Heute garantiert nur steter Wandel das Überleben
Niedrigzinsphase, Margendruck und das zunehmend digitale Leben nicht nur der jungen Generation stellen Banken vor immense Herausforderungen. Doch sie können vom Spannungsfeld zwischen Kostensenkung und Kundenzentrierung profitieren.In Deutschland reden viele Experten davon, dass es zu viele Banken gibt, die viel zu viele Filialen betreiben. Nicht zuletzt wegen des im internationalen Vergleich sehr dichten Filialnetzes leiden deutsche Institute unter vergleichsweise hohen Kosten im Privatkundengeschäft. Für einige Bankstrategen ist daher das Eindampfen des Filialnetzes die logische Forderung. Doch fragt man den Kunden, dann sieht das komplett anders aus.Drei- bis fünfmal pro Monat sucht ein durchschnittlicher Kunde derzeit seine Bankfiliale auf. Meistens geht er allerdings nicht in die Filiale hinein, sondern hält sich in der SB-Zone auf. Dort holt er sich seine Kontoauszüge und Bargeld – Deutschland ist und bleibt auch auf absehbare Zeit ein Bargeldland. Mehr als jede vierte Hauptbankverbindung wird deshalb gewechselt, weil die Filiale des neuen Instituts besser zu erreichen ist. Wer also Filialen schließt, der wird auch viel Vertrauen und eine Menge Kunden einbüßen. Die Lösung kann also nicht ein Abbau der Filialen sein, sondern nur die effizientere Aufstellung der Filialen.Mehr als 80% der Banken glauben mittlerweile, dass eine Veränderung ihrer Filialen und Filialnetze notwendig ist, um weiterhin erfolgreich zu sein. Laut einer Studie des IT-Markt-forschungs- und Beratungsunternehmens International Data Corporation (IDC) werden Banken weltweit in den kommenden Jahren rund 16 Mrd. US-Dollar in die Filialtransformation und die dabei eingesetzten neuen Technologien investieren.Zunächst einmal sollte das bestehende Filialnetz und dessen vorhandene Infrastruktur analysiert werden: Wie effizient ist ein Filialstandort mit Blick auf das Produktportfolio, den Beratungsaufwand und den damit erzielten Ertrag? Welche Produkte und Dienstleistungen generieren die höchsten Umsätze? Welche Produkte werden besonders häufig genutzt und wann wenden sich Kunden lieber an den Mitbewerber? Ist der Standort der Filiale bezogen auf die Kundenfrequenz noch optimal? Wann kommen wie viele Kunden in die Filiale? Wie sind die Kundenströme innerhalb des Raumes? Was tun die Kunden wo? Wo halten sie sich wie lange auf? Wie muss diese Filiale gestaltet sein, um optimalen Kundenservice bieten zu können? Welches der vorhandenen Geräte verursacht welche Betriebskosten? Beim Sammeln dieser Daten unterstützen Beratungsunternehmen wie Wincor Nixdorf die Banken.Nur wer den Überblick über derzeitige Kosten und mögliche Einsparpotenziale hat, kann Szenarien gegeneinander durchrechnen und die Perspektiven der verschiedenen Geschäfts- und Filialmodelle bestimmen. Dazu tragen optimale Bargeldprozesse vom Cash Recycling bis hin zum intelligenten Bargeldmanagement bei, aber auch die Verknüpfung von Filialservices mit anderen Kanälen, so dass die Institute Fehlinvestitionen in zu geringe oder zu hohe IT-Ausstattung vermeiden können. Im Ergebnis stehen für die Bank oder Sparkasse eine optimale Aufwandsseite und die Steigerung der Ertragsseite. Unsere Erfahrungen belegen, dass durch optimal aufgestellte Filialen 25% mehr Kundenkontakte zustande kommen bei einer gleichzeitigen Effizienzsteigerung von rund 30%.Als Nächstes wird der für den jeweiligen Standort passende Filialtyp bestimmt. Die Herausforderung für die Bank oder Sparkasse besteht in der Auswahl, was aus der jeweiligen Filiale werden soll. Welche Filiale ist in welches neue Konzept und in welchen Filialtyp zu überführen? Es werden sich die sogenannten “Hub & Spoke”-Konzepte durchsetzen, bei denen alle Fäden in großen Beratungszentren und FlagshipStores zusammenlaufen.Dazu reicht es nicht, die Hauptstelle mit Sofas zu einer Lounge umzugestalten, schicke Kaffeeautomaten hinzustellen und Tablets bereitzulegen. Das ist eine zusätzliche Annehmlichkeit, aber den Kunden geht es ums Kerngeschäft der Banken. Sie erwarten von ihrer Hausbank vor allem fachkundige und exzellente Beratung in Finanzangelegenheiten, die ihre persönliche Lebenssituation berücksichtigt. Wer