GASTBEITRAG

Green Finance nur mit finanzieller Nachhaltigkeit

Börsen-Zeitung, 21.5.2019 Nachhaltig war und ist ein zentraler Begriff im Bereich Finanzmarktregulierung. Insbesondere nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 rückte die finanzielle Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Bestrebungen von Politik und...

Green Finance nur mit finanzieller Nachhaltigkeit

Nachhaltig war und ist ein zentraler Begriff im Bereich Finanzmarktregulierung. Insbesondere nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 rückte die finanzielle Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Bestrebungen von Politik und Wirtschaft. Seitdem sind mehr als zehn Jahre vergangen und in dieser Zeit ist sehr viel auf dem Weg hin zu stabilen Finanzmärkten erreicht worden.Der Startschuss für ein weiteres wichtiges nachhaltiges Projekt fiel im Jahr 2015 mit dem Pariser Abkommen. 196 Staaten verpflichteten sich, die menschenverursachte globale Erderwärmung einzudämmen. Um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, wird allein in der EU ein Investitionsbedarf von 180 Mrd. Euro erwartet. Die EU hat deswegen den EU-Aktionsplan “Financing Sustainable Government” auf den Weg gebracht. Green Financing führt somit gerade einen zweiten Nachhaltigkeitsbegriff in die Finanzwirtschaft ein, der nicht nur sehr folgenreich für den Finanzmarkt, sondern auch für die Volkswirtschaft sein könnte. Attraktiver Markt entwickelt Denn bereits in den vergangenen Jahren hat sich hier für einige Finanzinstitute ein attraktiver Markt entwickelt, der wächst und bedient werden muss. Ein grünes Investment ist für viele Anleger ein attraktives Investment – egal, ob aus Rendite-, Nachhaltigkeits- oder schlicht Gewissensgründen. Und inzwischen greift dieses zweite Verständnis von Nachhaltigkeit in die Regulierung der Finanzmärkte ein. Zahlreiche Anleger unterstützen diese Entwicklung.In Brüssel wurde die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II bereits ergänzt. Das heißt, Anleger sollen zukünftig gefragt werden, ob sie “green” anlegen wollen. An einer Taxonomie wird mit Hochdruck gearbeitet: Festgelegte Kriterien bestimmen dann, wann eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Eine Investition gilt im Wesentlichen als nachhaltig, wenn sie zentral zum Erreichen mindestens eines definierten Umweltziels beiträgt (z.B. Klimaschutz). Das bedeutet auch, dass entsprechende Tätigkeiten keines der anderen Ziele beeinträchtigen dürfen und darüber hinaus die Einhaltung der sogenannten ESG-Kriterien – Environment, Social, Governance – mit den damit verknüpften Mindeststandards zu gewährleisten ist. Stabilität hat Priorität Es gibt Stimmen, die betonen, dass Green Finance grundsätzlich risikoärmer und daher beim Eigenkapital zu berücksichtigen sei, obwohl sich diese Ziele widersprechen können. Ökologisch muss nicht gleichzeitig risikoarm bedeuten. Wir müssen uns klar sein, dass wir gerade an einem kritischen Punkt stehen, an dem die Weichen für die nächsten Jahre gestellt werden. Die Pariser Ziele sind wichtig und nun ist es Aufgabe der Politik, auf globaler, europäischer und nationaler Ebene den Rahmen für diese zu definieren. Und wir müssen uns fragen, ob die Kapitalmarktregulierung wirklich der richtige Platz dafür ist und was beachtet werden muss, damit wir nicht geradewegs in die nächste Finanzkrise schlittern. Meines Erachtens sind dabei drei Punkte zentral:Erstens: Die Finanzmarktstabilität muss oberste Priorität bleiben und darf nicht politischen Zielen untergeordnet werden. Haben wir unsere Lektion aus der Finanzmarktkrise wirklich gelernt? Ursächlich war damals unter anderem das Ziel der US-Regierung, Menschen mit nicht ausreichendem