IM GESPRÄCH: RALF DEGENHART, DEBEKA

Harte Zeiten für Neugeschäft und Solvenzquote

Absatz von Lebensversicherungen bricht im April um die Hälfte ein - Kapitalanleger baut Aktienportfolio aus

Harte Zeiten für Neugeschäft und Solvenzquote

Von Antje Kullrich, KölnDie Coronakrise hat der Debeka bislang nur moderat etwas anhaben können. Doch mittlerweile hinterlässt die Pandemie stärkere Spuren. Vor allem der Vertrieb erlahmt. “Bis Ende März haben wir noch kaum Schleifspuren gesehen”, sagte Debeka-Vorstand Ralf Degenhart im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Wir hatten sehr starke erste Monate und deshalb sogar ein Plus im Neugeschäft im Vergleich zum Vorjahr. Wir merken es jetzt richtig im April. Die Rückgänge im Neugeschäft liegen teilweise in der Größenordnung von 50 %.” Während der Einbruch in der Krankenversicherung – hier ist die Debeka unangefochten Marktführerin in Deutschland – mit etwa 10 % weniger drastisch ausfällt, spürt die Lebensversicherung die Zurückhaltung der Kunden stark. In der Sparte rangiert der Koblenzer Versicherer auf Position 4 im deutschen Markt.Auch die Solvenzquote in der Lebensversicherung steht unter Druck. Sie war schon vor der Pandemie relativ niedrig. Tatsächlich ist sie 2019 ohne die Übergangsmaßnahmen, die den Unternehmen 16 Jahre Zeit für die Erfüllung ihrer Eigenmittelanforderungen lassen, auf 79 % zusammengeklappt. Vor einem Jahr lag sie noch bei 164 %. Rechnet man auch den zweiten Puffer, die Volatilitätsanpassung, heraus, sind es nur 68 (i.V. 110) %. Inklusive der abmildernden Maßnahmen beträgt die aufsichtsrechtliche Solvenzquote 294 (545) %. Degenhart nennt die im Vergleich zu großen Wettbewerbern geringe Solvenzquote den “Fluch der guten Tat”. Die Debeka habe in der Vergangenheit viel an die Kunden ausgekehrt, die Mittel nicht gebunkert, habe aber gleichzeitig hohe Garantieversprechen aus der Vergangenheit im Bestand.Weiteren Druck auf die Solvenzquote in der Lebensversicherung befürchtet Degenhart durch Effekte in der Kapitalanlage. Mit 100 Mrd. Euro under Management insgesamt gehört die Debeka zu den größten institutionellen Anlegern der Republik. Etwa 90 % des Portfolios stecken in festverzinslichen Wertpapieren. Degenhart weist auf einen doppelt negativen Effekt durch mögliche Ratingherabstufungen hin: “Der Zeitwert der Anleihe sinkt. Gleichzeitig erfordert ein schwächeres Rating mehr Eigenmittelunterlegung.”Bisher halten sich die Effekte in Grenzen. Noch nicht einmal 1 % der Kapitalanlagen war bis Ende März von einer Ratingherabstufung betroffen. Degenhart jedoch sieht keinen Grund zur Entspannung und warnt: “Wir werden deutliche Auswirkungen in unserem Fixed-Income-Portfolio durch Ratingherabstufungen sehen. Die Welle wird aber erst in den nächsten Monaten kommen.” In 5 bis 7 % der Kapitalanlagen beobachtet die Debeka bereits Ratingaktivitäten. Das bedeutet, dass mindestens eine Ratingagentur schon tätig geworden ist, aber die anderen noch nicht nachgezogen haben, so dass die Eigenmittelanforderung für die Debeka nach den Solvency-II-Regeln noch unverändert ist.Für die Solvenzquote in der Lebensversicherung per 31. März ist Degenhart allerdings nicht bange. Er führt gegenläufige Effekte an: Zwar sänken die Zeitwerte von Anleihen im Bestand durch ausgeweitete Spreads, allerdings sei das Zinsniveau seit Anfang des Jahres wieder gefallen, was die Zeitwerte erhöhe. Außerdem greife die Volatilitätsanpassung. “Man sollte davon ausgehen, dass die Quote ein bisschen schlechter wird, aber nicht dramatisch”, sagte Degenhart. Kunden sollen profitierenAls Chefanleger des Versicherers sieht er für den Kapitalbestand jedoch auch Chancen: “Wir sind in den vergangenen Wochen verstärkt in Aktienengagements gegangen. Das werden wir fortsetzen”, sagt Degenhart. “Unser Ziel ist es, stärker zu diversifizieren.” Seit rund zwei Jahren verwaltet er die Kapitalanlagen, noch immer liegt die Aktienquote bei mageren 1 %. Das soll sich jedoch ändern: Der Fixed-Income-Anteil soll in zwei bis drei Jahren nur noch 80 % betragen, neben Aktien will die Debeka auch Immobilien kaufen. In der Lebensversicherung allerdings sind der Debeka beim Ausbau der Aktienquote angesichts der begrenzten Risikotragfähigkeit die Hände gebunden. Aktien werden für die anderen Sparten gekauft.An einem positiven Effekt der Coronakrise will die Debeka auch ihre Kunden beteiligen: “Wir haben sinkende Schadenzahlen in der Kfz-Versicherung und in der Unfallversicherung. Wir werden das beobachten, wie das bis zum Ende der Krise weitergeht”, berichtete Degenhart und kündigte an: “Wir werden prüfen, ob und wie wir die Schadenentlastung in irgendeiner Form an unsere Versicherten weitergeben können.”