"Gut für den Risikoappetit"
Von Julia Roebke, FrankfurtDie gestrige Entscheidung der EZB, die Zinsen abermals zu senken, aber auch die jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse könnten für leichte Entspannung an den Rentenmärkten sorgen. Das erwartet zumindest Frank Hagenstein, Geschäftsführer von Deka Investment und Leiter des Rentenfondsmanagements des zur Sparkassengruppe zählenden Instituts. “Die Absenkung der Leitzinsen und der Einlagenfazilität um 25 Basispunkte auf ein historisches Tief zeigt weiterhin die expansive Ausrichtung”, so Hagenstein. Wichtig dabei sei, dass die EZB die Bereitschaft signalisiere, als Agent für den Rettungsschirm EFSF/ESM aufzutreten. “Die EZB steht aus unserer Sicht klar hinter den noch nicht konkretisierten Beschlüssen des letzten EU-Gipfels.” Mit dieser Entscheidung steuere die EZB in dieselbe Richtung wie die US-Notenbank Fed und die Bank of England, die sich bereits im Quantitative-Easing-Modus befinden. “Solch ein Einklang ist normalerweise gut für den Risikoappetit.”Auch die Gipfelbeschlüsse vom vergangenen Wochenende beurteilt der Renteninvestor als grundsätzlich positiv: “Bisher gab es vor jedem EU-Gipfel eine hohe Erwartungshaltung der Investoren, die dann aber enttäuscht wurde. Diesmal war es genau umgekehrt”, bilanziert Hagenstein. Am vergangenen Wochenende hatten sich die Regierungschefs der Euro-Staaten darauf geeinigt, dass es für krisengeschüttelte Mitgliedsstaaten künftig einfacher sein soll, unter den dauerhaften Rettungsschirm ESM zu schlüpfen. Besondere Bedeutung misst Hagenstein der Einigung auf eine sogenannte Bankenunion bei. Dabei hatten sich die Regierungschefs darauf verständigt, im Expressverfahren eine europäische Bankenaufsicht – voraussichtlich bei der EZB angesiedelt – zu etablieren. Sobald diese funktionsfähig ist, sollen erstmals auch Banken der Eurozone die Möglichkeit erhalten, sich in Notsituationen direkt beim ESM Geld zu besorgen.Solche “konstruktiven Gedanken” seien “extrem hilfreich”, so Hagenstein, denn damit sei quasi sichergestellt, dass keine große Bank in Italien oder Spanien mehr pleitegehen werde. Generell sei der Rentenmarkt in diesen beiden Ländern von extremen Wellenbewegungen geprägt. So hätten etwa die Liquiditätsspritzen der EZB für die Banken im Dezember 2011 und Februar 2012 bei den spanischen und italienischen Spreads gerade einmal bis März gewirkt. Seitdem stieg die Renditedifferenz zu Bundesanleihen beider Ländern wieder stark an. In Spanien liegen die Anleihe-Spreads ab einer mittleren Laufzeit sogar inzwischen höher als beim letzten Aufflammen der Krise am Jahresende 2011.”Die ganze positive Stimmung im Zusammenhang mit den zwei langfristigen Refinanzierungsoperationen (LTRO) war binnen weniger Monate wieder ausgepreist”, formuliert es Hagenstein, der Wellenbewegungen bei den Spreads im Rhythmus von drei bis vier Monaten ausmacht. Die Gipfelbeschlüsse und nun auch die Entscheidung der EZB könnten seiner Meinung nach aber wieder ein Wendepunkt in Richtung Spread-Normalisierung sein.Seit vergangenem Jahr beobachtet Hagenstein aber auch bei den Bondinvestoren ein eher vorsichtiges Verhalten. “Es dauert immer eine gewisse Zeit, bis sich positive Entwicklungen in der Käuferschaft verfestigen.” Vielleicht ist auch dies der Grund, warum Spanien am gestrigen Donnerstag trotz der Gipfelbeschlüsse bei einer Versteigerung von Staatsanleihen ein gemischtes Bild in Kauf nehmen musste.Gerade die Banken-Stabilisierung in den Ländern Italien und Spanien sei auch vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass es in diesen Ländern bereits zu einer Renationalisierung der Käuferschichten bei den Staatsanleihen gekommen sei, berichtet Hagenstein. Wenn sich internationale Investoren als Interessenten für die Staatspapiere verabschiedeten, müssten mit Sicherheit die Banken, aber wahrscheinlich auch Versicherer und vielleicht sogar Privatanleger in den betroffenen Ländern einspringen können. Mit Spannung blickt Hagenstein nun auf die Entscheidung über den Umfang der spanischen Bankhilfen, die frühestens Ende Juli fallen soll. Die spanische Regierung hatte für ihre angeschlagene Finanzbranche Ende Juni bei der EU offiziell den Hilfsantrag für die bereits zugesagte Kreditlinie von bis zu 100 Mrd. Euro gestellt.