Gewerblicher Immobilienmarkt: Hamburg ist leer gekauft

Angebotsmangel prägt den Büromarkt - Der anziehende Wohnungsbau zahlt sich aus

Gewerblicher Immobilienmarkt: Hamburg ist leer gekauft

Hans Henrik DigeLeiter Regionalzentrum Hamburg, DZ HYPDer gewerbliche Immobilienmarkt in Deutschland befindet sich in der längsten Aufschwungphase seit der Wiedervereinigung. Bedingt durch niedrige Zinsen und ein positives konjunkturelles Umfeld, zeigt sich seit 2008 ein dynamischer Verlauf. Mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 57,3 Mrd. Euro inklusive gewerblicher Wohninvestments in den ersten neun Monaten setzt sich diese Entwicklung im laufenden Jahr fort. Besonders gefragt sind Objekte an Topstandorten wie Hamburg, dem mit Abstand führenden Immobilienmarkt in Norddeutschland. Wie in vielen Metropolen zeigen die eingetrübten Konjunkturaussichten bislang kaum Auswirkungen auf die einzelnen Segmente. Vielmehr beeinflusst ein ausgeprägter Angebotsmangel den Markt. Vor diesem Hintergrund lag das Investitionsvolumen in der Hansestadt in den ersten drei Quartalen 2019 mit rund 3,8 Mrd. Euro spürbar unter dem Vorjahreswert (4,9 Mrd. Euro). Die Flächennachfrage bleibt hingegen speziell in den Segmenten Büro und Wohnen auf hohem Niveau und führt zu anhaltenden Mietsteigerungen. Das unzureichende Angebot betrifft insbesondere den Büroimmobilienmarkt und führt zu einem fortschreitenden Leerstandsabbau. Zur Jahresmitte 2019 standen rund 3 % der Büroflächen leer. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 4 %. In wichtigen Teilmärkten wie der Hafencity ist das Niveau noch niedriger. Von den wenigen verfügbaren Büros entspricht nur ein Bruchteil zeitgemäßen, modernen Standards. Größere, zusammenhängende Flächen sind derzeit praktisch nur in Neubauobjekten mit entsprechender Vorlaufzeit verfügbar. Sieben der zehn größten Vermietungen 2018 betrafen Projektentwicklungen, deren Räume erst zwischen 2020 und 2022 nutzbar sein werden. Zwei dieser Geschäfte schlossen Anbieter von Coworking-Spaces ab. Das Segment flexibel vermieteter Arbeitsplätze wächst, die insgesamt angebotene Fläche ist gleichwohl überschaubar. Durch den Nachfrageüberhang konnte die Bürospitzenmiete spürbar anziehen. Binnen zwölf Monaten legte sie um fast 6 % auf 28 Euro je Quadratmeter zu. Diese Entwicklung dürfte sich zunächst fortsetzen, wenn auch mit nachlassender Dynamik. So zeichnet sich dank mehrerer Neubauprojekte ein leicht steigendes Angebot ab. Zudem ist im Zuge der abgeschwächten Konjunktur mit wachsender Zurückhaltung seitens der Unternehmen bei der Anmietung großflächiger und hochpreisiger Büroflächen zu rechnen. Ein Einwohnerplus von fast 10 % seit 2008 zeigt die Attraktivität Hamburgs als Wohnort. Dies bewirkte einen Anstieg der durchschnittlichen Erstbezugsmieten am Wohnimmobilienmarkt von knapp 40 % – ein gemessen am Durchschnitt der deutschen Topstandorte von 55 % moderates Wachstum. Grund hierfür ist in erster Linie die erfolgreiche Ausweitung der Neubaukapazitäten. Bereits 2011 initiierte Hamburg ein “Bündnis für das Wohnen” und setzte den Wohnungsbau an die Spitze der politischen Agenda. Während in den Jahren nach der Jahrtausendwende lediglich rund 3 000 Wohnungen pro Jahr entstanden, stieg die Zahl bis 2015 auf über 8 000. 2018 waren es über 10 000 Fertigstellungen. Das verbesserte Angebot hat den Mietanstieg sichtbar abgebremst. Mit einer durchschnittlichen Erstbezugsmiete von 14,20 Euro je Quadratmeter lag Hamburg 2018 geringfügig unter dem Durchschnitt der Topstandorte (14,60 Euro je Quadratmeter). In den kommenden Jahren dürfte der Wohnungsbau auf dem aktuellen Niveau voranschreiten. Allein auf dem derzeit gebauten Deckel der Autobahn A7 sollen rund 3 000 Wohnungen entstehen. Hinzu kommen Großprojekte wie die Neue Mitte Altona oder der Oxpark in Langenhorn. Im Zuge der Neubauaktivitäten wird sich das gebremste Mietwachstum bis Ende 2020 mit rund 2 % pro Jahr fortsetzen. Im Spitzensegment des Marktes mit Erstbezugsmieten von rund 22 Euro je Quadratmeter dürfte das Tempo noch etwas geringer ausfallen.Der Einzelhandel in Hamburg profitiert von einem 3,5 Millionen Menschen umfassenden Einzugsgebiet, dem Bevölkerungszuwachs sowie einer hohen Kaufkraft. Dazu kommt das mit 14,5 Millionen Übernachtungen im Jahr florierende Tourismusgeschäft. Das wachsende Kundenpotenzial hilft, die Folgen der zunehmenden Konkurrenz durch den E-Commerce abzumildern. Zeitgleich reagiert insbesondere der textile Einzelhandel auf die verstärkte Online-Konkurrenz und passt seine stationären Konzepte mittels reduzierter Verkaufsflächen an. Freie Flächen werden zunehmend von “Beauty and Food” – Supermärkte, Drogerien und Gastronomie – nachgefragt. Das Angebot ist in Hamburg mit 350 000 Quadratmetern etwa gleich groß wie im deutlich kleineren Düsseldorf und damit vergleichsweise gering. Durch eine Vielzahl kleinerer und mittelgroßer Projektentwicklungen wächst die verfügbare Fläche allerdings sukzessive. Spürbaren Einfluss auf den innerstädtischen Einzelhandel könnte das Shoppingcenter im südlichen Überseequartier der Hafencity nehmen. Hier entstehen auf fast 70 000 Quadratmeter Verkaufsfläche bis 2022 rund 200 Geschäfte. Dies entspricht einem Fünftel der Ladenflächen in der City und dürfte die Wettbewerbssituation im Einzelhandel neu ausrichten. Die Spitzenmiete in Hamburg stagniert seit Ende 2015 auf einem hohen Niveau von 285 Euro je Quadratmeter. Damit kann sich die Elbmetropole dem bundesweiten Trend sinkender Mietpreise entziehen. Ein Anstieg ist angesichts der Zuwächse im E Commerce aber nicht zu erwarten. Alle Segmente des gewerblichen Immobilienmarkts in Deutschlands zweitgrößter Stadt werden in den kommenden Jahren unter dem Einfluss der konjunkturellen Lage stehen. Attraktiv bleibt Hamburg in jedem Fall – für Bewohner, Gäste und Investoren.