Hessens Sparkassen liebäugeln mit Nord/LB-Ausstieg
Auch Hessen erwägt Nord/LB-Ausstieg
Reuters Frankfurt
Nach den ostdeutschen Sparkassen haben nun die Sparkassen in Hessen-Thüringen ihren Willen zu einem Ausstieg aus der Nord/LB signalisiert. Dabei seien verschiedene Ansätze wie ein Anteilstausch denkbar, sagte Sparkassenpräsident Stefan Reuß. Darin stellte er auch Zuschreibungen bei den Eigenanlagen im dreistelligen Millionenbereich in Aussicht und plädierte für Konsolidierung.
Nachdenken über die Braunschweigische Landessparkasse
“Wir könnten uns durchaus vorstellen, unsere über die Fides-Gesellschaften gehaltenen Nord/LB-Anteile abzugeben, sollte Niedersachsen ein entsprechendes Angebot vorlegen”, sagte Reuß. Interessant finde er zudem die Idee, eine Herauslösung der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) aus der NordLB zu prüfen. Die deutschen Sparkassen könnten “die BLSK übernehmen und im Gegenzug ihre NordLB-Anteile an Niedersachsen abgeben”.
Hintergrund ist ein Streit der NordLB-Eigner um die künftige Ausrichtung der Landesbank, die nach ihrer Milliardenrettung wachsen möchte. Niedersachsen, das 58% der Anteile hält, steht hinter der NordLB, während die Sparkassen außerhalb Niedersachsens skeptisch sind, weil sie neue Risiken befürchten. Seit der Rettung ist der bundesweite Sparkassen-Sektor, darunter die Sparkassen in Hessen, über die so genannten Fides-Gesellschaften mit 24% an der Nord/LB beteiligt.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hatte unlängst mit der Aussage überrascht, er wünsche sich zwar eine Einigung der Träger. Sollte dies nicht möglich sein, dann gebe “es auch die Möglichkeit, eine solche Partnerschaft freundschaftlich und einvernehmlich zu beenden”. Konkreter wurde er nicht, aber er erweckte damit den Eindruck, dass er den Sparkassensektor notfalls aus dem Eigentümerkreis herauskaufen wolle. Was vielleicht als Drohung gedacht war, klingt für viele Sparkassen offenbar interessant. Schon vor zwei Wochen hatte der Präsident der Ost-Sparkassen, Ludger Weskamp, erklärt, er könne sich eine Abgabe der Nord/LB-Anteile vorstellen.
Zudem wurde im Sektor ein konkreter Plan zur Herauslösung der BLSK erarbeitet. Nach einer solchen Transaktion würden die Fides-Gesellschaften des Sparkassen-Sektors dann nicht mehr an der NordLB beteiligt sein, sondern stattdessen rund 88% an der neuen BLSK halten.
Entsponnen hatte sich der Streit der NordLB-Eigentümer am Wunsch der Bank, eine neue Banksteuerungs-IT einzuführen, die einigen Sparkassen als zu teuer erscheint. „Die Helaba führt gerade eine neue Banksteuerung ein. Daher können wir ganz gut die benötigten Größenordnungen beurteilen”, sagte Reuß, dessen Sparkassen die Mehrheit an der Helaba halten.
Zudem forderte er Weil auf, konkreter zu werden: „Es wäre sehr hilfreich, wenn Niedersachsen klar und deutlich sagt, was es mit der NordLB vorhat. Hier ist der Ministerpräsident unklar geblieben.”
Bei einer NordLB-Komplettübernahme durch Niedersachsen müsste die Bank konsequenterweise auch das Sicherungssystem der Sparkassen verlassen, sagen Reuß und andere im Sektor. Eine Hürde ist das nicht. “Das wäre für die Sparkassen kein Neuland”, erklärte Reuß. Bei der ehemaligen Landesbank HSH Nordbank wurde soetwas bereits umgesetzt.
Milliarden-Abschreibung
Zuversichtlich ist Reuß bei den Wertpapier-Eigenanlagen seiner knapp 50 Sparkassen, nachdem diese im vergangenen Jahr rund 1,3 Milliarden Euro abschreiben mussten. Das Prognosesystem “legt den Schluss nahe, dass es 2023 Zuschreibungen geben dürfte”, sagte er. “Nach derzeitigem Stand gehen wir von einer Größenordnung von 160 Millionen Euro aus.“
Dass sich bei den Immobilien-Eigenanlagen ein neuer Brandherd entwickeln könnte, glaubt der Präsident nicht. Es gebe keine Anzeichen für größere Wertberichtigungen. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken hatte im Mai angesichts steigender Zinsen vom stärksten Preisabfall bei Immobilien in Jahrzehnten berichtet.
Auch das Immobilien-Kreditgeschäft bereite ihm noch keine Sorgen. Die Sparkassen hätten ausreichend Vorsorge getroffen und es deute derzeit nichts auf eine Häufung von Ausfällen hin. Dasselbe gelte bei Firmenkrediten.
Mit Blick auf ein mögliches Sparkassen-Zentralinstitut zeigte sich Reuß erneut als Befürworter. “Für die Sparkassen würde eine Landesbank reichen, zumal die Anzahl der Sparkassen in den vergangenen Jahren auf rund 350 gesunken ist”, sagte er. Ob die DekaBank Bestandteil eines Zentralinstituts sein solle, müsse man in der Gruppe diskutieren.
Reuß gestand ein, dass die zuletzt guten Bilanzzahlen der Landesbanken nicht gerade helfen, Konsolidierung voranzutreiben. Er warb dafür, die Position der Stärke zu nutzen, um hier Weichen für die Zukunft zu stellen.
“Wir sollten die Zusammenarbeit der Landesbanken vorantreiben”, sagte er. “Nicht alle Landesbanken müssen alles machen. Man könnte sich anschauen, ob es beispielsweise im Immobilien- oder auch im Kapitalmarktgeschäft Lösungen gibt, von denen alle Seiten profitieren.“ Zuletzt hatte sich die Helaba bereits mit der LBBW auf die Bündelung bestimmter Geschäfte verständigt.
Parallel verwieß Reuß auf den Mangel an Arbeitskräften. Die zunehmenden Engpässe auf dem Arbeitsmarkt bekämen die Sparkassen zunehmend zu spüren. Vor allem bei kleineren Häusern sei das ein Problem. Das liege auch daran, dass die Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Hinzu komme, dass immer mehr Mitarbeiter für regulatorische Fragen abgestellt werden müssten. Arbeitskräfte sind “ein Maga-Thema für die Sparkassen”, erklärte Reuß.