Hanno Berger im Cum-ex-Prozess zu acht Jahren Haft verurteilt
Hanno Berger zu acht Jahren Haft verurteilt
Landgericht Wiesbaden verurteilt Steueranwalt in weiterem Cum-ex-Prozess – BGH dürfte endgültiges Urteil sprechen
Im Cum-ex-Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden erging gestern das Urteil. Der Steueranwalt Hanno Berger soll für acht Jahre und drei Monate in Haft. Außerdem sollen er 1,1 Mill. Euro zahlen. Berger bezeugte bis zuletzt seine Unschuld und nahm die Urteilsbegründung immer wieder mit Kopfschütteln zur Kenntnis.
Von Thomas List, Wiesbaden
Am Ende war es etwas mehr als in Bonn, wo Hanno Berger im Cum-ex-Prozess Ende vergangenen Jahres zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Am Dienstag erging das Urteil der 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden: acht Jahre und drei Monate (Az. 6 KLs – 1111 Js 18753/21). Damit blieb die Kammer unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von zehn Jahren und sechs Monaten. Im Bonner Verfahren hat Berger bereits Revision eingelegt, in Wiesbaden wird er dies mit großer Sicherheit tun, so dass schließlich der Bundesgerichtshof entscheiden muss. Es wäre schon eine sehr große Überraschung, wenn das oberste deutsche Zivil- und Strafgericht die Strafbarkeit des von Berger zwar nicht erfundenen, aber für vermögende Privatkunden anwendbar gemachten Aktienhandels rund um den Hauptversammlungstag zum Zwecke der Auszahlung nicht entrichteter Kapitalertragsteuer nicht bestätigen würde.
In den drei in Wiesbaden verhandelten Fällen lag die Schadenssumme bei 113 Mill. Euro. Insgesamt dürfte der Fiskus durch Cum-ex-Geschäfte um einen zweistelligen Milliardenbetrag betrogen worden sein. Berger beharrte bis zuletzt darauf, dass es eine Gesetzeslücke gab, die er habe ausnutzen dürfen. Das versuchte er in stundenlangen Ausführungen vor Gericht durch Verweise auf Urteile und Fachaufsätze zu beweisen. Richterin Kathleen Mittelsdorf trat dem in der Urteilsbegründung entschieden entgegen. Berger habe „nur passende Zitate genannt“, sich „eklatant von Recht und Gesetz entfernt“ und verfüge damit über eine „hohe kriminelle Energie“. Er habe billigend in Kauf genommen, dass der Steueranspruch des Staates verletzt wird. In dem von Berger entwickelten Modell gehe es nicht um Steuerersparnis, sondern um einen „Griff in die Staatskasse“, den der Angeklagte mit „formaljuristischen Finessen“ zu verteidigen suche.
Allein auf weiter Flur
Wie allein Berger mit seiner Argumentation steht, wurde nach der Urteilsverkündigung erneut durch Aussagen des Pflichtverteidigers Michael Simon deutlich. Er und sein Kollege Sebastian Kaiser hätten sich mit Berger nicht auf eine gemeinsame Verteidigungsstrategie einigen können. Strafrechtlich seien die Vorgänge eben anders zu beurteilen als steuerlich. „Das Urteil war so für uns erwartbar“, so Simons Fazit. Nach der gescheiterten Revision der Urteile von Bonn und Wiesbaden rechnet er mit einer zweistelligen Gesamtstrafe. Diese darf das Gericht mit der höheren Einzelstrafe, hier also das Landgericht Wiesbaden, festlegen, erläuterte eine Gerichtssprecherin, und sie könne bis zu 15 Jahren betragen.
Der Strafrahmen in Wiesbaden lag nach Aussagen von Mittelsdorf zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Strafverschärfend wirkte neben der hohen Schadensumme das vereinbarte Erfolgshonorar von rund 2,4 Mill. Euro (wovon die Hälfte auf Berger entfiel), das er mit Hilfe von verschleiernden Rechnungen zusätzlich zum Anwaltshonorar einnahm. In der Urteilsbegründung gilt das als „grober Eigennutz“. Deshalb ordnete das Gericht die Einziehung von knapp 1,1 Mill. Euro an. Zahlungspflichtig ist Berger, der allerdings behauptet, er sei mittellos. Den Steuerschaden selbst haben bereits 2014 im Rahmen eines zivilrechtlichen Vergleichs der Kunde in den drei behandelten Fällen, die Rafael Roth Financial Enterprises (RFE), und die HVB im Verhältnis ein Drittel zu zwei Dritteln beglichen. Berger hat sich an diesem Vergleich nicht beteiligt, wie die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung anmerkte.
In der 100-minütigen Urteilsbegründung wurde auch deutlich, welch großes Rad alle Beteiligten in den Jahren 2006, 2007 und 2008 gedreht haben. Allein für 2006 bezifferte Mittelsdorf das im Namen der RFE initiierte Aktienhandelsvolumen auf 3,7 Mrd. Euro. Die HVB räumte der RFE dafür eine Kreditlinie von 500 Mill. Euro ein. Sehr deutlich werden in dem Urteil die Abläufe geschildert, die auf einem von allen Beteiligten ausgearbeiteten und akribisch verfolgten Plan basierten. In dieser Excel-Datei „German Analysis“ wurde genau festgelegt, welche Aktien wann gehandelt und wie Futures zur Absicherung eingesetzt werden sollten. Klar ersichtlich waren daraus auch die Dividenden, von denen genau 21,1% als Gewinn bei den Beteiligten, also der RFE, der beteiligten Bank und Brokern und nicht zuletzt Berger hängen bleiben sollten. Die Geschäfte seien vorab abgesprochen worden, heißt es in dem Urteil. Damit sei der Vorsatz klar belegbar.
Weitere Prozesse stehen an
In den nächsten Monaten werden weitere Verfahren eröffnet: Am 7. September vor dem Landgericht Frankfurt gegen Ulf Johannemann, den früheren Steuerchef von Freshfields Bruckhaus Deringer. Und elf Tage später vor dem Landgericht Bonn gegen den früheren Chef des Bankhauses M.M. Warburg, Christian Olearius.