WAS EINE ZINSWENDE BEDEUTET -- SERIE ZUR ZINSWENDE: INTERVIEW MIT OLAF OESTERHELWEG (TEIL 5)

Haspa erwartet Signal für Zinswende

Größte deutsche Sparkasse hofft auf Wegfall der Negativzinsen für Kreditinstitute bis 2020

Haspa erwartet Signal für Zinswende

– Herr Oesterhelweg, 2019 steht ein Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Rechnen Sie auch mit einer Zinswende im Euroraum?Wir gehen nicht davon aus, dass es 2019 für Sparer höhere Zinsen geben wird. Die EZB hat noch eine längere Wegstrecke für eine spürbare und nicht nur kosmetische Zinswende zu absolvieren. Aber wir rechnen im neuen Jahr schon mit Signalen für eine Zinswende. So könnte sich beispielsweise der negative Zinssatz für Einlagen bei der Zentralbank bis Ende des Jahres um 15 Basispunkte auf dann -0,25 % reduzieren.- Wann erwarten Sie eine Zinserhöhung?Den ersten tatsächlichen Zinsschritt erwarten wir frühestens im ersten Halbjahr 2020. Was das lange Ende der Zinskurve angeht, rechnen wir 2019 mit einer Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe um 0,50 %. Wir erwarten sie definitiv nicht mehr im negativen Bereich, sondern in einer Spanne von 0,25 bis 0,75 %.- Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der jahrelangen Niedrig- beziehungsweise Nullzinspolitik der Notenbank?Die Auswirkungen sind gravierend. Auf der einen Seite wollen immer mehr Sparer ihr Geld, für das sie keine Zinsen mehr bekommen, am liebsten kurzfristig anlegen. Auf der anderen Seite fragen immer mehr Kreditnehmer, insbesondere Unternehmer, billige, das heißt mit günstigen Risikoaufschlägen gepreiste Kredite für möglichst lange Laufzeiten nach. Das passt nicht zusammen. Insofern brauchen wir Mechanismen, wie wir Geldangebot und Geldnachfrage miteinander in Einklang bringen können. Darüber hinaus ergibt sich für die Kunden eine negative Realverzinsung, auch wenn sie ihr Geld längerfristig anlegen.- Da wäre noch die Gefahr der Übertreibungen in Märkten.Ja. Am Ende kann ein dauerhaftes Niedrigzinsniveau auch zu Übertreibungen in einzelnen Assetklassen führen. Die Gefahr der Bildung von Blasen ist nicht vom Tisch.- Inwieweit hat sich vor diesem Hintergrund eine Gewöhnung oder Sorglosigkeit ergeben, was den Umgang der Kreditinstitute mit dem Niedrigzinsumfeld angeht?Was die Liquidität angeht, kann ich für die Haspa sagen, dass es keine Sorglosigkeit gibt. Wir sind allerdings auch nicht in dem Maße wie die eine oder andere europäische Großbank vom Kapitalmarkt abhängig. Die Liquiditätsinstrumente der EZB haben wir nicht oder nur in geringem Ausmaß genutzt. An langfristigen Refinanzierungsgeschäften der EZB, kurz TLTRO, etwa haben wir uns gar nicht beteiligt. Insofern können wir uns auch nicht daran gewöhnen. Wir glauben, dass wir mit unserer Refinanzierungsstrategie strukturell gut aufgestellt sind. Kundeneinlagen und Hypothekenpfandbriefe, insbesondere für die längeren Laufzeiten, stehen für uns weiterhin im Vordergrund.- Auch an eine seit Jahren gut laufende Konjunktur und eine niedrige Kreditrisikovorsorge kann man sich gewöhnen.Was die Risikofacette angeht, achten wir genau auf die Kapitaldienstfähigkeit, beispielsweise bei unseren Retailkunden in der Baufinanzierung. In Hamburg gibt es einen angespannten Immobilienmarkt mit steigenden Preisen. Die sehr niedrigen Zinsen helfen unseren Kunden dabei, die steigenden Preise zu kompensieren. Es gilt aber auf eine adäquate Tilgung zu achten. Wir empfehlen einen Tilgungssatz von mindestens 2 % oder mehr, damit es am Ende nicht zu Problemen mit der Restschuld kommt.- Wie schätzen Sie die Ausgangsbedingungen ein: Sind Banken und Sparkassen in Deutschland gewappnet für eine Zinswende?Ja, die deutsche Kreditwirtschaft sollte gewappnet sein. Niemand sollte von einer Zinswende überrascht werden. Allerdings spielt auch eine Rolle, wie sich die Zinswende gestaltet. Hier kann man auf das Beispiel USA verweisen: Die Notenbank Fed hat die Zinswende durchaus vorbildlich angekündigt und umgesetzt. Wenn die EZB ähnlich verfährt, sollte die Zinswende auch in Europa kein Institut auf dem verkehrten Bein erwischen.