Großbanken gehen volle Pulle in Digitalisierung
Frankfurts Großbanken forcieren die Digitalisierung des Kundengeschäfts. Die Sparkassen hinken hinterher.Von Björn Godenrath, FrankfurtRund 200 Mill. Euro steckt die Deutsche Bank in die Digitalisierung des kundennahen Geschäfts. Monatelang drang so gut wie nichts nach außen, und man fragte sich, ob die Blauen denn noch mal in die Pötte kommen bei diesem zentralen Zukunftsthema. Seit ein paar Tagen gelangen nun tröpfchenweise Details an die Öffentlichkeit. Zum einen sind zusammen mit Partnern aus der etablierten Technologiebranche Innovationslabors geplant, die in Berlin, London und Palo Alto angesiedelt sein sollen, heißt es. Was genau da stattfindet, darüber wird wohl kommende Woche Auskunft gegeben. Zum anderen ist ein Einzelprojekt bekannt geworden, das in der Vermögensverwaltung mit einem reinen Online-Ansatz an den Start gehen soll, um Start-ups aus der Fintech-Szene wie Betterment oder Easyfolio im beratungsfreien Geschäft besser Paroli bieten zu können. Ob dieses Projekt umgesetzt wird, soll im Januar entschieden werden.Für die Großbanken geht es darum, neue technologische Möglichkeiten von Big Data sowie der aus dem Boden sprießenden App-Industrie zu nutzen, um im digitalen Direktvertrieb Marktanteile gegen die Myriaden aus der Fintech-Szene zu verteidigen. Großbanken stellen wieder Mittel bereit für Inkubatoren und Venture-Capital-Investitionen – fast fühlt man sich zurückversetzt in die Tage des Neuen Marktes, als das Wagniskapital nur so sprudelte. Traditionell stemmen die Banken aber einen Großteil der IT-Entwicklung im eigenen Haus und satteln dann Fremdlösungen drauf – man denke nur an das Magellan-Projekt als Herzstück der Deutsche-Bank-IT.Bei der Commerzbank sind die digitalen Fähigkeiten Stück für Stück ausgebaut worden. Mit dem Jahreswechsel will das Mutterschiff der Gelben im Privatkundengeschäft voll direktbankfähig sein. Die jüngsten Zahlen deuten an, dass der Umbau der Bank vom Kunden angenommen wird, ohne dass die Filialen auf der Strecke bleiben. Bei der Commerzbank “läufts”, so das Echo der Finanzgemeinde auf Twitter.Dass die Großbanken spürbar in die Gänge kommen mit der Digitalisierung, ruft im Netz vereinzelt Häme hervor gegenüber den Sparkassen, bei denen man noch auf den großen Wurf wartet. 2013 hatte Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon zum Jahr der Digitalisierung ausgerufen und sich der Weiterentwicklung des Sektors zur “Sparkasse 2.0” verschrieben.Doch während im Hintergrund fleißig gewerkelt und den Apps der Sparkassen beste Qualität bescheinigt wird, fehlt bislang die inhaltliche Klammer für zentralisierte Funktionen und Angebote, welche die Sparkassen auf die nächste Stufe heben im beratungsfreien digitalen Direktvertrieb. Mehr als 200 Mill. Euro sollen in die Weiterentwicklung der Tools “Internet-Filiale 6.0” sowie das ausgebaute Kernbankensystem “OSPlusneo” investiert werden. Damit werden die Handlungsmöglichkeiten im Multikanal- und insbesondere im Direktvertrieb gestärkt. Direktvertrieb zentralisierenVerbandsintern ist der Schwenk hin zum Digitalen umstritten: Den einen geht das viel zu weit, den anderen alles nicht schnell genug. Insgesamt verfestigt sich aber der Eindruck, dass Fahrenschon langsam liefern muss mit einer kohärenten Marschrichtung für die Umsetzung des Multikanal-Modells. Dabei stehen die Sparkassen (wie alle anderen Banken auch) zunächst einmal vor der Hürde, neben der Technologie auch die Mitarbeiter für das neue Zeitalter zu ertüchtigen. Denn während ein Teil der Kundschaft auf verschiedenen Desktops (Smartphone, Laptop, iPad) für ihr Banking unterwegs ist, müssen die Vertriebler noch geschult werden für mindestens einen der Kanäle. Dass die Sparkassen zur Zentralisierung fähig sind, beweisen sie gerade mit der Bündelung von Regulierungsaufgaben. Doch neben der Schaffung interner Dienstleistungseinheiten in kundenfernen Bereichen sollten sich die Sparkassen auch mal einen Ruck geben und ein Stück Zentralisierung im direkten Kundengeschäft wagen. Warum nicht eine zum Verbund zählende Tochter wie die Direktbank DKB als Nukleus und erste Adresse für den Direktvertrieb hinstellen? Gewiss, hier entstünden handfeste Konflikte, wer welches Stück vom Kuchen kriegt, wenn Produkte über eine zentrale Plattform vertrieben werden. Dafür müsste sich aber ein Verteilungsschlüssel entwickeln lassen.Beispielhaft für das Zögern und Zaudern im Sparkassenlager ist das Hin und Her in Sachen deutsches Paypal. Nachdem sich die Mitglieder der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) endlich dazu durchgerungen hatten, ein gemeinsames Konkurrenzangebot im E-Commerce-Zahlungsverkehr auf die Beine zu stellen, scherten die Sparkassen aus. Nun wollen sie das Feld im Alleingang besetzen, halten sich aber das Hintertürchen offen, doch noch beim DK-Projekt mitzumachen. Die Zeit ist reif für Richtungsentscheidungen im Sparkassenlager.