GASTBEITRAG ZUR SERIE: NACHHALTIGKEIT IM FINANZSEKTOR (TEIL 11) - DER FINANZSEKTOR WIRD GRÜNER

Grüne Investments machen graue Kapitalmarktprodukte nicht sicher

Börsen-Zeitung, 30.1.2018 Diese Definition ist unstrittig: Grau und Grün sind Farben. Was dagegen grüne Investments und der graue Kapitalmarkt sind, ist weit weniger genau festgelegt. Gleichwohl lässt sich wohl eine Einigkeit darüber erzielen, dass...

Grüne Investments machen graue Kapitalmarktprodukte nicht sicher

Diese Definition ist unstrittig: Grau und Grün sind Farben. Was dagegen grüne Investments und der graue Kapitalmarkt sind, ist weit weniger genau festgelegt. Gleichwohl lässt sich wohl eine Einigkeit darüber erzielen, dass es sich bei grünen Geldanlagen um Inhalte handelt, also gemeinhin um Investments in – im weitesten Sinne – nachhaltige, soziale und ökologische Anlagen; typische Felder sind erneuerbare Energien und soziale Projekte. Keine ZulassungBeim grauen Kapitalmarkt geht es dagegen meistens um die Verpackung, also das Anlageprodukt, beziehungsweise um Anbieter, die keine Zulassung durch die Aufsichtsbehörde benötigen und lediglich geringere gesetzliche Anforderungen erfüllen müssen.Die Produkte am grauen Kapitalmarkt sind dabei ebenso vielfältig wie Themen des grünen Investments. Man findet Beteiligungen, Crowdinvesting, Nachrangdarlehen, partiarische Darlehen, Genussrechte, Direktinvestments, Goldanlagen und vieles mehr. Zum Vergleich: Zu den Produkten des weißen Kapitalmarktes zählen beispielsweise Investmentfonds, Bankprodukte und Aktien.Eine Betrachtung des Angebots und der Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen offenbart eine große Schnittmenge zwischen grauem Kapitalmarkt und grünen Investments. Viele Angebote des grauen Kapitalmarktes zeichnen sich dadurch aus, dass Anlageentscheidungen der Verbraucher durch positiv besetzte oder ethisch korrekte Investitionsobjekte beeinflusst werden sollen. Das spiegelt sich in den Anlageklassen wider: Eine Untersuchung zur Werbung des grauen Kapitalmarktes durch den Marktwächter Finanzen, ein Projekt der Verbraucherzentralen, kam 2016 zu dem Ergebnis, dass Investments in erneuerbare Energien die größte Gruppe der analysierten Produkte ausmacht. Hinzu kommen Investitionsangebote in Wald und Holz, die nach Immobilien das drittgrößte Segment bilden.Unter den Anzeigen für grau-grüne Produkte fand die Verbraucherzentrale Hessen etliche, die Vorteile übertrieben und die Risiken kleinredeten. So stellte ein Anbieter in einer Print-Anzeige für einen Windpark die hohen Renditezahlungen heraus, erwähnte Risiken jedoch lediglich auf der Homepage und nicht in der Anzeige. Gefahr verharmlostIn anderen Fällen wurden die Gefahren verharmlost. Ein Unternehmen für Investitionen in Energieholz behauptet einfach, dass die Waldbrandgefahr äußerst gering sei, weil das ganze Jahr über hohe Niederschläge fielen. Andere Anbieter wiederum appellierten an das grüne Gewissen der Anleger mit Slogans wie “Bäume pflanzen – Werte schaffen”. Dabei wird häufiger mit Kinderbildern und Slogans zur Nachhaltigkeit geworben.Eine weitere Untersuchung des Marktwächters zum Thema Crowdinvesting bestätigt die Schnittmenge von Produkten des grauen Kapitalmarkts und nachhaltigen Anlageobjekten. Crowdinvesting, aus Anlegersicht eine neue Investitionsmöglichkeit, richtet sich in erster Linie an Privatanleger. Crowdinvesting-Plattformen bieten Investitionen in Start-up-Unternehmen, Immobilien-, Energie- und ökologische Projekte an. Neben der Förderung innovativer Ideen stellen die vergleichsweise hohen Zinsversprechen für Verbraucher einen Investitionsanreiz dar.In der Untersuchung zeigt sich, dass Investitionen in regenerative Energien mit 20 der 83 in der Stichprobe untersuchten Projekte nach Immobilien die größte Gruppe darstellen. Dabei hatten sich drei Plattformen sogar ausschließlich auf den Bereich erneuerbare Energien spezialisiert. Gemessen an den Produkten ist festzuhalten, dass Crowdinvesting-Plattformen grundsätzlich nachrangige Darlehen