Handelsfinanzierern droht steigender Kapitalbedarf
ssc Frankfurt – Für in der Handels- und Exportfinanzierung stark aktive Banken könnte der Kapitalbedarf nach Basel III deutlich steigen. Gewinner dieses Trends könnten in Europa die britischen Institute Standard Chartered und HSBC sein, die über geringere Verschuldungsquoten und damit größeren Expansionsspielraum verfügen als etwa die Deutsche Bank, meinen Analysten von J.P. Morgan Cazenove. Allerdings könne sich die Lage noch ändern, falls sich die Lobbyisten der Branche bei Regulierern mit ihren Forderungen durchsetzten.Das zusätzliche Ungemach droht den Banken durch die Einführung eines maximalen Verschuldungshebels (Leverage Ratio), so J.P. Morgan. Regulierer wollen die Banken zwingen, außerbilanzielle Verpflichtungen bei der Berechnung der Quote aus Geschäftsvolumen und Eigenkapital zu berücksichtigen. Von dieser Vorschrift betroffen wären Export- und Handelsfinanzierungsgeschäfte der Großbanken, weil die dort gewährten Anzahlungsgarantien und Akkreditive bisher als Eventualverbindlichkeiten gelten und damit nicht in die Bilanzen einfließen.Die Deutsche Bank weist J.P. Morgan zufolge nicht zuletzt deswegen außerbilanzielle Geschäfte – Derivate nicht berücksichtigt – von 257 Mrd. Dollar aus, während dieses Volumen bei HSBC 644 Mrd. und bei Royal Bank of Scotland 408 Mrd. Dollar beträgt. Durch die Berücksichtigung dieser Positionen steige der Verschuldungshebel aller betrachteten europäischen Kreditinstitute erheblich, warnen die Analysten.Bei der Deutschen Bank, die 5 % ihrer Erträge in der Handels- und Exportfinanzierung erzielt, droht der Hebel laut der J.P.-Morgan-Studie von 25,6 auf bis zu 29,7 zu steigen. Bei Standard Chartered, die ein Zehntel ihrer Erträge in diesem Geschäftsfeld erwirtschaftet, droht ein Anstieg von 15,1 auf bis zu 18,1. Auch die Position von HSBC (5 % Ertragsanteil) ist vergleichsweise komfortabel; hier wird ein Anstieg von 15,5 auf bis zu 18,3 vermutet. Das von den Regulierern gegenwärtig vorgesehene Verschuldungsmaximum von gut 33 – entsprechend einer Quote von 3 % – werde in den betrachteten Szenarios bei keiner der 16 untersuchten europäischen Banken erreicht, betont J.P. Morgan. Allerdings dürften einige Institute durch die Einbeziehung außerbilanzieller Posten nah an diese Grenze geraten und dadurch an Handlungsspielraum verlieren.Sie dürften darauf reagieren, indem sie ihre Handelsfinanzierungen reduzierten, was bei diesem Geschäft relativ kurzfristig geschehen könne, warnen die Analysten. Das Wachstum des weltweiten Handels könnte gehemmt werden.Derzeit bemühen sich die Lobbyisten der betroffenen Banken bei der Europäischen Union um Erleichterungen bei der Berechnung der Verschuldungshebel, wenn es an die Umsetzung von Basel III geht. Die Deutsche Bank dringt hierauf bereits seit längerem. Gerade sehr stark exportorientierte Länder wie Deutschland wären von Einschränkungen für Handelsbanken “sehr negativ betroffen, und zwar der Mittelstand, aber auch Großkonzerne”, sagte Werner Steinmüller, Head of Global Transaction Banking bei der Deutschen Bank, der Börsen-Zeitung 2011 (vgl. BZ vom 8.3.2011). Schwache QuotenGenerell zählen Deutsche Bank und Commerzbank zu den Schlusslichtern in Europa, was die Kapitalausstattung nach Basel III betrifft. Dies zeigt eine Analyse von SNL Financial. Während die beiden deutschen Großbanken per Ende 2012 Kernkapitalquoten von lediglich 7,2 % (Deutsche Bank) bzw. 7,7 % erwarten, zeigte die italienische Intesa Sanpaolo bereits zur Jahresmitte eine Quote von 10,4 %, legt man die volle Anwendung der Baseler Regeln zugrunde (siehe Grafik). Auch HSBC zählt mit 10,3 % zu den Großbanken mit der üppigsten Kapitalausstattung. Allerdings seien die Zahlen nur bedingt vergleichbar, da ihnen unterschiedliche Annahmen zugrunde lägen und sie nicht in einheitlichem Format publiziert würden, moniert SNL.