PARADIGMENWECHSEL

Grüne Investitionsruinen

Desertec steht stellvertretend für das Scheitern gehypter Energieprojekte

Grüne Investitionsruinen

Von Björn Godenrath, FrankfurtSaubere Energie war schon vor Jahrzehnten ein Trendthema. Mittelständische Solarfirmen hatten sogar schon seit Mitte der neunziger Jahre vor allem regional Formen der regenerativen Energie erkundet und dabei eine Nische für umweltbewusste Bürger geschaffen, die Sympathie für Greenpeace hegen. Zwar war die Einspeisevergütung noch nicht hoch genug, um eine Anlage auf dem Dach ökonomisch sinnvoll zu gestalten, aber viele nahmen das gerne in Kauf, um für sich grünen Strom zu produzieren, der zwar zwangsweise ins Netz eingespeist werden musste, aber damit zum Auftakt für den Wandel im Energiemix beitrug.Ab 2005 fanden dann Börsengänge von Solarfirmen statt, die neben privatem Kapital auf staatliche Fördergelder hoffen durften und schon ein deutlich größeres Rad drehten, so auch die Erlanger Solar Millennium, die auf solarthermische Kraftwerke setzte. Diese Technologie versprach einen hohen Wirkungsgrad bei einer Energieproduktion in industriellem Maßstab. Allerdings blieben die Bauteile bei geringen Stückzahlen vergleichsweise teuer, was die Story der Solarthermie 2011 platzen ließ: Solarmodule waren dank chinesischer Massenproduktion kräftig im Einkaufspreis gesunken, was selbst Solar Millennium dazu veranlasste, bei einem US-Kraftwerksprojekt Solarmodule zu verbauen, anstatt wie geplant Solarthermie-Kraftwerke zu bauen. Das zog Prospektänderungen an einer 100-Mill.-Euro-Anleihe nach sich, mit dem bitteren Ergebnis, dass die Emission gestoppt werden musste. Ende 2011 meldete das Unternehmen, das 2010 noch Utz Claassen für ein Intermezzo verpflichtet hatte, Insolvenz an. Alles auf SolarthermieSolarthermie stand auch im Fokus der von deutschen Konzernen getragenen Desertec Industrial Initiative (DII), die Teil von Desertec war, eine Stiftung zur Erzeugung von Ökostrom an energiereichen Standorten für lokalen Verbrauch sowie Übertragung in andere Regionen mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). In Deutschland herrschte damals Solar-Euphorie, und mitten hinein platzte im Juli 2009 eine Meldung der Munich Re, der zufolge ein Dutzend deutscher Konzerne gewaltige Summen in die Erzeugung von afrikanischem Wüstenstrom nebst Transport ins kalte Europa investieren wollte. Satte 400 Mrd. Euro sollten über 40 Jahre investiert werden, damit 15 % des europäischen Strombedarfs aus der Wüste gespeist würden.Die deutsche Öffentlichkeit war elektrisiert: Da ist die Lösung für das Energieproblem der westlichen Welt, die Ingenieure werden es schon hinkriegen, Strom aus politisch instabilen Ländern ohne Leitungsverluste nach Europa zu bringen, war der Tenor – im Hype geht schon mal der Verstand verloren.Kritische Stimmen zu Umsetzungsproblemen wurden gerne überhört, die Planungsgesellschaft nahm ihre Arbeit auf. Innerhalb von drei Jahren sollten die Investitionspläne stehen für das Moonshot-Projekt der deutschen Wirtschaft. Erste Risse zeigten sich dann in der operativen Führung von Desertec: Während Geschäftsführer Paul van Son behutsam vorgehen wollte bei der Errichtung von ersten Projekten, drang Co-Chefin Aglaia Wieland auf schnelle Umsetzung, um die Machbarkeit zu demonstrieren – was sicher gut gewesen wäre. Wieland zog den Kürzeren im Machtkampf mit van Son, der dann den Niedergang der Desertec-Initiative verantworten durfte.Da sich Solarthermie, auf welche die deutsche Industrie mit Siemens und Schott an der Spitze gesetzt hatte, als Technologieverlierer entpuppte, sank das Engagement schlagartig. Siemens verabschiedete sich 2014 komplett von der Solarthermie, und dann beendete ein Mitglied nach dem anderen seine Zugehörigkeit zur DII. Heute ist Desertec nur noch ein Mini-Projekt mit Sitz in Dubai. Glücklicherweise war der Technologiewettbewerb so schnell entschieden, dass keine Milliarden versenkt wurden. Vom Wüstenstrom-Import spricht heute niemand mehr.