Gute D(T)aten braucht der Markt

Es gibt kein Zurück für mehr Digitalisierung und mehr nachhaltige Finanzmarktentwicklung - Verantwortungsbewusster handeln

Gute D(T)aten braucht der Markt

In den vergangenen Wochen gingen Tausende gegen die Coronamaßnahmen auf die Straße, und viele begründeten ihren Protest mit teils schwierig nachvollziehbaren Argumenten. In Zeiten von Pandemie und Fake News erkennt man die Wichtigkeit verlässlicher und überprüfbarer Informationen und Daten. Seit dem Ausbruch der Coronakrise sehen wir, wie schnell unsere Welt sich verändern kann: Ganze Wirtschaftszweige geraten fast über Nacht an den Rand der Zahlungsunfähigkeit, und auch die Finanz- und Kapitalmärkte werden zum Teil arg gebeutelt.In ihrer Rede zur Lage der Union am 16. September hat die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ihre Vision für ein zukunftsorientiertes und nachhaltiges Europa präsentiert. Die EU-Kommission verfolgt die Vision, Europa zu ermöglichen, grün, digital und widerstandsfähiger zu werden, und hat deshalb als einige der Prioritäten die Stabilität der Wirtschaft, die Stärkung des europäischen Grünen Deals, eine Erhöhung der Klimazielsetzungen sowie das Anführen der digitalen Transformation, vor allem in Bezug auf Daten, Technologie und Infrastruktur, vorgeschlagen.Die Antwort auf diese Krise muss mehr Digitalisierung und mehr nachhaltige Finanzmarktentwicklung sein. Es gibt kein Zurück, und irgendwann müssen sich jedes Unternehmen und jede Institution an nachhaltigen Prinzipien orientieren, wenn sie in Zukunft erfolgreich sein und ihren Kundenstamm pflegen oder ausbauen wollen. Wir müssen verstehen, dass es keinen Widerspruch zwischen Wirtschaftswachstum und nachhaltiger Entwicklung gibt und dass es wichtig ist, verantwortungsbewusster zu handeln und die Auswirkungen unseres Handelns auf unseren Planeten und die Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen. Finanzwesen Teil der LösungWir müssen also logischerweise das Finanzsystem insgesamt umweltfreundlicher und nachhaltiger gestalten und das Finanzwesen zu einem Teil der Lösung machen. Damit dies gelingen kann, brauchen wir auch eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung zwischen Finanzmarktteilnehmern und der öffentlichen Hand. Rezent hat der luxemburgische Staat die erste Nachhaltigkeitsstaatsanleihe Europas emittiert. Die Anleihe in Höhe von 1,5 Mrd. Euro wird zur Finanzierung und Refinanzierung von Sozial- und Umweltprojekten verwendet, ist mit einem “AAA”-Rating versehen und wird an der Luxemburgischen Grünen Börse (LGX) notiert und gehandelt. Dieser Schritt hat das Potenzial, Investitionen in nachhaltige Entwicklungsprojekte voranzutreiben, und ist ein starkes Signal an die Märkte, insbesondere an die europäischen Mitgliedstaaten.Der in Luxemburg geschaffene gesetzliche Nachhaltigkeitsrahmen ist der erste seiner Art, welcher von einem europäischen Staat erstellt wurde und höchsten europäischen internationalen Standards entspricht. Eines ist bereits jetzt schon klar: Wissen schafft Vertrauen. Der Aufbau von Bewusstsein, Information und Bildung muss für die meisten Finanzzentren ganz oben auf der Agenda stehen. Als größter Handelsplatz für Nachhaltigkeitsanleihen ist sich die Luxemburger Börse ihrer Verantwortung im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz bewusst. Börsen sollten die strengen Anforderungen im Bereich von Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Informationen über Finanzprodukte vollständig erfüllen.Viele Akteure und Investoren würden gerne zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, aber es fehlt ihnen oft an den notwendigen