Helmut Geiger 90
ski – Die deutsche Sparkassenorganisation besteht aus 749 Sparkassen, die Mitglieder von 13 Regionalverbänden sind, und zwölf Landesbanken. Alle zusammen bringen eine Bilanzsumme von 2 Bill. DM auf die Waage. Diese Daten entnehmen wir einem 1992 von Helmut Geiger verfassten Buch, das den Stand von Ende 1991 wiedergibt. Bis heute hat sich die Zahl der Sparkassen auf 385 knapp und jene der echten Landesbanken auf sechs genau halbiert. Die Bilanzsumme liegt in der Gegend von 2,1 Bill. Euro. Abgesehen davon, dass es immer noch ein Dutzend Regionalverbände gibt – die Verbände von Baden und Württemberg haben 2001 fusioniert -, war also entgegen anderslautenden Gerüchten in der jüngeren Geschichte durchaus ziemlich viel Bewegung in der Sparkassen-Finanzgruppe, auch was das Thema Konsolidierung angeht. An Bewegung bestand auch in der Amtszeit von Helmut Geiger als Präsident – übrigens der erste hauptamtliche – des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) von 1972 bis 1993 kein Mangel. Schon weil in seine zumindest für ein Spitzenamt in der Kreditwirtschaft einzigartige Mandatsdauer von 21 Jahren – deshalb nennt man ihn auch “den ewigen Präsidenten” – die deutsche Einheit fiel. Der Wiederaufbau eines vom DDR-Staatsbanksystem befreiten Sparkassenwesens in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung gehört zu Geigers bleibenden persönlichen Verdiensten. Schon kurz nach dem Fall der Mauer hatte er eine Solidaritätsaktion in Form von Patenschaften der West-Sparkassen für die Schwesterinstitute im ehemaligen Arbeiter-und-Bauern-Staat organisiert und damit entschlossen und tatkräftig wesentlich zum Aufbau Ost beigetragen. Seiner Gruppe predigte Geiger modernes Marketingdenken und Kostenbewusstsein, und er arbeitete auf die Bündelung der Kräfte hin. Nicht immer mit Erfolg: Sein Plan, alle Landesbanken zu einem einzigen Spitzeninstitut zusammenzuführen, scheiterte 1989 am real existierenden deutschen Föderalismus. Anwalt der SparerWer heute in einer Umfrage zum “bekanntesten und besonders kompetenten Repräsentanten” der deutschen Kreditwirtschaft gewählt würde, wissen wir nicht und wollen dazu auch keinen Tipp abgeben. Vor 30 Jahren jedenfalls konnte es nur einen geben: Journalisten und Bundestagsabgeordnete – die “SparkassenZeitung” erinnert in ihrer aktuellen Ausgabe daran – verliehen diesen Titel 1988 an Helmut Geiger. Der Diplom-Volkswirt und Jurist, dessen Berufsweg 1957 als wissenschaftlicher Assistent der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begonnen hatte und der 1965 kurzzeitig selbst Bundestagsabgeordneter (CSU) wurde, war schlicht konkurrenzlos nicht nur, was seinen Bekanntheitsgrad anging, sondern auch hinsichtlich seiner Fähigkeit, dem jeweiligen Publikum komplexe ökonomische Zusammenhänge in verständlichen Worten nahezubringen.Die heutige Generation “Ü 60” ist zwei Jahrzehnte lang sozusagen mit Helmut Geiger aufgewacht. Wer in den siebziger bis in die frühen neunziger Jahre morgens das Radio einschaltete oder die Zeitung aufschlug, konnte dem damaligen Sparkassenpräsidenten kaum entgehen. Seinerzeit gab es ja noch Zinsen. Und wer beispielsweise den Zusammenhang von Zinsen und Inflation oder auch den Einfluss der Wechselkurse auf die Konjunktur verstehen wollte, musste nur Geiger zuhören, dem Anwalt der Sparer, der auch lange der damaligen Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer vorsaß. Der war schon um 6 Uhr morgens auf Sendung, und so hatte man etwas gelernt, noch bevor man am späteren Vormittag zur Uni fuhr. Das Leben wird mit dem Alter beschwerlicher, aber Geiger geht es verhältnismäßig gut. Er nimmt weiterhin an Sitzungen der 1991 auf seine Initiative hin gegründeten Sparkassenstiftung für internationale Kooperation teil, die bisher weltweit mehr als 200 Projekte in über 80 Ländern betreut hat. Gesehen wurde er auch in diesem Jahr beim Parlamentarischen Abend des DSGV, und regelmäßig kann man ihn nach wie vor in Berlin in der Philharmonie treffen. Am Dienstag vollendet Helmut Geiger sein 90. Lebensjahr.