anbieten, die dem grauen Kapitalmarkt zuzurechnen sind und stets ein Totalverlustrisiko aufweisen. Weitere Ergebnisse der Untersuchung: In vielen Fällen haben die Anbieter im vorgeschriebenen Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) keine konkreten Angaben zum Investmentobjekt gemacht; zudem stimmten die Anlagen im VIB und in den Darlehensverträgen häufig nicht überein. Durchaus attraktivUngeachtet festgestellter Kritikpunkte in der Werbung und bei den Anlageinformationen finden viele Verbraucher grün-graue Investments offensichtlich durchaus attraktiv. Wie eng das Interesse an nachhaltigen Anlagen mit Produkten des grauen Kapitalmarkts verknüpft ist, zeigt auch eine Umfrage, die die Marktforscher von GfK im Auftrag des Instituts für nachhaltige Kapitalanlagen (NKI) 2017 durchgeführt haben. Befragt wurden 1 694 Personen in Deutschland, die im Haushalt über Finanzen entscheiden.Auf die Frage nach der Attraktivität von verschiedenen nachhaltigen Anlageformen und -produkten wurden ganz vorn grüne Sachanlagen genannt. So hält gut ein Drittel aller Befragten Direktanlagen in erneuerbare Energien für attraktiv, 31 % sagen dies über Direktanlagen in nachhaltig bewirtschafteten Wald und 28 % über nachhaltige Immobilien. An vierter Stelle kommen Anlagen in “faires” Gold. Diese vier Kategorien nachhaltiger Sachwertinvestments sind dem grauen Kapitalmarkt zuzurechnen. Offenbar wecken sie bei Verbrauchern den Eindruck, einfach und sicher zu sein. In einer repräsentativen Befragung des Marktwächters bewerteten die Befragten beispielsweise Beteiligungen in erneuerbarer Energie mit 2,9 als vergleichsweise sicher, Aktien wurden dagegen mit im Durchschnitt 3,4 als merklich unsicherer eingeschätzt (1 bedeutet sehr sicher, 5 sehr unsicher).Grüne Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds, Produkte des weißen Kapitalmarkts, sind nur für gut jeden fünften Befragten interessant; noch weniger attraktiv sind nach der Umfrage Aktien von nachhaltigen Unternehmen. Einschränkt muss man feststellen, dass nur 40 % der Verbraucher sich überhaupt vorstellen könne, in ethisch-ökologischen Anlagen zu investieren. Doch wenn diese Neigung besteht, richtet sich das Interesse in erster Linie auf Produkte des grauen Kapitalmarktes. Große FreiheitenWie wichtig grünen Anbietern die großen Freiheiten des gänzlich unregulierten grauen Kapitalmarktes sind, zeigt sich an einem Randaspekt, der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Kleinanlegerschutzgesetz zu beobachten war. In einer Stellungnahme der GLS Bank zu einem Zwischenstadium des Gesetzes hieß es 2015: “Falls der vorgelegte Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes Gesetzeskraft erlangt, wird die Bürgerbeteiligung an sozialen und ökologischen Vorhaben im Kern gefährdet und in weiten Teilen nahezu unmöglich gemacht.”Dabei ging es bei dem Kleinanlegerschutzgesetz nicht um eine Vollregulierung, sondern um Prospekt-, Informations- und Hinweispflichten. Das Gesetz war eine Reaktion auf die Pleite des Windkraftbetreibers Prokon 2014, den grauen Kapitalmarkt etwas stärker zu regulieren. Doch auch die mäßigen Neuregelungen würden den grünen Kapitalmarkt treffen – da war sich die Branche seinerzeit sicher. Ökonomisch nachhaltigWas die Lobbyisten der GLS Bank und andere damals auf die Barrikaden gebracht hat, war also die Befürchtung, dass gute und wertvolle Projekte durch Verbraucherschutz verhindert würden. Das hat sich nicht bewahrheitet. Ausnahmen im Kleinanlegerschutzgesetz gibt es insbesondere für Crowdinvesting. Inwieweit die über Produkte des grauen Kapitalmarktes finanzierten Projekte auf Dauer ökonomisch nachhaltig – also ertragreich und solide – sein werden, wird die Zukunft zeigen.—-Zuletzt erschienen:- “Ich bin froh, dass ich hier offene Ohren finde” (27. Januar)- Brüssel bereitet Regelwerk für grüne Investments vor (26. Januar)- Nahrungsmittelrisiken im Blick (25. Januar) —-Wolf Brandes, Verbraucherzentrale Hessen, Teamleiter Projekt Marktwächter, Schwerpunkt Grauer Kapitalmarkt