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Heinrich Haasis 75

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 18.4.2020 Die Corona-Pandemie hat Heinrich Haasis einen Haufen Arbeit "beschert". Der ehemalige Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) ist seit 2012 Vorstandsvorsitzender der...

Heinrich Haasis 75

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtDie Corona-Pandemie hat Heinrich Haasis einen Haufen Arbeit “beschert”. Der ehemalige Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) ist seit 2012 Vorstandsvorsitzender der Sparkassenstiftung für internationale Kooperation. Die entwicklungspolitische Einrichtung der S-Finanzgruppe, die sich das Ziel “Armutsbekämpfung durch finanzielle Inklusion” auf die Fahne schreibt, ist mit mehr als 300 Mitarbeitern in 50 Projektländern unterwegs, um möglichst vielen Menschen Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen und so Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Unterstützt wird sie vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und einer Reihe weiterer Institutionen.Unter der Ägide von Haasis, der mit Herzblut bei der Sache ist, wurde das Engagement in Afrika, Lateinamerika, Zentralasien und Südostasien ausgeweitet. Das Projektvolumen (2018 rund 21 Mill. Euro) hat sich binnen zehn Jahren verdreifacht. Die Ausbreitung des Coronavirus brachte es nun mit sich, dass – soweit gewünscht – die Rückkehr vieler der im Ausland eingesetzten Mitarbeiter aus Sparkassen, Landesbanken und Verbundunternehmen zu bewerkstelligen war, weshalb es “genügend zu tun” gab, wie Haasis im Gespräch sagt.Ansonsten beschäftigt er sich, selbst bei guter Gesundheit, zurzeit aus Interesse intensiv mit Corona-Infektions- und -Reproduktionskurven – um festzustellen, dass in mancher Klinik 1 000 (!) Betten leer stünden und die Heldinnen und Helden des Alltags Überstunden abfeierten, weil “normale” Patienten, außer in Notfällen, nicht mehr aufgenommen würden. Das überörtliche Management funktioniere im Gesundheitswesen nicht gut, sagt Haasis, und man spürt förmlich, wie es den auf allen politischen Ebenen exzellent vernetzten langjährigen Bürgermeister, Landrat und Landtagsabgeordneten in den Fingern juckt, dabei zu helfen, die herausfordernde Situation besser zu organisieren.Für die von Niedrig- und Negativzinsen “ins Mark getroffenen” Sparkassen und andere regional verankerte Institute könne die Coronakrise durchaus auch eine Chance sein, meint Haasis. Sei doch der Mittelstand gerade jetzt auf kenntnisreiche Begleiter vor Ort angewiesen. Viel zu verdienen sei freilich mit dem Verteilen fremder Gelder wie KfW-Krediten nicht, mit der Auflösung von Wertberichtigungen, die zuletzt die Ergebnisse stützte, sei es vorbei und bei den Niedrigzinsen kein Ende in Sicht. Eher werde es mangels Inflation – wo solle die bei fehlender Nachfrage herkommen? – noch schlimmer. Für eine Bündelung der KräfteWas hält der Mann, der von 2006 bis 2012, in der Zeit der Finanzkrise und der Anfänge der europäischen Staatsschuldenkrise, an der Spitze des DSGV stand, von den Plänen seines Nachnachfolgers Helmut Schleweis für ein Zentralinstitut und eine Fusion von DekaBank und Helaba als Schritt dorthin? “Ein ganz neues Thema”, sagt er im Scherz. Haasis ist als Befürworter einer Bündelung der Kräfte unter den Verbundunternehmen bekannt (“Sparkasse lokal, Verbund zentral”). Zum Beispiel hat er 2008 versucht, LBBW und WestLB zusammenzubringen – und ist heute heilfroh, dass die Initiative, für die er heftige Vorwürfe aus NRW einstecken musste, weil er es gewagt hatte, die Überlebensfähigkeit der WestLB anzuzweifeln, damals scheiterte. Seit der Schaffung der SV SparkassenVersicherung in Stuttgart bald nach der Jahrhundertwende – Haasis war vor dem Wechsel nach Berlin Präsident des württembergischen und dann des fusionierten baden-württembergischen Sparkassenverbandes – sei auf dieser Ebene in Sachen Konsolidierung nicht viel passiert. “Die Gruppe ist halt nicht ganz so schnell”, sagt er. Mal davon abgesehen, dass im Zuge der Finanzkrise die eine oder andere Landesbank aufgefangen werden musste oder unterging. Zu den aktuellen Überlegungen äußert sich Haasis nicht. Im Moment habe man sowieso andere Sorgen.Haasis, unter dessen Ägide die Sparkassen für mehr als 5 Mrd. Euro die Landesbank Berlin samt Sparkasse vom Land erwarben und die DekaBank komplett in das Eigentum der Sparkassen überging, ist Ehrenmitglied des DSGV und Ehrenpräsident des Weltinstituts der Sparkassen und Retailbanken, an dessen Spitze er sechs Jahre stand. Seine Freizeit verbringt er mit Spaziergängen und Radfahren, die Natur liegt direkt vor der Haustür am Fuße der Schwäbischen Alb. Vorgenommen hatte er sich, in der Zeit der Kontaktverbote Akten zu sortieren, konnte sich aber bisher erfolgreich davor drücken. Am Dienstag vollendet Haasis sein 75. Lebensjahr. Größer gefeiert wird nolens volens erst nach Corona.