Gesucht: der Marktführer in Deutschland
Von Bernd Neubacher, FrankfurtHat die Führerschaft im deutschen Markt für Wealth Management gewechselt, von der Öffentlichkeit unbemerkt? Tatsache ist: Die Deutsche Bank weist nach dem Kursrutsch infolge Corona per Ende März ein Volumen von 76 Mrd. Euro an verwalteten Mitteln aus, nach 85 Mrd. Ende 2019. Die Commerzbank hingegen vereinigte Ende vergangenen Jahres bundesweit 91 Mrd. Euro in ihrer Vermögensverwaltung auf sich, wie sie auf Anfrage erklärt. Während die von der Deutschen Bank verwalteten Mittel 2019 stagnierten, attestiert sich die Commerzbank eine Ausweitung dank “einer starken Kunden- und Asset-Akquise sowie einer generell positiven Marktentwicklung”. Dabei besteht die gelbe Bank darauf, dass ihr Volumen ausschließlich aus Einlagen und Wertpapieren besteht. Hintergrund: Mancher Anbieter peppt sein Volumen gerne mit dem Umfang von Krediten oder der von ihm verwahrten Mitteln auf; dies hat zur Folge, dass der Löwenanteil gemeldeter Volumina bei Anwendung ganz strikter Kriterien, etwa einer Mindestnettomarge verwalteter Vermögen, schon einmal unversehens auf einen Bruchteil verdampfen kann, wie im Markt aus Fusionsgesprächen berichtet worden ist.Die Frage der Marktführerschaft ist keineswegs akademisch. Denn manche potenziellen Kunden legen Wert darauf, ihr Geld demjenigen Anbieter anzuvertrauen, der zumindest in seinem Heimatmarkt den Ton angibt. Dass sich die Deutsche Bank selbstverständlich als marktführend ansieht, liegt an der Definition des Volumens, das man mitbringen muss, um als Wealth-Management-Kunde durchzugehen. Zwar wollen weder Deutsche Bank noch Commerzbank ihre Kriterien nennen. Allerdings weitete die Commerzbank 2016 ihre Definition deutlich aus und zählte nicht mehr nur Kunden mit liquiden Vermögen von mindestens 1 Mill. Euro zum Wealth Management, sondern auch solche, die deutlich weniger auf der hohen Kante haben – prompt erhöhte sich das verwaltete Volumen um rund die Hälfte auf 74,5 Mrd. Euro. Bei der Deutschen Bank braucht man ein Vielfaches, um im Wealth Management betreut zu werden, wie zu hören ist.Im Zuge der Corona-Pandemie gewinnt das Wealth Management für Banken an Bedeutung, wie Morgan Stanley und Oliver Wyman meinen. Je stärker Covid-19 das Corporate Banking, das Retail-Geschäft oder das Investment Banking unter Druck setze, desto attraktiver werde das stabilere Wealth Management, heißt es in einer Studie. Entfielen 2013 nur 28 % des Börsenwerts von Banken auf deren Wealth Management, so sind es momentan 36 %. Zugleich hinterlässt die Krise in den Vermögen der Kunden ihre Spuren. Hatten Morgan Stanley und Oliver Wyman vor der Krise für 2020 ein Wachstum der Vermögen um 6 % unterstellt, so rechnen sie nun mit einem Rückgang um 4 %.