Grenzüberschreitende Unternehmensumwandlungen

Brüssel weckt vorsichtige Hoffnung auf Erleichterungen für die Praxis

Grenzüberschreitende Unternehmensumwandlungen

Dr. Hartwin BungertPartner im Düsseldorfer Büro von Hengeler MuellerTill WanslebenAssociate im Frankfurter Büro von Hengeler MuellerIn einer jüngsten Entschließung des Europäischen Parlaments findet sich die programmatische Aussage, die Mobilität von Unternehmen innerhalb der EU zu erleichtern und den Umstrukturierungsbedürfnissen der Unternehmen Rechnung zu tragen. Dies lässt sich auch in der Praxis beobachten: Es gibt ein weiter steigendes Bedürfnis von Unternehmen, sich grenzüberschreitend umzuwandeln oder zu restrukturieren. Gleichzeitig macht die Entschließung deutlich, dass auch zehn Jahre nach der Ermöglichung grenzüberschreitender Verschmelzungen innerhalb der Europäischen Union durch den EU-Gesetzgeber und der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten noch erhebliche gesetzgeberische Arbeit notwendig ist.Dass grenzüberschreitende Restrukturierungen innerhalb der Europäischen Union möglich sein müssen, gilt bereits seit einiger Zeit als geklärt. Für grenzüberschreitende Verschmelzungen existieren gesetzliche Bestimmungen in Deutschland und allen anderen Mitgliedstaaten, die auf einer europäischen Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen beruhen. Für grenzüberschreitende Spaltungen und Änderungen der Rechtsform fehlt es dagegen an gesetzlichen Bestimmungen in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene. Dass sie zulässig sein müssen, ergibt sich jedoch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes: Dieser hat in mehreren Urteilen entschieden, dass grenzüberschreitende Sachverhalte nicht schlechter behandelt werden dürfen als innerstaatliche Sachverhalte – grenzüberschreitende Umwandlungen also möglich sein müssen. Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof ausdrücklich bestätigt (Rechtssache Polbud/Wykonawstwo), dass die Niederlassungsfreiheit einer mitgliedstaatlichen Regelung zur Auflösung der Gesellschaft im Wegzugstaat bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel entgegensteht.Die Praxis etabliert Wege, wie solche grenzüberschreitenden Umstrukturierungen umgesetzt werden können, auch wenn es an entsprechenden Normen fehlt. Davon zeugen im Jahrestakt Entscheidungen deutscher Gerichte, die sich mit den jeweils heranzuziehenden Normen beschäftigen. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Formwechseln innerhalb eines Konzerns gibt es aus der Praxis – je nach involviertem Mitgliedstaat – von deutlichen Fortschritten zu berichten. Befriedigend ist der Zustand aber nicht. Grenzüberschreitende Spaltungen dagegen gestalten sich noch herausfordernder, auch wenn im materiellen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten in gewissem Umfang eine Harmonisierung durch die Spaltungsrichtlinie 1982 stattgefunden hat.Hier setzt eine Entschließung des Europäischen Parlaments von Juni dieses Jahres in Richtung der Europäischen Kommission und des Rates an. Das Europäische Parlament fordert eine Überarbeitung der Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen und betont dabei für die Praxis wichtige Punkte: Vereinfachung der Regelungen für mehr Rechtssicherheit und Beschleunigung des Verfahrens; weitere Harmonisierung des Rechtsrahmens; Erleichterung von Verschmelzungen innerhalb desselben Konzerns. Denn derzeit steht zwar bereits ein Instrumentarium für solche Verschmelzungen über die Grenze bereit. Sie sind aber mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Der europäische Gesetzgeber hatte sich damals mit einer grundsätzlichen Ermöglichung der Verschmelzung begnügt, die nationalen Besonderheiten den einzelnen Mitgliedstaaten aber belassen. Das führt etwa zu unterschiedlichen Rechten von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern je nach den involvierten (beiden) Rechtsordnungen. Mit einer weiteren Harmonisierung würde das Instrument daher deutlich attraktiver für die Praxis. Wichtig für die Praxis ist zudem, dass sich das Europäische Parlament auch für eine europäische Regelung für grenzüberschreitende Spaltungen einsetzt. Eine solche Rechtssetzungsinitiative soll sich nach Ansicht des Europäischen Parlaments an den Grundsätzen und Vorgaben orientieren, wie sie die Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen vorsieht. Dem grenzüberschreitenden Formwechsel widmet das Papier des Parlaments bedauerlicherweise keinen eigenen Abschnitt. In einem allgemeinen Teil stellt es aber heraus, dass “ein Rahmen festgelegt werden muss, der die Mobilität von Unternehmen auf europäischer Ebene umfassend regelt, um die Verfahren und die Vorgaben für Sitzverlegungen, Spaltungen und Verschmelzungen zu vereinfachen”. Die Initiative gibt vorsichtigen Grund zur Hoffnung, dass auf europäischer Ebene etwas Dynamik in die Entwicklungen kommen und womöglich in absehbarer Zukunft mit Entwürfen zu rechnen sein könnte, den derzeitigen unbefriedigenden Zustand bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen zu beenden. Weiteren Schwung könnte eine vor kurzem zu Ende gegangene Konsultation der Kommission bringen, bei der sie die Sichtweise der Praxis unter anderem auch zu Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln über die Grenze abgefragt hat. Dem europäischen Gesetzgeber ist zu empfehlen, dabei nicht auf den großen Wurf einer Mobilitätsrichtlinie, die sämtliche Umwandlungsformen regelt, zu warten, sondern sich der Themen Schritt für Schritt anzunehmen – so steigen die Umsetzungschancen. Für die Praxis wäre ein solcher Rechtsrahmen eine wichtige Hilfe.