Einkommen zu Immobilieneigentum zu verhelfen. In der Folge wurden komplexe Produkte verbrieft und über die Welt verteilt.Politische Ziele haben die strengen Kapitalmarktregeln damals aufgeweicht. Und auch heute wird wieder politisch versucht, unter anderem ökologische, soziale und ethische Punkte bis hin zu Gender-Fragen in die Regulierung zu implementieren. Dabei besteht die Gefahr, dass es nicht mehr allein um risikoarme oder risikoreiche Investments geht, sondern um gute oder böse. Wir müssen darauf achten, dass wir das primäre Ziel der Finanzstabilität nicht aus den Augen verlieren – unklare Regeln wären die Folge und der Grundstein für die nächste Blase wäre gelegt. Politische Kontrolle stärkenZweitens: Die politische Kontrolle unserer Finanzmarktregulierung muss gestärkt und darf nicht weiter geschwächt werden. Entscheidend ist, wer bei der Kreditvergabe zukünftig die Regeln vorgibt und deren Einhaltung kontrolliert. Schon mit der Einführung der europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) hat sich ein sehr bedenklicher Prozess der Kapitalmarktregulierung fortgesetzt, der sich immer mehr der demokratischen Kontrolle durch die Parlamente entzogen hat. Dem habe ich mich stets widersetzt.Jetzt erleben wir, dass immer mehr Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) Einfluss auf die Regulierung nehmen wollen. Sie definieren in Expertengruppen mit, was richtig und was falsch ist, und werden es auch durch ihre Organisationen überprüfen. Die Aufseher sind auf diese Aufgabenstellung auch gar nicht vorbereitet. Damit findet eine weitere Entkopplung der Regulierung von der Politik und der Aufsicht statt. Fachfremde Aspekte werden immer wichtiger.Außerdem wird der bürokratische Aufwand dramatisch steigen. Für jedes grüne Investment und jedes Unternehmen, das an diesem Markt teilnehmen möchte, bedeutet dies eine entsprechende Dokumentationspflicht. Die Banken werden die Vorgaben der Regulierung und der NGOs an die Unternehmen weitergeben. Diese müssen sie dann erfüllen.Ein unabsehbarer Wust an Daten wird die Folge sein. Wenn der Prozess so weitergeht, wird in zehn Jahren Mifid II als die letzte Deregulierungsmaßnahme der EU gefeiert werden. Hier muss bereits kritisch hinterfragt werden, was an Dokumentation erforderlich ist und was nicht, um die Wirtschaft nicht mehr als nötig zu belasten. Umbau der Volkswirtschaft Drittens: Mit dem Umbau der Finanzwirtschaft soll letztendlich der Umbau der gesamten Volkswirtschaft erfolgen. Die anstehende Transformation sollte aber wirtschaftlich und politisch begleitet werden. Wird künftig eine Bank mit einem grünen Label nur noch Bio-Bauern statt die gesetzeskonform produzierenden Landwirte finanzieren? Bekommt nur noch der Zulieferer für Elektromobilität oder auch der Dieselzulieferer den Kredit? Es kommt im Worst Case zu einem Transformationsprozess, der durch den Kapitalmarkt und somit durch fachfremde NGOs gesteuert wird, die dafür nicht die Konsequenzen zu tragen haben. Diese gehen dann zulasten der Politik, der Wirtschaft und letztlich des Endverbrauchers. Finanzsystem schützen Viele Finanzinstitute unterstützen diesen Prozess momentan. Das ist zu begrüßen. Doch wie so oft ist gut gemeint nicht immer gut gemacht. Entscheidend muss für uns sein, wo wir in zehn Jahren stehen. Kurzfristige Renditeerwartungen oder Imagegewinn sind sicherlich attraktiv, gleichzeitig darf der Prozess aber nicht falsch aufgesetzt werden und mittelfristig das System gefährden. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass es bei der Regulierung der Finanzmärkte ausschließlich um die finanzielle Nachhaltigkeit geht. Von Alexander Radwan.Der CSU-Politiker ist Mitglied des Bundestagsfinanzausschusses.