Gutes Gewissen, gute Rendite
Investoren verlangen eine angemessene Verzinsung ihres Vermögens. Doch immer mehr Anleger erwarten auch, dass ihr Gewinnstreben Mensch und Umwelt so wenig wie möglich belastet. Nachhaltiges Wirtschaften wächst zu einem Megatrend heran: Ganze Industrien befinden sich im Umbruch, gerade in Deutschland.Der Umbau kennt aber auch Verlierer. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 beschloss der Deutsche Bundestag den Ausstieg aus der Kernkraft. Die Entscheidung stürzte die Energieversorger in eine tiefgreifende Krise. Aktuell befindet sich die Automobilwirtschaft in der Defensive. Der Dieselskandal führte zu Imageschäden und beträchtlichen Einbußen. Zugleich müssen Fahrzeughersteller den Umstieg auf die Elektromobilität bewältigen, der weltweit vorangetrieben wird. Klimasünder unter DruckWenn sich ganze Branchen neu erfinden müssen, sitzen Anleger stets mit im Boot. So schrumpften die Aktien der Energieversorger auf Sicht mehrerer Jahre auf einen Bruchteil ihres Wertes zusammen, während die Autohersteller seit geraumer Zeit dem Marktdurchschnitt hinterherlaufen. Hier reichten zuletzt sogar exzellente Verkaufszahlen kaum noch aus, um die Kurse zu stützen.Die Beispiele zeigen: Es kann ins Geld gehen, alternden Geschäftsmodellen die Treue zu halten. Denn seitdem intensiv über einen besseren Klimaschutz diskutiert wird, hat sich der Wandel zu einer nachhaltigeren Produktion noch beschleunigt. Fortschrittliche Unternehmen profitieren von diesem Trend.Zusätzlicher Schub kommt von den Konsumenten. Sie achten nicht nur auf Produktqualität und Umweltstandards. Als Kunden erwarten sie auch, dass ihre Firmen im Umgang mit Beschäftigten, Lieferanten und der Allgemeinheit hohen moralischen Anforderungen entsprechen. Missstände wie Kinderarbeit oder Korruption werden ebenso wenig geduldet wie die Diskriminierung einzelner Bevölkerungsgruppen oder das Entziehen wichtiger natürlicher Ressourcen wie Land, Wasser oder Tierwelt in Entwicklungsländern.Auch die Kapitalgeber ziehen mit. Egal ob Privatperson oder institutioneller Anleger – neben wirtschaftlichen Eckdaten entscheiden immer häufiger auch ethische Standards darüber, wo und wie investiert wird. Dies sorgt nicht nur für ein gutes Gewissen, sondern trägt auch dazu bei, Abwärtsrisiken aus dem Portfolio zu verbannen. Denn Gerichtsprozesse, Skandale, Verbote und bedeutende regulatorische Eingriffe führen in aller Regel zu heftigen Kurseinbrüchen.Verantwortungsbewusst handelnde Unternehmen profitieren hingegen vor allem langfristig. Die Leistungsstarken unter ihnen werden auch noch in zehn oder zwanzig Jahren Umsatz und Gewinn steigern können, weil die Allgemeinheit ihr Expansionsstreben nicht behindert, sondern fördert. Vorsprung könnte wachsenDer Kapitalmarkt belohnt die Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit mit einem Bewertungsaufschlag. Die Präferenz für Firmen mit gutem Ethikverständnis erbrachte bereits in der Vergangenheit Renditen, die einem herkömmlichen Aktienportfolio zumindest ebenbürtig waren. Zukünftig könnte dieser Vorsprung noch wachsen. Daher lohnt es sich auch unter rein finanziellen Gesichtspunkten, nachhaltiges Investieren nicht als vorübergehenden Modetrend abzutun.Absolut betrachtet befinden sich nachhaltig gemanagte Portfolios noch in der Minderheit. Ihre Bedeutung wächst jedoch von Jahr zu Jahr. Nach Informationen des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) kletterte das Volumen der Investmentfonds und Anlagemandate mit Nachhaltigkeitsanspruch im vergangenen Jahr alleine in Deutschland um 17 % auf 92 Milliarden Euro. Die Statistik des Sustainable Business Institute (SBI) zählte für die DACH-Region Mitte dieses Jahres insgesamt 234 reine Aktienfonds mit einem Anlagevolumen von 56 Milliarden Euro, die dem Nachhaltigkeitsspektrum zuzuordnen waren. Noch keine StandardsDoch wie lassen sich die Vorbilder unter den Unternehmen von den Sündern trennen? – Qualität in Sachen Nachhaltigkeit wird im Regelfall mithilfe der sogenannten ESG-Kriterien gemessen. Diese erfassen, wie sehr ein Unternehmen auf Umweltschutz (“Environmental”), Gemeinwohl (“Social”) und gute Unternehmensführung (“Governance”) achtet. Hierzu eigene Recherchen anzustellen, fällt Außenstehenden allerdings schwer. Die Mehrzahl der nachhaltig anlegenden Investmentfonds nutzt daher das Know-how spezialisierter Researchhäuser. Diese