sich in einer Filiale beraten lässt, hat zumeist schon die Standardangebote im Netz durchforstet und nichts Passendes gefunden – oder ist emotional so mit seiner Bank verbunden, dass er ihr die Chance auf Geschäft geben will.Durch das Bündeln der Fachkompetenzen und den Ausbau des Beratungsangebots werden die großen Filialen gestärkt und zu Beratungszentren. Neben der Flagship-Filiale wird es Full-Service-Filialen geben, aber auch Mini- und SB-Filialen, Shop-in-Shop-Filialen, die mitarbeiterlose Box oder Präsenz durch Geldautomaten. In unbemannten Filialen wird eine Kommunikation mit Beratern im Kompetenzzentrum üblich. Die Übergänge zwischen den Filialtypen sind fließend.Der Erfolg einer neuen Filiale steht oder fällt mit deren Akzeptanz durch den Kunden. Dazu müssen nicht nur die jeweiligen Kanäle Filiale, Online und Mobile jeweils für sich gesehen perfekt bedient werden. Vielmehr ist die Filiale komplett zu integrieren in die digitale Welt, in der sich immer mehr Kunden ständig bewegen und auch ihre Bankgeschäfte erledigen. Das ist eine enorme Herausforderung, eröffnet aber auch große Chancen, denn Erfahrungswerte belegen, dass die Kundenzufriedenheit durch eine besser aufgestellte Filialinfrastruktur steigt. Die Weiterempfehlungsquote, also der Net Promoter Score, erreicht vorher nie dagewesene Höhen. Und nicht zuletzt können die Geldinstitute in den unterschiedlichen Filialtypen auch Innovationen einfacher ausprobieren.Innovative Technik bedeutet dabei unter anderem, dass die SB-Geräte in der Filiale eine Brücke zu anderen Kanälen schlagen. Individuelle Einstellungen und intuitiv bedienbare Touch-Oberflächen sorgen für eine schnellere Auszahlung. In diesem Jahr werden die ersten über Smartphone bedienbaren Geldautomaten in Deutschland installiert. Der Kunde autorisiert dabei seine Auszahlung über eine Mobile App und erhält das Bargeld am Geldautomaten ohne EC- oder Kreditkarte.In einer unbemannten Mini- oder SB-Filiale eine breite Service- und Beratungsvielfalt zu erhalten, wird durch moderne Technologien wie in die SB-Terminals integrierte Videokonferenzsysteme möglich. Per Knopfdruck kann der Bankkunde direkt mit einem auf das gewählte Thema spezialisierten Bankberater kommunizieren. Im Ausland sind solche SB-Systeme mit Videofunktion bereits verbreitet, in Deutschland werden gerade erste Pilotprojekte gestartet. Mithilfe dieser Technologie lassen sich auch erweiterte SB-Angebote abbilden, zum Beispiel die Eröffnung eines Kontos. Videotechnologie hilft, Distanzen zu überbrücken, Beratung in ländlichen Gebieten anzubieten und eine flächendeckende Präsenz zu gewährleisten.Mitarbeitergestützte Selbstbedienung lautet ein anderes Schlagwort. Mithilfe von Tablets sieht ein Bankmitarbeiter, was welcher Kunde an welchem Geldautomaten macht. Benötigt der Kunde Unterstützung, kann der Mitarbeiter die Transaktion remote oder auch direkt am Gerät gemeinsam mit dem Kunden durchführen. Der Bankmitarbeiter kann die Gelegenheit zielgerichtet zum Gespräch nutzen, denn auf seinem Tablet sieht er, welche Marketingkampagnen an die anwesenden Kunden versendet wurden und zu welchen Themen zuletzt Kontakt bestand.All diese neuen technischen Einzellösungen zeigen erst im Zusammenspiel ihre wahre Stärke. Eine Filialumgestaltung mit Einsatz von neuen Technologien und deren Steuerung durch auf integrierter Datenbasis aufsetzende Software ist dazu unerlässlich. Personalisierte Marketingkampagnen über alle Kanäle werden so erst möglich.Solch ein Umbauprozess des Filialnetzes klappt nicht von heute auf morgen. Erfahrungswerte zeigen, dass von der ersten Analyse über die Planung bis zum abgeschlossenen Roll-out ein kompetenter und vertrauenswürdiger Partner an der Seite der Bank stehen sollte. Nur dieser garantiert, dass die zeitlichen und finanziellen Planungen eingehalten werden. Vor allem die Dauer des Prozesses sollten Finanzinstitute nicht unterschätzen. Es ist also eine Herausforderung, aber eine lohnende. Denn durch eine Transformation des Filialnetzes gewinnt nicht nur die Bank, sondern vor allem der Kunde.——Edmund Schaefer verantwortet das Geschäft mit Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Wincor Nixdorf