Marktkenntnissen. Um hier einen konstruktiven Beitrag zu leisten, hat die Luxemburger Börse kürzlich die “LGX Academy” zur Förderung nachhaltiger Finanzausbildung geschaffen. Die Akademie bietet maßgeschneiderte Vorträge zu einer breiten Palette von Themen im Zusammenhang mit nachhaltigen Finanzierungen und Anlagemöglichkeiten an und ermöglicht es den Teilnehmern, ihr Wissen in diesem Bereich zu erweitern und ein tieferes Verständnis für nachhaltige Finanzmarktpraktiken zu erlangen.Mit solchen Initiativen werden das allgemeine Marktverständnis über die Grundlagen nachhaltiger Finanzwirtschaft, integrative Anlageprodukte und zukünftige Kapitalströme in nachhaltige Anlageprojekte gefördert. Zu diesem Wissen gehört auch der essenzielle Bereich der Daten, welcher die nächste digitale und nachhaltige Dekade stark beeinflussen wird. Eine echte Datenwirtschaft und die sich daraus ergebenden Chancen sind ein starker Motor für Innovation, mehr Transparenz und schaffen letztendlich neue Arbeitsplätze. Oft werden Daten als “Gold des digitalen Zeitalters” bezeichnet, aber zugleich wird ihre Relevanz unterschätzt. Es ist klar, dass sich die neuen Anforderungen an die Datenwirtschaft unter anderem auf den Mangel an strukturierten Daten beziehen. Es besteht kein Zweifel, dass zuverlässige, transparente und aussagekräftige Daten auch die Grundlage für eine nachhaltige Finanzwirtschaft bilden.Die Ironie ist, dass schon heute enorme Datenvolumina vorhanden und verfügbar sind. Aber ein schwach ausgeprägtes Bewusstsein für die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung sowie die unterschiedlichen Berichtsmethoden und -ansätze der Unternehmen und Institutionen erklären ansatzweise, weshalb es keine Standardisierung gibt. Daten, welche Investoren und Vermögensverwalter benötigen, um nachhaltige Anlagestrategien zu entwickeln und fundierte Anlageentscheidungen zu treffen, sind allgemein verfügbar. Diese sind jedoch zu oft über mehrere Quellen verteilt und werden überdies in unterschiedlichen und inkompatiblen Formaten angeboten, was ihnen zuletzt nur eine begrenzte Verwendbarkeit verleiht.Im Sinne einer nachhaltigeren Finanzmarktentwicklung und aufgrund dieser fehlenden strukturierten, zuverlässigen, vollständigen, aussagekräftigen und aktuellen Daten hat die Luxemburger Börse eine zentrale Datenbank über nachhaltige Wertpapiere, die an der grünen Börse notiert werden, entwickelt. Der “LGX DataHub” antwortet auf die Datenherausforderung, indem er unstrukturierte in strukturierte Daten verwandelt. Dies wurde ermöglicht durch eine digitale IT-Lösung zur automatischen Datenerfassung und -auswertung, welche dem Benutzer direkt anwendbare Datensätze präsentiert. Größtmögliche TransparenzDas Ziel ist es, das gesamte nachhaltige Anleiheuniversum abzudecken und somit zu einer größtmöglichen Transparenz beizutragen. Ein solcher Data Hub erlaubt den Benutzern direkten Zugriff auf eine riesige Menge strukturierter und direkt verwendbarer Daten, so dass mehr Zeit für den Aufbau und die Umsetzung von nachhaltigen Anlagestrategien und Portfolien bleibt. Transparenz beruht auf qualitativ hochwertigen Daten und ist zugleich der beste Weg, Vertrauen und Zuversicht bei Investoren zu fördern.Den Börsen obliegt die Gewährleistung des Anlegerschutzes, und dieser beginnt mit Sensibilisierung, Aufklärung und Information. Sichere und verwendbare Datensätze dienen nicht nur diesem Ziel, sondern sind unabdingbar für eine solide Finanzmarktentwicklung, welche ein Teil der Lösung auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt sein muss. Robert Scharfe, Chief Executive Officer der Luxemburger Börse