Gründen, investieren, expandieren!

Was Unternehmer jetzt unternehmen sollten

Gründen, investieren, expandieren!

Dr. Andre CarlsVorsitzender des Bankenverbands Nordrhein-WestfalenUnd plötzlich gibt es wieder ein Autokino in Düsseldorf. Mitten in einer der größten Wirtschaftskrisen tauchen sie überall auf, diese vermeintlichen Relikte längst vergangener Zeiten, und erleben einen – zumindest vorübergehenden – Boom. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass in jeder Krise eine Chance steckt, dann ist er hier zu besichtigen. Denn bei allen Sorgen und Problemen, die Corona und seine Folgen bei der Wirtschaft auslösen, ist jetzt auch die Zeit für Optimismus. Und ein guter Zeitpunkt, sein Unternehmen fit für die Zukunft zu machen oder sich vielleicht sogar völlig neu zu aufzustellen. Denn die gute Nachricht ist: Die Wirtschaft wird sich auch wieder erholen.Wer nicht so recht wusste, was denn unter einer “Disruption” zu verstehen ist, nun, gerade erleben wir eine. Diese Krise wird die Wirtschaft weltweit fundamental verändern, Geschäftsmodelle, Prozesse, Strukturen, Lieferanten- und Kundenbeziehungen, alles steht auf dem Prüfstand, und wahrscheinlich wird nichts so bleiben, wie es war. Krisen wirken als Beschleuniger der Evolution, sie verstärken Trends, positive wie negative. An die Hoffnung “Nach Corona kehren wir zur Normalität zurück” sollte sich kein Unternehmer klammern, denn noch weiß niemand, wann “nach Corona” sein wird, und die Normalität wird auch eine andere sein. Wer noch dabei sein möchte, sollte sich gut vorbereiten, alte Strukturen hinterfragen und neue Wege beschreiten.Als großes Asset haben sich auch die langjährigen Geschäftsbeziehungen zwischen Banken und Mittelstand erwiesen, die Bedeutung der Banken für die deutsche Wirtschaft hat sich in der Krise eindrucksvoll gezeigt. In nur wenigen Wochen wurden Tausende Kreditanträge in Zusatzschichten und aus dem Homeoffice heraus abgearbeitet. Mit ihren zahlreichen Liquiditätshilfen hat die Politik schnell und richtig auf den “Coronaschock” reagiert und der Wirtschaft Zeit verschafft, sich auf die neue Situation einzustellen. Aufgrund der fast zehnjährigen Wachstumsphase zeichnet sich die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen durch ihre Eigenkapitalstärke und gute Liquiditätsausstattung aus. Nicht in allen Unternehmen herrscht daher Krisenstimmung, vielerorts reden Bankberater mit ihren Kunden weiterhin über ganz normales Kreditgeschäft und nicht über Notprogramme. Es gibt sogar Unternehmen, die jetzt ihr Geschäftsmodell ausbauen oder neue Märkte erschließen. Nicht zuletzt werden auch Opportunitäten genutzt, durch Übernahmen oder Zukäufe das eigene Portfolio zu erweitern oder Lieferketten zu integrieren, indem man Zulieferer aufkauft und damit die eigene Fertigungstiefe stärkt.Aus dieser Position der Stärke könnte sogar ein Wettbewerbsvorteil entstehen. Der Eindruck, die globalen Lieferketten seien – unter anderem wegen geschlossener Grenzen – komplett zusammengebrochen, täuscht. Auch das Exportgeschäft läuft, wenngleich auf niedrigerem Niveau, weiter. Es gab häufig nur kurzzeitige Unterbrechungen, die Verbindungen hielten größtenteils. Einige Unternehmen mussten allerdings mit viel Ideenreichtum neue Wege finden. Die Abhängigkeiten von einzelnen Regionen traten hervor und haben zu einer Diskussion über das Zurückholen von Produktion ins eigene Land geführt. Das Gegenteil wird aber der Fall sein: Die durch Corona notwendige Diversifizierung der Lieferketten wird zu mehr Globalisierung führen, um die Produktion in mehrere Regionen zu verteilen und damit Ausfälle besser abfedern zu können. So wird auch die Bedeutung von 3-D-Druckern zunehmen, weil diese helfen, bestimmte Dinge direkt vor Ort zu produzieren, anstatt sie dahin zu transportieren.Gefragt sind also Innovation, Effizienz und Flexibilität – und Mut für neues Denken. Das ist eigentlich eines der Erfolgsgeheimnisse gerade des Mittelstands. Wie schnell vieles umsetzbar ist, was vorher als nicht machbar erschien, hat sich durch die Coronakrise gezeigt: Binnen weniger Tage hatten viele Unternehmen einen Großteil ihrer Belegschaft im Homeoffice und bisherige Strukturen und Prozesse so angepasst, dass es kaum zu Ausfällen oder Beeinträchtigungen kam. Es zeigt sich, dass das Geschäftsleben auch ohne Dienstreisen weitergeht. Derartige Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, sie zeigen aber eines ganz klar: Es geht auch anders als bisher. Und das ist das beste Argument, die Modernisierung der deutschen Wirtschaft jetzt voranzutreiben. Nicht nur Kosten senken, sondern in die Zukunft investieren, ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung müssen deutlich erhöht werden. Hier sind die Unternehmen gefordert, die Politik könnte darüber hinaus durch entsprechende Anreize die Bereitschaft dazu fördern.Die Digitalisierung hat durch Corona ihre erste Bewährungsprobe erfahren. Auch wenn bisher so weit alles gut funktioniert hat, werden bei genauerer Betrachtung die Defizite sichtbar: Breitband- und 5G-Ausbau müssen noch erheblich beschleunigt werden. Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit Digitalisierung beschäftigt haben, sind eindeutig im Nachteil. Es geht nicht mehr um die Frage, “ob” Digitalisierung notwendig ist, sondern “wie” schnell man digitalisieren kann. Das ist für die künftige Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft essenziell, hier müssen wir rasch aufholen. Die Digitalisierung wird der Game Changer und Motor der weiteren Entwicklung sein, das zeigt allein schon die rasante Verbreitung von Videokonferenztools und Bildungsplattformen. Online vernetzte Wertschöpfungsketten, die Nutzung von Big Data und künstlicher Intelligenz sowie die Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen sind unverzichtbar.Von diesem Zwang zum Fortschritt werden auch Start-ups profitieren. In der Krise sind vor allem gute Ideen gefragt, um Neues aufzubauen oder Bewährtes weiterzuentwickeln. Gründern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, es wäre daher wünschenswert, weitere Förderprogramme für sie zu schaffen. Unternehmen sollten diese Innovationstreiber ebenso für ihre Transformation insbesondere bei der Digitalisierung oder der Implementierung nachhaltiger Prozesse in ihre Geschäftsmodelle für sich nutzen. Besonders im Bereich Nachhaltigkeit wird die Fähigkeit zum Wandel erforderlich sein, hier lockt allerdings auch ein immenses Innovationspotenzial. Mit dem Green Deal der Europäischen Kommission ist eines der größten Konjunkturprogramme weltweit gestartet worden. Für alle diese Entwicklungen bietet Düsseldorf ein gutes Umfeld. Die Region ist gemessen am BIP das größte Wirtschaftszentrum Deutschlands und mitten in Europa so international vernetzt wie kaum ein anderer Standort. Die Landeshauptstadt steht mit ihrer japanischen und chinesischen Community, den meisten Unternehmen der Telekommunikations-, Rechtsberatungs- und Werbebranche sowie einem hohen Anteil an Industriebetrieben an führender Stelle. Die Zahl ausländischer Unternehmen hat sich in den vergangenen fünf Jahren im IHK-Bezirk um gut 25% erhöht, knapp 14000 der rund 80000 Unternehmen in der Region sind in ausländischem Besitz. Auch für Start-ups und zunehmend für Fintechs ist die Stadt am Rhein ein attraktiver Standort: eine gute Verkehrsinfrastruktur, eine vielfältige Forschungslandschaft, und vor allen Dingen mit dem Ballungsraum Ruhrgebiet der größte Kundenstamm direkt vor der Haustür. Das Amt für Wirtschaftsförderung zählt über 220 Finanzinstitutionen mit Hauptsitzfunktion allein in Düsseldorf auf.Die privaten Banken in der Landeshauptstadt stehen den Unternehmen nicht nur als Krisenberater, sondern auch bei der weiteren Unternehmensentwicklung als Finanzierungspartner zur Seite, sie sind ein wesentlicher Teil der Lösung. Von den rund 70 im Bankenverband Nordrhein-Westfalen organisierten privaten Kreditinstituten haben 26 ihren Sitz in der Landeshauptstadt, 19 davon gehören zu einer ausländischen Muttergesellschaft. Die Internationalität des Wirtschaftsstandorts spiegelt sich in der Bankenstruktur wider. 90% der Exportfinanzierung – und damit 10% mehr als im Bundesdurchschnitt – laufen über die Konten privater Banken, für das Geschäft mit Firmenkunden ist Nordrhein-Westfalen der wichtigste Handelsplatz. Bei den Megathemen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Modernisierung ist die Finanzwirtschaft in NRW bestens aufgestellt. Auch wenn die Auswirkungen von Corona bisher nur in Ansätzen sichtbar werden, rechnen unsere Mitgliedsinstitute mit wesentlichen Veränderungen in der Kreditfinanzierung. Bonitäts- und Risikomodelle bedürfen einer Anpassung.Es wird jetzt darum gehen, die richtigen Weichen zu stellen. Das heißt, vor allem in zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu investieren. Kredite, Zuschüsse oder Stundungen, wie sie zur Liquiditätssicherung am Anfang notwendig waren, werden nicht ausreichen, die deutsche Wirtschaft durch die Krise zu führen. Allein werden die Unternehmen diese Herausforderung nicht schaffen können, weil vieles vom Verlauf der globalen Rezession und Pandemie abhängt, mit vielen Faktoren, auf die die Wirtschaft keinen Einfluss hat und die eher zur Verunsicherung führen. Umso wichtiger ist die zielgenaue Unterstützung durch den Staat mit eigenkapitalstärkenden Maßnahmen, damit die Unternehmen dauerhaft handlungs- und widerstandsfähiger werden. Eine Erfahrung aus der Krise ist, dass alle Akteure eng zusammengearbeitet haben, dadurch konnte vieles erreicht werden, um die Krise besser meistern zu können. Dieses Momentum sollte beibehalten und auch für dringend notwendige europäische Lösungen genutzt werden. Denn eine der wesentlichen Lehren aus Corona ist: Diese Krise hat das Potenzial für ein “Wirtschaftswunder 2.0”.