- Wie sieht es für die Haspa aus?Wir glauben, dass wir aus verschiedenen Gründen von steigenden Zinsen profitieren würden. Zum einen wären bessere Margen über die Passivseite möglich. Aus der Fristentransformation sollten sich dann wieder höhere Erträge erwirtschaften lassen. Zum anderen halten wir Pensionsrückstellungen auf der Bilanz, die in einer Niedrigzinsphase über den Bewertungszins zu Belastungen führen. Im Zuge einer Zinswende würde diese Belastung abnehmen.- Welche Einnahmen stehen für die Haspa im Zuge einer Zinswende auf dem Spiel?Es gehört zum Wesen einer Marktwirtschaft, dass stets alle Einnahmen auf dem Spiel stehen. Wer zu langsam ist, läuft Gefahr, weniger erfolgreich zu sein und Einnahmen zu verlieren. Das gilt gerade bei Umfeldveränderungen, wenn sich Chancen für neue Marktteilnehmer ergeben. Wenn es zu einem deutlichen Zinsanstieg kommen sollte, wird es auch im zinstragenden Geschäft zu einem verstärkten Wettbewerb kommen. Aber auch auf ein solches Szenario sind wir mit unserer Verankerung in der Region, der Nähe zu den Menschen und unserem Geschäftsmodell als persönlichste Multikanalbank in Hamburg gut vorbereitet. Die Haspa würde von einem Zinsanstieg profitieren.- Wie schnell darf aus Ihrer Sicht der Zinsanstieg kommen?Eigentlich hätte der Zinsanstieg schon kommen können, auch unsere Kunden hätten das begrüßt. Aus unserer Sicht gilt jetzt: Je früher die Zinswende, desto besser, aber nicht allzu abrupt. Von großer Bedeutung ist die Berechenbarkeit der Zentralbank. Die EZB sollte klare Signale geben und dann die Zinsschritte verlässlich umsetzen.- Mit welchem Anlegerverhalten rechnen Sie im Zuge einer Zinswende?Wir erwarten zunächst keine wesentlichen Veränderungen. Ein Zinsniveau unter 2 % ist für Retailkunden aus unserer Sicht bei mittleren Laufzeiten und bester Bonität nicht attraktiv genug. Insofern ist nicht mit großen Umschichtungen zu rechnen.- Welche Geschäftsfelder dürften mit steigenden Zinsen interessanter werden?Unsere Kunden verspüren derzeit nicht den Drang zu Anlagen mit langen Laufzeiten. Das wird sich im Zuge einer Zinswende ändern. Kunden werden von höheren Zinserträgen profitieren, wir als Sparkasse von höheren Margen. Neben dem Passivgeschäft ist die Fristentransformation bei einer steileren Zinskurve wieder attraktiver. Bei den Eigenanlagen lässt sich die eine oder andere Duration in Zinsüberschuss übersetzen. Zu vergessen ist aber auch nicht, dass in der Vermögensverwaltung ein wieder existenter Zins von Vorteil sein sollte.- Rechnen Sie bei einer Zinswende im Privatkundengeschäft – möglicherweise mittel- bis langfristig – mit einem Comeback des gebührenfreien Girokontos in der deutschen Kreditwirtschaft?Wir haben als erster in der deutschen Kreditwirtschaft vor 18 Jahren, als das Zinsniveau ein anderes war als heute, das Mehrwertkonto eingeführt. Das läuft sehr erfolgreich. Wir werden daher auch nach einer Zinswende sicherlich nicht auf ein kostenloses Girokonto umschwenken. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass viele Wettbewerber das tun werden. Jede erbrachte Leistung muss ihren Preis haben.- Wettbewerb und Margenerosion machen das Geldverdienen im Firmenkundengeschäft schwierig bis unmöglich. Womit ist nach einer Zinswende zu rechnen?Harten Wettbewerb sind wir in Hamburg gewohnt. Den spüren wir auch im Firmenkundengeschäft. Da gilt es nicht nur über den Zins zu punkten, sondern auch über andere Faktoren wie kompetente Kundenberatung und klare Branchenorientierung. Grundsätzlich gilt aber auch der Zusammenhang: Wenn Liquidität knapper wird, dann wird das Risiko auch wieder besser bezahlt. Insofern werden die Margen da tendenziell auch steigen.