GASTBEITRAG

Grün ist nicht gleich grün

Börsen-Zeitung, 6.4.2018 "Grüne Finanzinstrumente" sind in Mode, aber nicht immer gleich gut. Der Emissionserlös soll Investitionen in erneuerbare Energien und andere umweltfreundliche oder gesellschaftsdienliche Zwecke finanzieren. Investoren sind...

Grün ist nicht gleich grün

“Grüne Finanzinstrumente” sind in Mode, aber nicht immer gleich gut. Der Emissionserlös soll Investitionen in erneuerbare Energien und andere umweltfreundliche oder gesellschaftsdienliche Zwecke finanzieren. Investoren sind Kapitalgeber, die speziell ethisch korrekte Investments suchen. Und deren Interesse steigt mit zunehmenden “Grad der Grünheit”. Doch wie grün ist dann tatsächlich das Grün? Keine einheitlichen KriterienNach mehr als einer Dekade Green Financing gibt es noch immer keine einheitlichen Kriterien für die Einschätzung einer Finanzierung als “grün”. Zahlreiche Zertifizierer bieten Orientierungshilfe, wobei zwar ähnliche, aber in vielen Einzelpunkten unterschiedliche Bewertungsansätze genutzt werden. In deren Rahmen können Unternehmen ihre grüne Leistungsfähigkeit und die entsprechende Einschätzung durch den Markt in gewissem Maße beeinflussen.Die Basis von grünen Finanzierungen ist die Verwendung des aufgenommenen Kapitals. Die Stärke der “Grünfärbung” richtet sich nach dem konkreten Einsatz und vor allem der dauerhaften Wirkung der angekündigten positiven Effekte. Green Financing lässt sich in vielen Bereichen realisieren. Doch nicht jedes Projekt ist gleich grün. Die Qualität eines Projektes hängt entscheidend davon ab, in welchem Bereich und in welcher Konzeption es umgesetzt wird. So entsprechen zum Beispiel Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien fast perfekt dem Gedanken des Klimaschutzes. Doch können auch negative Effekte davon ausgehen wie beim Bau großer Staudämme auf die biologische Vielfalt.Ebenso sind Energieeffizienzprojekte häufig sinnvoll. Doch kann der anfängliche Klimavorteil schon mittelfristig zum Nachteil werden, wenn ein Projekt mit langer Lebensdauer die Treibhausgasemissionen sogar insgesamt erhöht: Zum Beispiel könnte ein geringerer Heizenergieverbrauch pro Quadratmeter in Gebäuden dazu führen, dass bei gleichbleibenden Energiepreisen die Raumtemperatur angehoben wird. Dann ist die meist lange Lebensdauer von Gebäuden aus grüner Sicht Fluch und Segen zugleich. Recycling als Best PracticeDer Fokus auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist wichtig im grünen Sinne. Doch basiert auch der ÖPNV noch wesentlich auf fossilen Brennstoffen. Gute Wirkung hat in der Regel die Elektrifizierung von Transportmitteln ohne zusätzlichen Landverbrauch bei gleichzeitiger Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien. Und die Verbrennung von (Rest-)Müll mit Energierückgewinnung anstatt Verbrennung petrochemischer Rohstoffe ist eine vergleichsweise umwelt- und klimaverträgliche Praxis zur Verringerung der Deponierung. Die beste Praxis für Abfallprojekte konzentriert sich aber auf das Recycling.Grün ist nicht gleich grün. Eine belastbare Bewertung von Green-Financing-Vorhaben ist aber möglich mit der Einschätzung der Projektqualität, der Projektstruktur, dem Projektmanagement und der Projekttransparenz. Renommierte Agenturen liefern hierzu eine objektive Entscheidungshilfe. Die wichtigste Einflussgröße beim Green Financing ist die unternehmerische Einstellung zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Diese Einstellung prägt die Gestaltung des Vorhabens und die individuelle Wahrnehmung der Nachhaltigkeitsleistung von außen. Stellschraube ist zum Beispiel die Auswahl und die Organisation der Projekte. Dazu gehört auch die exakte Abgrenzung des Projektes und der daraus resultierenden Kapitalflüsse gegenüber der sonstigen Geschäftstätigkeit des Unternehmens, um das Green-Financing-Vorhaben nicht zu “kontaminieren”. Laufende BerichterstattungZu einer überzeugenden Darstellung des Projektes gehört eine Kosten-Nutzen-Analyse, um die Vorteile für das Unternehmen als Kapitalnehmer zu präsentieren und vor allem die Vorteile für die Umwelt. Und das Transparenzgebot wird erfüllt, wenn sich der anfänglichen Präsentation und Erklärung des Vorhabens eine laufende Berichterstattung über die Entwicklung dieses Vorhabens anschließt. Den Erfolg von Green Financing haben also die Unternehmen zum großen Teil selbst in der Hand.—-Hans-Werner GrunowGeschäftsführer der Unternehmensberatung Capmarcon