erstellen Nachhaltigkeitsratings und aktualisieren ihre Bewertungen in kontinuierlichen Zyklen.Branchenweit anerkannte Standards, welche Benotung genau die individuelle Prüfung eines Unternehmens verdient, haben sich noch nicht durchgesetzt. Assetmanager verfügen somit über gewisse Spielräume. Nachhaltigkeitskriterien lassen sich strenger oder weniger streng auslegen, auch die Gewichtungen einzelner Qualitätsmerkmale schwanken. Institutionelle Mandate können zudem individuell festlegen, welche Verhaltensgrundsätze ganz besonders gewissenhaft zu befolgen sind.Einigkeit besteht zumeist darin, bestimmte Industriezweige vollständig aus dem Anlageuniversum zu verbannen. Wer sein Geld mit Drogen, Waffen oder Glückspiel verdient, schafft es nur selten in einen Nachhaltigkeitsfonds. Bei Energiekonzernen und Rohstoffförderern gehen die Meinungen bereits stärker auseinander. Diese Unternehmen gelten mitunter als investierbar, etwa wenn sie ihre Co2-Emissionen wesentlich schneller reduzieren als der Durchschnitt oder aus anderen Gründen als Vorreiter ihres jeweiligen Sektors gelten. Franziskaner maßgeblichDer international anlegende Aktienfonds terrAssisi von Ampega achtet zusätzlich auf weitere Kriterien. Seine Anlagegrundsätze schließen u.a. Gesellschaften aus, die Biozide in Umlauf bringen, unnötige Tierversuche unternehmen oder Embryonenforschung betreiben. Diese individuellen Kriterien hängen mit der Fondshistorie zusammen. Im Jahr 2009 übernahm die Missionszentrale des Franziskaner-Ordens die Rolle des Initiators bei dem bereits zur Jahrtausendwende aufgelegten Fonds.Die Franziskaner wollten einer breiten Anlegerschaft ein Investitionsvehikel zur Verfügung stellen, das den ethischen Leitlinien des Ordens umfassend genügte. Die Aktienselektion sollte nicht alleine auf das Thema Umweltschutz reduziert werden. Herausragendes soziales Engagement sollte ebenfalls in die Anlageentscheidungen einfließen. Hierzu zählten die Initiatoren Merkmale wie gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und den fairen Umgang der Firmen mit Familienangehörigen und Lieferanten.Mit der Beachtung kultureller Werte, etwa dem Schutz von Minderheiten, wurde ein weiteres Selektionskriterium formuliert. Am Markt fand sich jedoch kein passendes Produkt, so dass ein eigenes kreiert wurde. Da es sich bei der Missionszentrale um ein nicht gewinnorientiertes Hilfswerk handelt, kommt ein Teil der erhobenen Verwaltungsvergütung sozialen Projekten in aller Welt zugute. Umfangreiche ReportsMit der Formulierung individueller Nachhaltigkeitskriterien ist es allerdings nicht getan. Anleger müssen auch herausfinden, ob eine Gesellschaft den nach außen kommunizierten Ansprüchen tatsächlich genügt oder ob Schummeleien das Selbstbild prägen. Der Blick in den Geschäftsbericht reicht für eine umfassende Prüfung meist nicht aus. Spezialisierte Researchunternehmen tragen daher Erkenntnisse aus weiteren Quellen zusammen. Anschließend werden teilweise sehr umfangreiche Nachhaltigkeitsreports erstellt. Damit ist es auch möglich, die gewonnenen Erkenntnisse auf die Anforderungen einzelner ESG-Fonds abzustimmen.Im Fall des terrAssisi Aktienfonds steuert ISS-oekom (ehemals oekom-research) das Nachhaltigkeitsresearch bei. Die Analysten erstellen aus einem Universum von 3 800 Unternehmen ein Ranking von circa 500 Gesellschaften nach einem Best-in-Class-Ansatz. Nach dem konzeptbedingten Ausschluss von etwa 50 weiteren Gesellschaften kommt das verantwortliche Fondsmanagement ins Spiel. Dieses pickt aus den etwa 450 investierbaren Titeln 60 bis 80 Gesellschaften heraus, die auch unter ökonomischen Aspekten Erfolg versprechen. Unternehmen der Branchen Technologie, Konsum und Verkehr waren hier zuletzt prominent vertreten. Große Positionen entfielen beispielsweise auf Eisenbahngesellschaften aus Nordamerika.Fazit: Nachhaltige Geldanlagen bieten neben einer monetären auch eine emotionale Rendite. Ihr Marktanteil wird weiter wachsen, beinahe täglich kommt ein neues Produkt auf den Markt. Diese Vielfalt macht es Anlegern aber nicht unbedingt leichter. Sie müssen zum einen definieren, welche Wertvorstellungen sie mit ihrem Kapital unterstützen möchten. Zum anderen gilt es, einen passenden Fonds zu finden, der das eigene Ethikverständnis bestmöglich umsetzt.—-Sebastian Riefe, Portfolio Manager, Portfolio Management Aktien & Systematische Strategien, Ampega Investment