Große Bedenken gegen Börsenfusion
Die EU-Kommission hat eine lange Liste mit Bedenken gegen die geplante Fusion von Deutscher Börse und der London Stock Exchange (LSE) präsentiert. Wie erwartet, leitet die Brüsseler Wettbewerbsbehörde jetzt eine vertiefte Prüfung des Zusammenschlusses ein. Die LSE kündigte bereits Zugeständnisse an.ahe/ck Brüssel/Frankfurt – Der geplante Zusammenschluss der Frankfurter und der London Stock Exchange (LSE) stößt wie erwartet auf Bedenken in der Europäischen Kommission. Die Finanzmärkte spielten eine wesentliche Rolle für die europäische Wirtschaft, erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. “Wir müssen dafür sorgen, dass die Marktteilnehmer auch weiterhin zu wettbewerbsfähigen Konditionen auf Finanzmarktinfrastruktur zurückgreifen können.”Die gut 25 Mrd. Euro schwere Fusion von Deutscher Börse und LSE wird daher einer vertieften Prüfung unterzogen. Eine solches Verfahren kann bis zu 90 Arbeitstage dauern. Das heißt, dass Vestager und ihr Team jetzt bis zum 13. Februar des kommenden Jahres Zeit haben, einen Beschluss zu fassen. Der letzte Fusionsversuch der Deutschen Börse – damals mit der New York Stock Exchange (Nyse) – war 2012 am Veto der EU-Kommission gescheitert.Anders als damals listeten die Brüsseler Wettbewerbshüter bereits jetzt nach Abschluss des Vorprüfverfahrens mögliche kritische Punkte in sechs Themenbereichen auf. Ganz oben auf dieser Bedenkenliste steht die geplante Verschmelzung einiger der größten Clearinghäuser in Europa. Die Kommission verweist darauf, dass das fusionierte Unternehmen über den weltweit größten Pool an Sicherheiten (Margin) von dann 150 Mrd. Euro verfügen würde. Dies könne bei Anleihen, Derivaten und Rückkaufsvereinbarungen (Repos) möglicherweise den Wettbewerb ausschalten. LSE reagiert promptAuch könnten konkurrierende Handelsplätze, die auf die Dienste der Clearinghäuser der LSE angewiesen seien, sowie Wettbewerber in verschiedenen Post-Trade-Märkten (Verwaltung, Abwicklung und Verwahrung von Sicherheiten) beeinträchtigt werden.Die LSE schien diesen Einwand aus Brüssel erwartet zu haben und reagierte prompt mit einem strukturellen Zugeständnis: Die Londoner kündigten an, möglicherweise das französische Abwicklungshaus Clearnet zu verkaufen, das zur Tochter LCH Group gehört. Damit wolle man in Brüssel “proaktiv fusionskontrollrechtliche Bedenken der Europäischen Kommission im Hinblick auf bestimmte Geschäftsbereiche adressieren”, hieß es. Einen Verkauf machte die LSE allerdings vom erfolgreichen Vollzug des Zusammenschlusses mit der Deutschen Börse abhängig. An Clearnet hatte bereits die Mehrländerbörse Euronext Interesse angemeldet.Die EU-Kommission listete allerdings auch noch weitere Bedenken auf, unter anderem im Derivategeschäft. Sie verwies darauf, dass die zur Deutschen Börse gehörende Eurex der weltweite Marktführer bei börsengehandelten langfristigen Zinsderivaten sei, während die LSE-Tochter Swapclear der mit Abstand größte Akteur beim Zinsderivate-Clearing im außerbörslichen Bereich sei. Beide Unternehmen stünden aber auch im direkten Wettbewerb zueinander. Der geplante Zusammenschluss könne darüber hinaus zu einer monopolartigen Stellung bei Einzelaktien-Futures und -Optionen führen, denen italienische Wertpapiere zugrunde lägen. Hier seien die Unternehmen die einzigen Wettbewerber. “Verlust an Wettbewerb”Einen “erheblichen Verlust an Wettbewerb” befürchtet die Brüsseler Behörde im Bereich der börsennotierten deutschen Aktien, da hier zwei der drei größten Handelsplätze zusammengelegt würden. Auch bei den börsengehandelten Produkten, wie etwa den immer beliebteren börsengehandelten Fonds (ETP), sehen die Wettbewerbshüter nach der vorläufigen Prüfung negative Folgen, ebenso bei Rückkaufvereinbarungen (Repos), bei denen die beiden Börsenbetreiber bei einer bestimmten Art die einzigen Anbieter von Clearingdiensten sind.Die EU-Kommission kündigte an, in der vertieften Prüfung auch weitere Märkte genauer zu analysieren. Hierzu gehörten unter anderem die internationale Notierung von außereuropäischen Firmen und der elektronische Händler-zu-Händler-Handel mit deutschen Staatsanleihen.