- Wie sieht aktuell das Verhältnis zwischen Firmen- und Privatkundengeschäft aus, was den Zinsüberschuss angeht? Welche Verschiebungen könnten sich hier im Zuge einer Zinswende ergeben?Grundsätzlich trägt das Kundengeschäft den ganz wesentlichen Teil zum Zinsüberschuss bei. Aktuell entfällt auf das Firmenkundengeschäft der größere Teil. Dies wird mit Blick auf ein moderat steigendes Zinsniveau auch in näherer Zukunft so bleiben, allerdings profitieren wir im Privatkundengeschäft stärker von steigenden Zinsen als im Firmenkundengeschäft, also wird der Unterschied geringer.- Wie legt die Haspa an? Welche Änderungen könnten sich im Zuge einer Zinswende ergeben?Wir sind auf unserer Aktivseite grundsätzlich durch das Kundenkreditgeschäft geprägt, haben eine Direktanlage zur Liquiditätssteuerung und eine überschaubare Kapitalanlage, die im Wesentlichen mit Aktien, Immobilien und Corporates auch aus Diversifikationsgründen bestückt ist. Die Kapitalanlage ist für uns von abnehmender Bedeutung.- Die EZB berechnet Banken Negativzinsen: Wie groß sind die Belastungen durch die Zinspolitik für die Haspa?Das Zinsumfeld ist für Retailbanken eine immer größer werdende Herausforderung. Die Passivmargen leiden, die Möglichkeiten zur Fristentransformation sind eingeschränkt, die Möglichkeiten der Eigenanlagen sind ebenfalls limitiert. Pensionsrückstellungen werden bei HGB-Bilanzierern mit einem Bewertungszins bewertet, der immer kleiner wird. Die barwertigen Effekte müssen unmittelbar in einer Periode ausgeglichen werden. Das sind erhebliche Belastungen, die auch durch ein gutes konjunkturelles Umfeld mit niedrigen Bewertungsergebnissen im Kreditgeschäft nicht zu kompensieren sind. Insofern sind die Negativzinsen eine zusätzliche Belastung, die sich in unserem Fall in jedem Jahr auf einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag beläuft.- Die expansive Geldpolitik hat dazu geführt, dass Banken Kunden Negativzinsen in Rechnung stellen. Welche Maßnahmen hat die Haspa ergriffen? Welche Folge hätte eine Zinswende?Wenn Kunden größere Beträge auf Giro- oder Tagesgeldkonten einzahlen, dann kostet uns das täglich sehr viel Geld. Dabei buchen Kunden zunehmend Geld von Konten anderer Banken, die ihrerseits Verwahrentgelt berechnen, auf unsere Konten um. Daher haben wir uns 2018 entschlossen, die Freibeträge für das Verwahrentgelt anzupassen. Wir nehmen bei Privatkunden inzwischen ab einer halben Million Euro und bei Firmenkunden ab einer viertel Million Euro Verwahrentgelte bei den darüber hinausgehenden Beträgen. Der Zins von 0,40 % deckt den Strafzins der EZB, deckt aber bei Weitem nicht alle Kosten, weil wir auch in die Einlagensicherung einzahlen müssen. Dabei handelt es sich auch um einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag, den wir jährlich überweisen. Wenn die EZB ihre Zinspolitik nachhaltig ändert und die Strafzinsen für Banken abschafft, gibt es auch für uns keine Veranlassung mehr, von unseren Kunden ein Verwahrentgelt zu nehmen.- Mit welchen Folgen durch eine Kreditverteuerung rechnen Sie im Zuge einer Zinswende? Inwieweit bestehen hier potenzielle Problemquellen für die Zukunft?Die Haspa hatte in den vergangenen Jahren bei einer Bilanzsumme von mehr als 40 Mrd. Euro sehr niedrige Kreditbewertungsergebnisse im einstelligen Millionen-Euro-Bereich. Das wird nicht so bleiben. In unserer Mittelfristplanung rechnen wir mit steigenden Bewertungsergebnissen im Kreditgeschäft.- Zum Schluss eine Handlungsempfehlung für die EZB im neuen Jahr.Wir wünschen uns, dass in den nächsten beiden Jahren die Negativzinsen für Kreditinstitute wegfallen und die EZB ein Stück weit zur Normalität zurückkehrt. Und dass die Zentralbank die positiven konjunkturellen Entwicklungen der vergangenen Jahre in Europa in ihrer Geldpolitik reflektiert und moderat die Zinsen erhöht, um im Falle einer möglichen Krise auch im Zinsbereich handlungsfähig zu sein. Die Beendigung der Wertpapierkäufe zum Jahresende 2018 war ein erster Schritt in Richtung Normalität.—-Das Interview führte Carsten Steevens.—-Zuletzt erschienen:- Niedrigzinsgewinner fürchten um Erträge (9. Januar)- Das Provisionsergebnis holt auf (8. Januar)- Laxe Kreditvergabe droht sich zu rächen (5. Januar)