Grüne Anlagen könnten 2024 dominieren

Zuflüsse in nachhaltige Assets haben sich seit Pandemiebeginn verstärkt - Strategy& skizziert Szenarien für deutschsprachigen Raum

Grüne Anlagen könnten 2024 dominieren

Wie sich nachhaltige Investments weiter entwickeln werden, hängt vor allem davon ab, wie Regulatoren und Gesetzgeber die Kriterien für grüne Anlagen definieren und wie viel Raum sie für konventionelle Investments lassen. Dazu hat Strategy& drei Szenarien für den deutschsprachigen Raum bis 2024 entworfen.Von Christiane Lang, FrankfurtNachhaltige Investments haben in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum erlebt. In der DACH-Region, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, haben institutionelle Anleger ihre ESG-fokussierten Anlagen zwischen 2017 und 2019 auf 576 Mrd. Euro mehr als verdreifacht, die Privatkunden haben die entsprechenden Volumina auf 252 Mrd. Euro sogar mehr als vervierfacht. Insgesamt liegen per Ende 2019 damit 828 Mrd. Euro in nachhaltigen Anlagen. Dies unterstreiche, dass ESG mittlerweile im Mainstream angekommen sei, heißt es in der Studie “Finding a sustainable path through the ESG jungle – How asset managers will succeed” von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Vorreiter Schweiz Seit der Coronakrise haben sich die Zuflüsse in ESG-Investments nochmals beschleunigt. Nach Zahlen von BlackRock sind im ersten Quartal 2020 weltweit 40,5 Mrd. Dollar in nachhaltige Publikumsfonds geflossen, das entspricht einem Plus von 41 % im Vergleich zur gleichen Vorjahreszeit. Zugleich verzeichneten konventionelle Fonds Abflüsse. Die Anleger seien sensibilisiert und würden der langfristigen Nachhaltigkeit ihrer Portfolios immer mehr Aufmerksamkeit schenken, schreiben die Studienautoren weiter. Innerhalb der DACH-Region liegt die Schweiz in Sachen Nachhaltigkeit derzeit vorn. Der Studie zufolge entfallen 75 % der ESG-Investments auf das Alpenland. Das liegt laut Utz Helmuth, Director bei Strategy& und Co-Autor der Studie, daran, dass es inzwischen einen Nachfrageboom bei Privatkunden gebe, die lange zögerlicher waren als Institutionelle, und die Schweiz eben ein sehr großes Geschäft mit vermögenden Kunden habe.Zum anderen seien die Schweizer Banken deutlich offensiver in der Vermarktung von ESG-Anlagen als die deutschen oder österreichischen. Insgesamt werde sich das Wachstum von ESG-Anlagen kräftig fortsetzen. “Nachhaltiges Investieren ist Mode- und Megatrend zugleich”, betont Robert Bischof, Partner bei Strategy& und ebenfalls Co-Autor der Studie. “Das klingt widersprüchlich. Aber wenn der derzeitige Hype abklingt, bleibt Nachhaltigkeit ein Megatrend, das lässt sich nicht mehr zurückdrehen.”Vor allem von den Regulierungsstandards wird es nach Ansicht von Bischof und Helmuth abhängen, wie sich das Volumen nachhaltiger Anlagen entwickelt. Die Experten haben nun drei Szenarien für den Anteil der ESG-Assets am gesamten verwalteten Vermögen in der DACH-Region bis zum Jahresende 2024 entwickelt. Dabei sind jeweils unterschiedliche Regulierungsgrade und Definitionen für ESG-Investments berücksichtigt worden.Unter der Annahme, dass die EU-Standards noch genügend Raum und Anreize für konventionelle Investmentstrategien lassen, werden die ESG-Anlagen bis 2024 der Studie zufolge zwar weiter wachsen, aber nicht oder nur leicht überproportional. Ihr Anteil an den dann auf 6,9 Bill. Euro geschätzten gesamten Assets in der Region wird damit nicht oder nicht besonders stark zulegen und dem Szenario zufolge bei 15 % bis 20 % liegen. 2019 betrug der Anteil der ESG-Investments an den insgesamt in der DACH-Region verwalteten Vermögen in Höhe von rund 5,5 Mrd. Euro etwa 15 %.Für das zweite Szenario legen die Studienautoren die Annahme zugrunde, dass für institutionelle Investoren starke Anreize für ESG-Investments gesetzt werden und der öffentliche Druck auf die Anbieter, eine breite, taxonomiekonforme Angebotspalette bereitzuhalten, groß ist. In dem Fall wird gegenüber 2019 mit einer Verdopplung des Anteils nachhaltiger Anlagen auf etwa 30 % gerechnet. Zur dominierenden Assetklasse mit einem Anteil von rund 55 % an den gesamten Assets under Management könnten ESG-Anlagen laut Strategy& werden, wenn Nachhaltigkeit “das neue Investmentparadigma” werde und institutionelle Anleger durch die Regulierung gezwungen würden, in ESG-Anlagen zu investieren. Zwei Extrem-PoleDie Assetmanager stehen der Studie zufolge vor der großen Herausforderung zu entscheiden, wie sie ihr Geschäftsmodell mit Blick auf ESG-fokussierte Anlagen aufbauen. Strategy& sieht zwei Extrem-Szenarien: auf der einen Seite ein Geschäftsmodell, das sich an den Mindeststandards für nachhaltige Anlagen orientiert, also der minimalistische Weg, und auf der anderen Seite die starke Fokussierung auf Nachhaltigkeit, der idealistische Anbieter.”Natürlich wird jeder Wettbewerber die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Und es wird wahrscheinlich immer ESG-Skeptiker geben, die weiterhin konventionelle Anlagen präferieren, sofern damit Geld zu verdienen ist”, meint Helmuth. “Solche minimalistisch agierenden Player werden in der Öffentlichkeit aber immer stärker unter Druck geraten. Das ist ein Reputationsrisiko, aber auch das Risiko, sich in einer absoluten Nische zu bewegen.” Es sei heute schon erkennbar, dass die Investoren nicht nur aus Gründen des Umwelt- oder Sozialbewusstseins in nachhaltige Anlagen gingen, sondern um langfristige Risiken in ihren Portfolien zu minimieren. “Eine solche Nischenstrategie, die ESG radikal negiert, aber ist sehr volatil und riskant.”Eine derart minimalistische ESG-Strategie ebenso wie das konträre Geschäftsmodell, also die Fokussierung auf ESG-Anlagen, können Helmuth zufolge nur sogenannte Produktinnovatoren fahren, also solche Anbieter, die auf eine Spezialisierung oder Nischen im aktiven Geschäft setzen. Die übrigen Assetmanager-Kategorien – das sind die reinen Skalen-Player, die im niedrigmargigen Geschäft tätig sind und Profitabilität über die Skalierbarkeit des Geschäfts erreichen, die Wertschöpfungsketten-Integratoren, die ihre Dienstleistungspalette entlang der Wertschöpfungskette erweitern, und sogenannte Netzwerk-Monopolisten, also Assetmanager, die zu einem Bank- oder Versicherungskonzern gehören – sollten sich dagegen nicht auf einem der Extrem-Pole positionieren.