Streit um Kapitalvorgaben

Goldman erhält Argumente im Konflikt mit der Fed

Eine strategische Neuausrichtung trägt für Goldman Sachs Früchte: Im zweiten Quartal hat das Geldhaus seinen Nettogewinn mehr als verdoppelt. Dass sich die Vermögensverwaltung dabei wie erhofft als Ertragsstabilisator erweist, verschafft der Bank Argumente in einem folgenschweren Konflikt mit der Fed.

Goldman erhält Argumente im Konflikt mit der Fed

Goldman erhält Argumente im Konflikt mit der Fed

US-Geldhaus wehrt sich nach Gewinnsprung gegen härtere Kapitalvorgaben der Notenbank – Anlegersorgen um Merger-Geschäft halten sich hartnäckig

Eine strategische Neuausrichtung trägt für Goldman Sachs Früchte: Im zweiten Quartal hat das Geldhaus seinen Nettogewinn deutlich mehr als verdoppelt. Dass sich die Vermögensverwaltung dabei wie erhofft als Ertragsstabilisator erweist, verschafft der Bank nun Argumente in einem folgenschweren Konflikt mit der Fed.

xaw New York

Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat sich in einer hitzigen Auseinandersetzung mit der Federal Reserve Munition verschafft. Das New Yorker Geldhaus, das sich nach dem jüngsten Stresstest der Notenbank gegen härtere Kapitalvorgaben wehrt, hat im zweiten Quartal einen Gewinnsprung hingelegt. Der Nettoüberschuss zog dank eines aufgehellten Kapitalmarktumfelds gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 150% auf 3,04 Mrd. Dollar an. Für das erste Halbjahr 2024 steht damit unter dem Strich ein Zuwachs von 61%.

Für Goldman zahlt sich der Rückzug aus dem Privatkundengeschäft damit zunehmend aus. Der 2016 begonnene Ausflug ins Consumer Banking hatte dem Wall-Street-Haus über Jahre hinweg milliardenschwere Verluste eingebrockt. Im Herbst 2022 begann Goldman im Rahmen einer groß angelegten Neuorganisation, die Privatkundenplattform Marcus zurechtzustutzen. Im folgenden Jahr zurrte die Bank Verkäufe der Anlageberatung Personal Financial Management sowie der Ratenkreditplattform Green Sky fest, auch von Kreditkartenpartnerschaften mit Apple und General Motors verabschiedet sich das Institut.

Stattdessen sind das Kerngeschäft Investmentbanking und stabile Erträge aus der Vermögensverwaltung wieder in den Mittelpunkt gerückt. Die Dealmaker von Goldman steigerten ihre Gebühreneinnahmen im zweiten Quartal um 21% auf 1,73 Mrd. Dollar, wobei sich insbesondere ein Aufschwung im Anleihe-Underwriting positiv auswirkte. Allerdings fielen die Erträge im Investmentbanking aufgrund einer verlangsamten Aktivität in der M&A-Beratung und der Vermittlung im Fixed-Income-, Währungs- und Rohstoffgeschäft mit 8,18 Mrd. Dollar 16% niedriger aus als im ersten Jahresviertel.

Konkurrenz trumpft auf

Die Anleger ziehen zudem den Vergleich mit Konkurrenten wie J.P. Morgan, die Goldman im zweiten Quartal mit einem Anstieg der Gebühreneinnahmen um 50% übertrumpfte. Das nach Bilanzsumme größte US-Geldhaus kommt global inzwischen auf einen „Wallet Share“ von 9,5% und nimmt damit vor dem stärker spezialisierten New Yorker Wettbewerber die Spitzenposition ein. Bei Investoren halten sich indes Sorgen darüber, dass die heiße Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs die Aktivität im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen wieder drosseln könnte.

Für Goldman, die mittelfristig eine Eigenkapitalrendite von 14 bis 16% anpeilt, im zweiten Quartal mit annualisierten 10,9% aber noch recht klar hinter dieser Zielmarke zurückblieb, wird das zweite Standbein Asset- und Wealth Management damit umso wichtiger. Die Sparte steigerte ihre Erlöse auf Jahressicht um 27% auf 3,88 Mrd. Dollar und schnitt überdies leicht besser ab als im Auftaktquartal 2024. Damit trug die Vermögensverwaltung entscheidend dazu bei, dass die konzernweiten Erlöse mit 12,73 Mrd. Dollar über 300 Mill. Dollar höher ausfielen als von Analysten im Konsens erwartet. Die im Asset- und Wealth Management verwalteten Mittel haben nach Nettozuflüssen von 71 Mrd. Dollar ein Rekordvolumen von 2,93 Bill. Dollar erreicht.

