SERIE: IMMOBILIENMÄRKTE IM AUSNAHMEZUSTAND (12)

Gute Immobilien sind auch global Mangelware

Engpass an geeigneten Bürogebäuden bremst Investitionen - Sydney neuer Hotspot - Renditen dürften auch 2017 weiter zurückgehen

Gute Immobilien sind auch global Mangelware

Während der Londoner Büromarkt noch einige Jahre unter dem Brexit-Votum leiden dürfte, geraten Sydney, Singapur, aber auch Frankfurt und Berlin verstärkt ins Visier globaler Immobilieninvestoren. Das weltweite Transaktionsvolumen dürfte 2017 um gut ein Zehntel steigen.Von Ulli Gericke, BerlinSydney ist das neue London. Auch Moskauer Gewerbeimmobilien dürften im gerade begonnenen Jahr – allen Sanktionen zum Trotz – bei den Kapitalwerten deutlich schneller zulegen als in anderen Bürometropolen der Welt – von London ganz abgesehen, wo sogar ein Minus droht. Kein Zweifel, der Immobilienmarkt in der britischen Hauptstadt muss nach dem Brexit-Votum im vergangenen Sommer Rückschläge verkraften wie schon lange nicht mehr. Die Bürospitzenmieten gingen beim vorjährigen “Top-Performer” um fast 5 % in den Keller, wie der Immobiliendienstleister JLL (einst Jones Lang LaSalle) in seinem Rückblick auf 2016 ermittelt hat. Und auch für das neue Jahr ist Hela Hinrichs, Europa-Research-Chefin hierzulande, nicht wirklich zuversichtlicher, sondern erwartet ein weiteres Minus an der Themse. Eine Umkehr mit wieder steigenden Mieten sehen die Immobilienexperten nach dem Brexit erst wieder ab 2019.Insgesamt zeigte sich der globale gewerbliche Immobilienmarkt 2016 aber in guter Verfassung, wie Hinrichs urteilt – und dies trotz um ein Zehntel rückläufiger Investmentaktivitäten. Wegen weniger Deals im wichtigen Markt Großbritannien erwartet JLL aber nur ein Transaktionsvolumen von 610 Mrd. bis 630 Mrd. Dollar nach rund 700 Mrd. zuvor. Anders als dieser Rückgang vermuten lasse, hätten Investoren – auch Private-Equity-Fonds mit ihren steigenden Kapitalvolumina – weiterhin sehr hohes Interesse an direkten Immobilieninvestments, beobachtet die Expertin. Bleibe die Weltkonjunktur stabil, könnten 2017 wieder Transaktionen im Umfang von 700 Mrd. Dollar getätigt werden – unter der Voraussetzung, dass ausreichend “gute” Produkte auf den Markt kommen, was auch in Deutschland das inzwischen begrenzende Nadelöhr ist.Doch nicht nur das Dealvolumen, auch die globale Nachfrage nach Büroflächen war im Vorjahr rückläufig. Verglichen mit dem Rekordjahr 2015 dürften die 2016 weltweit neuvermieteten rund 40 Mill. Quadratmeter (m2) – in ausschließlich besten “A-Flächen” – einem Minus von 5 % entsprechen. Aus dem Rahmen fällt dabei Kontinentaleuropa, das mit einem Umsatzzuwachs von 6 % überraschte – getrieben vor allem durch hohe Volumina hierzulande und in Frankreich. London verbuchte dagegen in den ersten drei Quartalen einen Absturz um 28 % zum Vorjahr. Schwach fielen die Neuvermietungen aber auch in Indien und China aus, weshalb die gesamte Region Asien-Pazifik ein Minus von rund 10 % verkraften musste. Die USA liegen mit – 5 % im weltweiten Trend. Leerstand sinkt globalFür 2017 geht JLL von einer insgesamt stabilen weltweiten Büroflächennachfrage aus. Dabei erwartet Hinrichs für die USA eine Erholung, in Europa und Asien-Pazifik dagegen leichte Rückgänge. Das dürfte nach dem Rekordjahr 2016 auch für Deutschland gelten. In Großbritannien sorgen demnach ein möglicherweise geringeres Wirtschaftswachstum und der Beginn der Brexit-Verhandlungen für eine weiter nachlassende Büroflächennachfrage. Gefragter als zuvor sind laut JLL Büros in Sydney und Melbourne, Singapur, Tokio, Seoul sowie Jakarta. Auch Atlanta in den USA sowie in Kerneuropa Brüssel, Amsterdam, Mailand, Frankfurt und Berlin sollten zu den Gewinnern gehören. Eine rückläufige Nachfrage prognostiziert Hinrichs dagegen in London, Edinburgh und Barcelona, in Schanghai, Ho-Chi-Minh-Stadt/Saigon, Delhi, Mumbai und Bangalore sowie in Dallas und San Francisco.Trotz der insgesamt stabilen weltweiten Büroflächennachfrage sinkt die Leerstandsquote global kontinuierlich seit Ende 2010. Da im gerade begonnenen Turnus aber mit 17,5 Mill. m2 an neuen Büros so viel Fläche wie seit Jahren nicht mehr fertig wird, dürfte die Leerstandsquote bei etwa 12 % stabil bleiben. Deutlich geringer ist die Quote mit 8,4 % in Europa, womit der geringste Wert seit Anfang 2009 erreicht wurde. Finanzierung bleibt restriktivDa die Finanzierung von spekulativen Bauvorhaben restriktiv bleibt, dürfte sich daran im Schnitt auch nicht viel ändern, wie die Immobilienexpertin meint. In toto dürften auf dem Alten Kontinent 2017 rund 5,1 Mill. m2 Büros neu fertiggestellt werden – ein deutliches