Handel mit notleidenden Immobilienkrediten gewinnt an Fahrt
Non-Performing Loans
Handel mit notleidenden Immobilienkrediten zieht an
Steigende Zinsen, Baukosten und verschärfte Regulatorik dürften zu mehr Transaktionen führen
tl Frankfurt
Notleidende Kredite werden seit mindestens zwei Jahren kaum gehandelt, sprich die Kreditgeber kümmern sich selbst um die Einbringung ihrer Forderungen. Dies wird sich aber in den kommenden Monaten ändern, waren sich die Teilnehmer eines Expertenpanels einig. Wer neu in NPL-Portfolien investieren will, sollte nicht nur bei den Annahmen seiner Kalkulationsmodelle sehr vorsichtig sein, sondern sich auch unbedingt lokaler Expertise bedienen, empfahlen die Experten.
Am deutschen NPL-Markt ist es sehr ruhig, berichtete Antje Mertig von der Beratungsgesellschaft Steinberg Real Estate Management auf einem Webinar von Drooms, einem Anbieter digitaler Plattformen für Immobilienassets. „Es gibt nur wenige Verkäufe.“ Das könne sich aber bald ändern. „Restrukturierungsabteilungen von Banken berichten mir über mehr Arbeit.“ Hintergrund dieser Entwicklung seien die Energiekrise, steigende Baukosten und erschwerte Projektentwicklungen. „Auch der leichte Anstieg der Insolvenzzahlen könnte zu mehr NPL führen.“ Mertig verwies auf alternative Adressen wie Debt Funds, die in der Vergangenheit bei der Kreditvergabe einen größeren Risikohunger gezeigt hätten und jetzt angesichts des Zinsanstiegs höhere Verluste einfahren könnten. „Diese Adressen haben aber kein Personal für den Workout.“ Das könnte sie dazu bewegen, kritische Bestände zu verkaufen. Entwickler und Wohnungsgesellschaften könnten als Nächste Probleme bekommen, glaubt Mertig. „Dann wären Firesales möglich.“
Auch Michel Anter von der Servicing-Plattform Arcida Advisors Germany erwartet zunehmende Schwierigkeiten für alternative Finanzierer. Dabei ist allerdings unklar, wie bedeutend diese Adressen auf dem deutschen Immobilienkreditmarkt sind. Schätzungen über den Gesamtbestand alternativ finanzierter Immobilienkredite reichen von 12 bis 16 Mrd. Euro bis zu 20 Mrd. Euro – einen Wert, den Anter eher für konservativ hält. Bei den Banken könnten sich die notleidenden Kredite im kommenden Jahr auf 40 Mrd. Euro belaufen, verweist er auf die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) – für Anter ebenfalls eine eher zurückhaltende Schätzung. Im Moment gelte aber bei den Banken: „Wait and see.“ Der NPL-Experte glaubt aber nicht, dass sich diese Haltung noch lange durchhalten lässt. Angesichts des seit Mitte 2021 zu meldenden NPL-Backstop (aufsichtsrechtliche Letztsicherung für notleidende Risikopositionen) und der Verpflichtung, NPL mit hartem Eigenkapital zu unterlegen, erwartet er einen zunehmenden Druck der europäischen Regulatoren, eine endgültige Lösung für diese Kredite zu finden. De Höhepunkt des NPL-Transaktionsvolumens erwarten die Experten im Jahr 2024.
Bei der Bewertung von NPL-Portfolios kommt es entscheidend auf die Qualität der vorliegenden bzw. beschaffbaren Daten an. „Ich kann schon am vorherigen Servicer erkennen, was bei den Krediten noch rauszuholen ist“, sagte Benjamin Girard, Leiter des französischen Büros von Aura Real Estate Experts.
Qualität der Sicherheiten
Darüber hinaus komme es auf die Qualität der Sicherheiten, vollstreckbare Titel, das Alter der letzten Bewertung und die Mieterstruktur an, ergänzte Mertig die erforderlichen Grundlagen für eine Due Diligence. Aus Sicht der Käufer werden die Abschläge beim gebotenen Preis „umso höher ausfallen, desto weniger er weiß“, so die Beraterin. Gerade wer als ausländischer Investor neu auf den deutschen Markt wolle, sollte sich unbedingt deutscher Experten bedienen, die die finanziellen, rechtlichen und lokalen Marktgegebenheiten kennen.
Mertig warnt davor, Entwicklungen wie die EU-Taxonomie, die ESG-Gesetzgebung oder auch die mögliche weitere Stärkung der Mieterrechte aus dem Auge zu verlieren. „Das beeinflusst die Bewertung der den Krediten zugrunde liegenden Immobilien. Letztlich steigen damit die Exit-Risiken“, ist sie überzeugt.
Bei der Preiskalkulation selbst geht Mertig auf Seiten des Käufers in der Regel nach dem Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF) vor. „Dabei kommt in der Regel weniger raus, als der Verkäufer erwartet. Dann muss der Käufer entscheiden, ob er das Gebot erhöht, zum Beispiel, um in den Markt zu kommen.“ Wer dann den Zuschlag erhält, sollte eine klare Workout-Strategie haben – und diese dann auch konsequent umsetzen. Dabei komme es auf einen guten Servicer an. „Der ist die Basis für eine gute Rückzahlung (der Kredite).“
Lokale Wurzeln zählen
In manchen Fällen ist es wichtig, dass dieser Servicer lokal verwurzelt ist, das zeigte die Diskussion auf dem Webinar. Anter, der sowohl Investoren als auch Kreditgeber berät, berichtete von einem erst wenige Monate zurückliegenden Fall, in dem eine deutsche Bank nur dann das Gebot eines ausländischen Investors für ein NPL-Portfolio akzeptieren wollte, wenn dieser sich beim Zuschlag eines deutschen Servicers bedient. Vergleichbares berichtete auch Benjamin Girard vom französischen Markt.