Orientierung an schärfster Rivalin

Das New Yorker Geldhaus orientiert sich dabei an der Strategie der traditionell schärfsten Rivalin Morgan Stanley. Diese machte sich nach den Verwerfungen der Finanzkrise 2008 durch eine stärkere Fokussierung auf die Vermögensverwaltung und Anlageberatung weniger abhängig von volatilen Investmentbanking-Erträgen und wurde somit vom Crash-Opfer über Jahre hinweg zum Investorenliebling.

Auch bei Goldman lautet die Logik mit Blick auf das Wealth Management, die Erträge zu stabilisieren und zugleich zusätzliche Vertriebskanäle zu erschließen: Ein vermögender Unternehmer dürfte sich zum Beispiel für die Finanzierung oder gar einen Börsengang seiner Firma eher an eine Bank wenden, zu der er auch privat eine gute Beziehung unterhält, wie Analysten betonen.

Gerade aufgrund der stärkeren geschäftlichen Diversifikation reagiert Goldman-CEO David Solomon mit Unverständnis auf die Resultate des jüngsten Stresstests der Federal Reserve. Gemäß der diesjährigen Auflage der Belastungsprobe würden der Bank im Fall einer schweren Rezession Kredit- und Tradingverluste im Volumen von über 40 Mrd. Dollar drohen. In der Folge steigen die Mindestanforderungen der Fed an die Eigenmittel von Goldman nun stärker als erwartet. Die Mindestanforderung für das harte Kernkapital (CET1) liegt ab dem 1. Oktober bei 13,9% der risikogewichteten Aktiva, dies bedeutet einen Anstieg von 90 Basispunkten gegenüber der bisher gültigen Quote.

Goldman-CEO David Solomon blickt mit Unverständnis auf härtere Kapitalvorgaben der Federal Reserve. Foto: picture alliance / NurPhoto | Vernon Yuen.

Vorstandschef Solomon kritisierte darauf, die neue Vorgabe reflektiere „die strategische Weiterentwicklung unseres Geschäfts nicht“. Problematisch für Goldman: Wenngleich die Bank ihre CET1-Quote gemäß des standardisierten Ansatzes zuletzt von 14,6% auf 14,8% aufgestockt hat, reduzieren sich damit die überschüssigen Mittel, die für Aktienrückkäufe und Dividenden zur Verfügung stehen – beide gelten im durch hohe Zinsniveaus und geopolitische Unsicherheit geprägten Marktumfeld als besonders wichtig, um die Anteilseigner bei Laune zu halten. Goldman hat die Ausschüttung für das dritte Quartal gerade erst um 9% auf 3 Dollar je Stammaktie angehoben.

Die Bank legt nun Einspruch gegen die Resultate des Stresstests ein. Dabei kann sie laut Analysten auch darauf pochen, dass sie im Zuge des Assetmanagement-Strategiewechsels weniger Mittel aus der eigenen Bilanz in riskante Alternative Investments steckt und stattdessen höhere Volumina über Drittparteien einsammelt. Allerdings räumen Beobachter Goldman bei ihrem Versuch, die Fed von Fehlern im Stresstest-Prozedere zu überzeugen, nur Außenseiterchancen ein. Seitdem der Regulator Banken 2020 erlaubte, Einspruch gegen die Resultate einzulegen, haben sich acht Institute daran versucht. Bisher hat die Fed alle Beschwerden abgeschmettert, darunter auch eine von Goldman.

Sturmlauf gegen Regulatoren

Hinzu kommt, dass auf Amerikas führende Geldhäuser im Rahmen der Einführung des globalen Bankenpakets Basel III ab dem kommenden Jahr ohnehin deutlich härtere Kapitalvorgaben zukommen. Branchenvertreter und Lobbyisten laufen seit Monaten gegen die Pläne der Regulatoren Sturm, Fed-Chef Jerome Powell hat auf den heftigen Gegenwind Änderungen an den Vorschlägen angekündigt. Auch deshalb hält sich bei Goldman die Hoffnung, die Notenbank mit starken Resultaten im Rücken auch in Bezug auf den Stresstest umstimmen zu können.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.