Großbritanniens europäische Rivalen holen auf

Studie: Deutschland und Frankreich bauen Marktanteil bei ausländischen Direktinvestitionen in die Finanzbranche deutlich aus

Großbritanniens europäische Rivalen holen auf

hip London – Großbritannien hat im vergangenen Jahr zwar bei ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in die Finanzbranche die Spitzenposition in Europa gehalten. Die Rivalen Deutschland und Frankreich bauten ihren Marktanteil einer aktuellen Studie von Ernst & Young (EY) zufolge aber deutlich aus (siehe Grafik). Geht es um Projekte im Bereich professionelle Dienstleistungen, hat Deutschland das Vereinigte Königreich bereits überrundet. Vor dem Hintergrund eines wachsenden europäischen Markts ging die Zahl der britischen Projekte im Bereich Finanzdienstleistungen um 26 % zurück. Im Bereich professionelle Dienstleistungen schrumpfte die Zahl der Projekte um 10 %. Bei den Projekten in der digitalen Wirtschaft ist der Abstand größer. Allerdings sank der britische Marktanteil von 30 % auf 27 %, während Frankreich einen Zuwachs von 5 Prozentpunkten auf 15 % verzeichnete.Ein Teil der steigenden FDI in der Finanzbranche auf dem Kontinent dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass internationale Finanzdienstleister, die bislang London als Tor zu Europa nutzten, durch Großbritanniens EU-Austritt gezwungen sind, Niederlassungen in der EU zu eröffnen. Die juristischen Nebenwirkungen des Brexit sind mit zum Teil erheblichen Kosten verbunden. Die Verfasser des EY Attractiveness Survey UK haben jedoch Anzeichen dafür ausgemacht, dass die mittel- und langfristige Anziehungskraft des Vereinigten Königreichs für FDI in Gefahr ist. “Großbritannien ist eine Volkswirtschaft im Übergang”, schreiben sie. “Die Bewegung in Richtung Brexit und die sich beschleunigende digitale Revolution gestalten die Landschaft neu.” Attraktivität lässt nachDer Anteil der Investoren, die in den kommenden zwölf Monaten in Großbritannien investieren wollen, sei zwar mit 24 % stabil geblieben. Aber mehr als ein Drittel (36 %) der Befragten geht davon aus, dass die Attraktivität des Landes als Investitionsstandort in den kommenden drei Jahren nachlassen wird. Allerdings wollten nur 8 % ihre Aktivitäten im Vereinigten Königreich in diesem Zeitraum zurückfahren. Immerhin 30 % gaben an, dass sie der Brexit dazu veranlassen könnte, Assets außer Landes zu bringen. “Alles in allem ist die Zahl der britischen FDI-Projekte im vergangenen Jahr um 6 % gestiegen. Es besteht das reale Risiko, dass die stabile Performance von Großbritannien den Umstand verschleiert, dass das Land Wachstumschancen vergibt”, schreiben Mark Gregory, der EY-Chefvolkswirt für Großbritannien, und Steve Varley, der britische Chairman der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft, im Vorwort der Untersuchung. Tatsächlich bringt die Offenheit der britischen Wirtschaft mit sich, dass sie anfällig für Verhaltensänderungen ausländischer Investoren ist. Dem jüngsten Finanzstabilitätsbericht der Bank of England zufolge beliefen sich die “externen Verbindlichkeiten” des Landes zuletzt auf 433 % des Bruttoinlandsprodukts. Dem stehen wesentliche Investitionen britischer Anleger im Ausland gegenüber (418 % des BIP). Zwischen 2012 und 2015 verkauften ausländische Investoren britische Assets, während sich britische Investoren noch schneller von ausländischen Vermögenswerten trennten. Diese Trends haben sich seitdem umgekehrt. Der gestiegene Risikoappetit an den Finanzmärkten sorgte dafür, dass Ausländer 2017 britische Assets in einem Volumen aufsammelten wie zuletzt 2010.