Plus von 18 % gegenüber dem abgelaufenen Jahr. Allein ein Drittel dieser Bauvorhaben werden in nur drei Städten auf den Markt kommen: in London, Moskau und Warschau. Vor allem Londons spekulative Entwicklungspipeline werde seit dem EU-Referendum allerdings kritisch betrachtet, gibt Hinrichs zu bedenken. In der Folge werde mit einem Anstieg der Leerstandsquote von 4,2 % auf etwa 5,0 % zum Ende des Jahres gerechnet – andere Städte würden sich glücklich schätzen bei diesen Zahlen.Allen voran US-Metropolen. Dort ist die Leerstandsquote trotz hoher Baufertigstellungen zwar weiter gefallen. Mit im Landesschnitt 14,5 % zum Jahresende liegt sie jedoch fast dreimal so hoch wie in London. Besser stehen nur die bei den “Millennials” populären Technologiestädte wie Seattle, San Francisco und Portland da, die inzwischen einstellige Leerstandsquoten vermelden können. Langsamerer MietanstiegDagegen führt die intensive Fertigstellung von neuem Büroraum in China, Australien, Singapur und den indischen Top-Märkten zu einem Anstieg der asiatisch-pazifischen Leerstandsquote auf 11,5 % Ende vergangenen Jahres, woraus 12,5 % Ende 2017 werden dürften. Auch dank der weltweit sinkenden Leerstände steigen die Büromieten weiter – allerdings mit langsamer werdender Dynamik. Legten die Bürospitzenmieten 2015 noch um 4 % zu, waren es 2016 voraussichtlich noch 3 %. Für das neue Jahr sagt Hinrichs eine weitere Abschwächung auf ein Plus von 2 % voraus. Auch für Hongkong und Peking prognostiziert sie einen Rückgang der Spitzenmieten, zusätzlich zu den Metropolen London, Singapur, Sao Paulo und Mexiko City. Ein Plus von über 10 % wird nur in der australischen Metropole Sydney erwartet. Dort sieht Andrew Haskins, Asien-Experte beim Gewerbeimmobiliendienstleister Colliers, auch für die nächsten Jahre die größten Mietsteigerungen, während freie Flächen seltener werden. Ansonsten erwartet er in den Jahren bis 2019 nahezu flächendeckend steigende Leerstände in den fernöstlichen Metropolen. Ein vergleichbares Mietwachstum kann in Europa nur Stockholm vorweisen, wie die Experten des Immobilienberaters CBRE prophezeien, gefolgt von Prag und Barcelona, wo die Mietkosten im neuen Jahr um jeweils gut 6 % zulegen dürften. Im Durchschnitt sollten die Büromieten aber nicht einmal um 1 % zulegen, bremsen die vorsichtigen Experten allzu großen Optimismus.Dreimal so schnell dürften 2017 dagegen die Mieten von Ladengeschäften in 1-a-Lagen steigen – im europäischen Schnitt. In Dublin und London seien gut doppelt so hohe Zuschläge absehbar, glaubt CBRE – selbst wenn die Büromieten schwächeln, ist Großbritanniens Hauptstadt als Shoppingmetropole weiterhin eine erste Adresse.Beim Blick auf die Renditen von Büroimmobilien wurde London mittlerweile von zwei deutschen Städten überholt. Während das Londoner Westend einen stabilen Wert von 3,5 % zeigt, liegen München und Berlin mit 3,3 bzw. 3,45 % darunter – womit unter Berücksichtigung der (deutlich geringeren) Mieteinnahmen Bürogebäude an Isar und Spree teurer sind als an der Themse. Die niedrigste Nettoanfangsrendite ermittelte JLL übrigens in Paris mit 3,0 %. Insgesamt gilt damit weit über Deutschland hinaus der schlichte Satz: Die alte Fünf ist die neue Drei. “Die Investoren scheinen sich in den globalen Top-Märkten allmählich an die 3 % Nettoanfangsrendite zu gewöhnen”, urteilt Hinrichs, verglichen mit 5 % vor wenigen Jahren. Allerdings würden sie umgekehrt sehr genau die Lage und die Gebäudequalität, die Qualität der Mieter sowie die Vertragslaufzeiten prüfen und Spitzenpreise nur für wirkliche Spitzenimmobilien akzeptieren. Insgesamt sei in Europa die durchschnittliche Bürospitzenrendite im vergangenen Jahr um 31 Basispunkte auf 3,87 % zurückgegangen – sieht man von Moskau ab, wo die Rendite dem höheren Risiko entsprechend bei 10,5 % liegt. Für 2017 erwarten die Immobilienexperten eine erneute leichte Renditekompression von 5 Basispunkten.Im globalen Schnitt fiel die Bürospitzenrendite in den vergangenen zwölf Monaten um weitere 13 Basispunkte auf jetzt 4,74 %. Nur in den USA, wo die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) erste kleine Zinssteigerungen beschlossen hat, steigen die Nettoanfangsrenditen in einigen Märkten leicht: In New York von 3,3 auf 3,4 %, in Los Angeles von 4,1 auf 4,2 % und in Chicago von 4,6 auf 4,8 %, wie JLL auflistet. Dagegen hat sich auch in Asien – mit Ausnahme von Hongkong – die Renditekompression fortgesetzt. Besonders deutlich war dies in Sydney zu beobachten, wo die Rendite um 44 Basispunkte auf 5,32 % zurückging.—-Zuletzt erschienen:- Proptech verhilft zu erhöhter Prozesseffizienz (17.1.)