt ein. Der Entwurf gilt nur für Inhaberschuldverschreibungen, spricht aber generell von “Wertpapieren” – vermutlich, weil der Gesetzgeber in der Entwurfsbegründung ankündigt, dass auch digitale Aktien und Fonds folgen sollen und hier dann auf die bestehenden Regelungen verwiesen werden kann. Kein physisches DokumentDer Gesetzentwurf will das Erfordernis eines physischen Dokuments für Wertpapiere abschaffen. Nach gegenwärtiger Gesetzeslage ist in Deutschland für ein Wertpapier zwingend eine physische Urkunde vorgeschrieben. Das soll nun geändert werden. Dementsprechend können nach Inkrafttreten des Gesetzesentwurfs Wertpapiere etwa unter Verwendung der Blockchain-Technologie digital ausgegeben werden.Die digitalen Wertpapiere werden dazu in einem digitalen Register gespeichert, das von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht wird. Der Gesetzesentwurf schreibt dazu zwar keine “Registertechnik” vor, ist aber an vielen Stellen auf die Blockchain-Technologie erkennbar zugeschnitten. Beabsichtigt ist eine Förderung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen innovativen technischen Lösungen zur Registerführung.Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein digitales Wertpapier durch eine gesetzliche Fiktion als “Sache” im deutschen Zivilrecht gilt. Dies ist eine äußerst bedeutsame Änderung des derzeit geltenden Wertpapierrechts in Deutschland. Die Qualifizierung als “Sache” sorgt für mehr Transaktionssicherheit. So gilt z. B. eine Eigentumsvermutung für den Inhaber des digitalen Wertpapiers, also die Person, deren Name im elektronischen Wertpapierregister eingetragen ist. Damit kann derjenige, der ein digitales Wertpapier kauft, darauf vertrauen, dass der im digitalen Register Eingetragene auch Eigentümer des Wertpapieres ist und es daher wirksam übertragen kann.Neben der allgemeinen Einführung digitaler Wertpapiere sieht der Gesetzesentwurf auch die Schaffung von sogenannten “Kryptowertpapieren” vor. Diese Kryptowertpapiere sollen ebenfalls in einem elektronischen Register erfasst werden. In Bezug auf solche Kryptowertpapiere wird das elektronische Wertpapierregister als “Kryptowertpapierregister” bezeichnet. Der Emittent des Kryptowertpapiers muss neben einer Registereintragung auch eine entsprechende öffentliche im Bundesanzeiger vornehmen. Das Kryptowertpapierregister kann vom Emittenten selbst oder von anderen Unternehmen geführt werden. Dies kann weiteren Wettbewerb für Zentralverwahrer wie Clearstream schaffen. Ein taugliches Kryptowertpapierregister muss dezentral und fälschungssicher geführt werden. Die Daten sind in zeitlicher Abfolge zu protokollieren und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung zu schützen. Die “Verwahrung” dieser Kryptowertpapiere könnte etwa auf einer dezentralisierten/öffentlichen Blockkette wie Ethereum erfolgen.Im Sinne des Anlegerschutzes, der Marktintegrität und der Transaktionssicherheit soll die Führung eines Kryptowertpapierregisters als Finanzdienstleistung im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) konzipiert werden. Ein Unternehmen, das ein Kryptowertpapierregister führt, benötigt daher eine Lizenz nach dem deutschen Kreditwesengesetz. Dementsprechend wird es von der BaFin beaufsichtigt und unterliegt zahlreichen regulatorischen Anforderungen und Vorschriften.Die Lizenz zur Führung eines Kryptowertpapierregisters erfordert zum Beispiel ein Anfangskapital von 730 000 Euro. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Organisations- und Berichtspflichten für Finanzdienstleistungsinstitute. Die Kryptowertpapierregister sind auch Verpflichtete im Sinne des Geldwäschegesetzes und unterliegen damit entsprechenden geldwäscherechtlichen Verpflichtungen. Ein großer SchrittDer vorliegende Gesetzentwurf ist ein großer Schritt hin zu einem deutschen digitalen Kapitalmarkt. Er ist durchdacht und lässt den notwendigen Raum für weitere technische Entwicklungen. In mehrfacher Hinsicht ist der Gesetzentwurf revolutionär: Das zwingende Erfordernis papierbasierter Dokumente wird abgeschafft und rein “digitale Daten” werden als Sache im zivilrechtlichen Sinne eingestuft. Zusätzlich wird der Wettbewerb zwischen Unternehmen geschaffen, die elektronische Wertpapierregister anbieten, da die Funktion eines Zentralverwahrers nicht mehr zwingend zur Transaktionsabwicklung benötigt wird.Obwohl sich der vorliegende Entwurf auf Anleihen beschränkt, lässt der generisch formulierte Gesetzentwurf erwarten, dass auch für andere Vermögenswerte weitere Regelungen zu erwarten sind. Dieser digitale Schub in der Entwicklung eines modernen Kapitalmarktrechts wird zu Effizienzgewinnen und Kostensenkungen für alle Marktteilnehmer führen. Johannes Blassl, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management